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Jugend, Jünglingsjahre, Wanderschaft …
 
 
 
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Die beste Ausgabe der "Lebensgeschichte" ist die von
Gustav Adolf Benrath (Hrsg.): Johann Heinrich Jung-Stilling Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen. Darmstadt: Wiss. Buchges. (3., durchges. u. verb. Aufl. 1992. ISBN 3-534-07476-9. Best.-Nr. 07476-9).
Nach dieser Ausgabe ist im Allgemeinen auf dieser Web-Site zitiert: Lebensgeschichte, oder auch nur "LG".
 
Nicht nach dieser Ausgabe - dafür aber mit "Vater Stillings Lebensende" -, sondern nach dem Insel-Taschenbuch (ISBN 3-458-32409-7<1800>) ist als MP3 Hörbuch auf 3 CDs erschienen:  

 
Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte; Erzähler: Hans Jochim Schmidt. Schwerin (Mecklenburg): Vorleser Schmidt 2009; 3 CDs (etwa 27 Stunden Hörvergnügen). ISBN: 978-3-941324-03-9.
Weitere Informationen und ein Hörbeispiel hier.
Verlagstext:
Dieses ist die fesselnde Autobiographie einer der „merkwürdigsten“ Persönlichkeiten der Goethe-Zeit. Mit dem Olympier der deutschen Klassik war Jung-Stilling als junger Mann persönlich eng befreundet. Aus kleinsten Verhältnissen stammend, erlangte er schließlich als religiöser Schriftsteller weltweiten Ruhm.
Jung-Stilling verstand sein Leben ausdrücklich als Ergebnis göttlicher Führung; man kann seine „Lebensgeschichte“ als Bekenntnisschrift lesen. Deshalb die Warnung: Nichts für Atheisten! Oder vielleicht gerade für solche?
Cover der CD
  
 
Zur Auflösung der Pseudonyme siehe man hier.

 
Zur Sprache der "Jugend" siehe man hier.

 
Rezensionen der drei ersten Teile finden sich hier.

 
Übersetzungen in die engl. und franz. Sprache finden sich hier.
 
Die ersten drei Teile nach dieser Ausgabe von Benrath finden sich digitalisiert in: 100 Romane, die jeder haben muß. Berlin: Directmedia Publishing GmbH 2004 = Digitale Bibliothek Sonderband, ISBN 3-89853-242-9; mag der Text auch entsprechend sein, so ist die beigegebene "Biographie" sehr fehlerhaft! – Ausgaben auch unter diesem URL.
 
Hingewiesen sei darauf, dass die "Jugend" auch als Text für Blinde in Blindenschrift (Brailleschrift) vorliegt. (4 Bde in Blindenkurzschrift, Bestell-Nr. 3210, Günther Kappel, Braille-Druckerei, Deutsche Blindenstudienanstalt e. V., Postfach 1160, 35001 Marburg.)
 
Ebenso ist sicherlich über den Hessischen Rundfunk eine Lesung der Lebensgeschichte in 49 Folgen erhältlich. Der Hessische Rundfunk begann am 18. Oktober 1990 mit dem Sprecher Hans-Helmut Dickow diese je halbstündigen Lesungen. (Vgl. unter www.hr-online.de.)
 
 
Hinweise zu dieser LG:

 

LG S. 25, Z. 11 „am Mund“
Nostitz hat „am Mond“ mit der Begründung, dass volkstümlich der „Mond“ für die Glatze, den Kahlkopf steht.
 
LG S. 27, Z. 7 v. u „Goldingen“
S. 29 wird es zu “Holdingen”. – Siehe dazu ebd. S. 708.
 
LG S. 64 Z. 5 „Weiland“
Nostitz S. 57 nennt den stud. theol. Johann Jakob Weil aus Herborn, der am 9. Mai 1740 in sein Amt eingeführt wurde. – Siehe dazu ebd. S. 711 mit Verweis.
 
LG S. 264 Z. 7 „Melzer“ bzw. Meltzer
Hier irrt Jung-Stilling nachweislich: Gerade Melzer/Meltzer stammte aus St. Petersburg. Wahrscheinlich hat Jung-Stilling diesen mit Johann Ulrich Metzger (geb. Colmar 26.09.1752, gest. 25.04.1836, n. A. 1826. Imm. Straßburg 11.01.1771, seine Diss. iur.: De legibus publicis imperii Romano-Germanici. Straßburg: Heitz 1774.) verwechselt. – Friedrich Karl Meltzer war russisch-kaiserlicher Hofrat und Pockenarzt. Siehe Fran[(z)/(c)iscus] Car[o]l[us] Meltzer: Dissertatio Inauguralis medica sistens casum de hernia crurali incarcerata. Argentoratum: Heitz 1769. [1] Bl., 30 S. – Siehe auch: Fran[t]z Karl Meltzers, Doctors der Arzeneygelahrtheit und practischen Arztes Beschreibung der Pest von 1770 bis 1772 in Moskau. Moskau: Univ. o. J. [1776] 8°, 4, 68 S.
 
LG S. 272 Z. 14 „Hochzeit“
14.05.1771: Der praktische Arzt Dr. Johann Jacob Spielmann, Sohn von Jacob Reinbold Spielmann, ehelichte an diesem Tag Margarethe Salome von Türckheim, Tochter des Bankiers Johann von Türkheim
 
LG S. 274 Z. 18 „Preusch“
Siehe dazu den Dialekt des Siegerlandes.
 
LG S. 343 f.
1795 erschien August von Kotzebues Schauspiel „Armuth und Edelsinn. Ein Lustspiel in drey Aufzügen.“ in Leipzig. Hierin erwähnt Kotzebue Jung-Stillings Erlebnis mit dem Erscheinungstermin und dem Honorar der „Jugend“. (Hier nach der Ausgabe von 1810 zitiert; S. 37 im 1. Akt, 8. Szene.)
Im Gespräch zwischen Josephine, der Tochter des Peter Plum, Frau Rose, einer Predigerswitwe, die in Peter Plums Haus der Wirtschaft vorsteht, und ihrer vermeintlichen Tochter Josephine, sagt Frau Rose:
Armes Kind! trau auf Gott! Morgen ist auch ein Tag. Man muß nie verzweifeln. Erdennoth ist keine Noth. In einer Minute kan sich vieles ändern. Da hab ich noch neulich ein Buch gelesen, ein schönes Buch, ein gewisser Stilling hat es geschrieben, der war arm, blutarm, und sollte Schulden bezahlen, das Feuer brannte ihm auf die Nägel. Nun, was geschieht? Eines Morgens - um zehn Uhr sollt er bezahlen - er geht in seinem Kämmerlein auf und nieder. Er bethet recht inbrünstig zu Gott. Es schlägt ein Viertel auf zehn, noch keine Hülfe; es schläg halb zehn, noch keine Hülfe; ach! da wird ihm angst und bange. Es schlägt drey Viertel, poch! poch! da klopft jemand an die Thür. - Herein! - wer war es? der Postillion. Was bringt er? einen Brief schwer mit Geld beladen, ich weiß nicht mehr wofür? aber er hatte gar nicht darauf [S. 38:] gerechnet. Da spürte er Gottes Finger, und verzweifelte nie wieder, wenn er in Noth war.
Auch in einem weiteren Werk Kotzebues wird Jung-Stiling genannt. (Vgl. hier.)
 
 
 
LG S. 378  "Meteor (Ibbeken, Tom, Thompson)
Die Beziehungen zu Ibbeken müssen bereits um 1775 begonnen haben, denn Ibbeken (Juli bis Dezember 1774 in Frankfurt) wurde von Deinet gefördert. - Näheres ist bekannt, siehe hier.
 
LG S. 469 "Barruel"
Weder Benrath noch Schwinge, der den Titel "Memoires pour servir à l'histoire du Jacobinisme" ergänzte, haben bemerkt, dass Jung-Stilling selbst hier mit seinem Aufsatz über den Sayn-Wittgensteinischen Assessor Karl Joseph Wreden/Wrede (1761-1829, siehe Hamberger/Meusel und Meusel zu ihm) in der Eudämonia (1797, S. 309-312) genannt wird.
 

LG S. 502 f.

Zu dem genannten Besucher Joseph von Franck, einem Frankisten / Sabbatianer, siehe hier!
  

LG S. 506 f.: (746)

Zu den hier genannten Peronen siehe man korrigierend hier.
 
LG S. 559 "Closse"
Es handelt sich um den Organisten Klose; siehe zu ihm die Ergänzungen zur Briefedition.
 
LG S. 625 ff. (Gedicht)
Bereits 1814 gedruckt innerhalb des Textes "Religiöse Privatfeier zum Andenken an die Leipziger Völkerschlacht den 18ten Oktober 1814." - Ein Rezensent meinte: "Eine Ode, von Jung, auf den 18ten Octbr. vergisst Joh. 12, 47." [d. i.: "...; denn ich bin nicht gekommen, daß ich die Welt richte, sondern daß ich die Welt rette."] - Siehe dazu hier.
 
 

 
Die "Lebensgeschichte" gehört zum "Kanon"
 
     Großvater und Enkel (Jugend, LG S. 85) siehe ausführlich hier.

 
     Zu "Jorinde und Joringel" siehe ausführlich hier.


 
 
 
 
 
 
 
 
Weitere Würdigungen sind auf separaten Seiten wiedergegeben:
 
 
Johann Wolfgang (von) Goethes
 
Ferdinand Freiligrath
 
Friedrich Nietzsche
 
Karl Marx
 
Karl May
 
Hermann Hesse
 
 
Nikolaj Michailowitsch Karamsin/Karamzin
 
Thomas Carlyle
 
Moderne Beurteilungen
 
August Friedrich Ferdinand von Kotzebue
 
Agrégation-Prüfung der CNED siehe hier
 
Karl Philipp Moritz – siehe hier
 
Ulrich Bräker – siehe hier
 
Franz Horn
 
A. Gumprecht (?)
 
   

Lebensgeschichte im "Kanon"

 
"Henrich [sic, so im Original nach dem Taufeintrag] Stillings Jugend" wird als zu lesen genannt u. a. in:
 
(Über Sinn und Unsinn solcher Leselisten, solcher Versuche eines "Kanons", erhob sich im Januar 2003 eine Kontroverse zwischen Sigrid Löffler [* 1942] und Marcel Reich-Ranicki [* 1920].)
 
* Jörg Knobloch: Literatur kennen lernen. Epochen. Autoren. Werke. Literarische Begriffe. (Lichtenau:) AOL-Verlag (1. Aufl. 1999, ISBN 3-89312-060-2); zu Jung-Stilling heißt es S. 13:
 
"Ein Beispiel für die pietistisch (= protestantische religiöse Richtung) geprägte Prosa dieser Epoche [der Aufklärung und Empfindsamkeit] ist die Autobiografie von H. Jung-Stilling. Erst ist er Dorfschullehrer, dann wird der bescheidene, nach innen gewandte und von Goethe geförderte junge Mann schließlich Berater des Markgrafen von Baden. Sein Leben versteht er, so wird durch sein Hauptwerk deutlich, als eine Kette von gottgewollten Fügungen." Und am Rand liest man: "Heinrich Jung-Stilling (1740-1817) Heinrich [sic] Stillings Jugend (Autobiografie) 1777".
 
* G[ustav]. Schwabs und K[arl]. Klüpfels Wegweiser durch die Literatur der Deutschen. – Ein Handbuch für Gebildete. – Vierte Auflage. Gänzlich umgearbeitet und bis auf die Gegenwart fortgeführt von Karl Klüpfel. Leipzig: Klinkhardt 1870, S. 233, wo es nach Nennung verschiedener Ausgaben der "Lebensgeschichte" heißt:
 
"Der Verfasser hat sich aus niedrigen Lebensverhältnissen emporgeschwungen und sich als Schriftsteller, Arzt und Nationalökonom bekannt gemacht. Seine Biographie ist ein äußerst liebliches Genrebild, das mit Recht zu großer Berühmtheit gelangte. So wunderbar auch manches Erzählte klingt, giebt er doch alles vom Größten bis zum Kleinsten für lautere, unverfälschte Wahrheit, und führt den Gang seines Lebens auf die unmittelbarste Leitung der göttlichen Vorsehung zurück."
 
* Sabine Griese, Hubert Kerscher, Albert Meier, Claudia Stockinger (Hrsg.): Die Leseliste. Kommentierte Empfehlungen. Zusammengestellt von Sabine Griese, Hubert Kerscher, Albert Meier, Claudia Stockinger. Stuttgart: Reclam (1994. ISBN 3-15-008900-X = Reclams Universal-Bibliothek Nr. 8900.), S. 37
 
* Karl Otto Conrady: Einführung in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft. Mit Beiträgen von Horst Rüdiger und Peter Szondi und Textbeispielen zur Geschichte der deutschen Philologie. (Reinbek bei Hamburg:) Rowohlt (31.-38. Tsnd. 1968) = rowohlts deutsche enzyklopädie. Das Wissen des 20. Jahrhunderts im Taschenbuch mit enzyklopädischem Stichwort. Hrsg.: Ernesto Grassi; Sachgebiet Literaturwissenschaft; = rde Bd. 252/253. [Darin S. 111-133: "Dritter Teil: Leseliste für das Studium der Neueren deutschen Literaturwissenschaft". S. 117: "Johann Heinrich Jung, gen. Stilling / Heinrich [sic] Stillings Leben". – Die 1. Aufl. erschien Mai 1966.]
 
* Deutschland, Bundesland Hessen: Unterrichtsfach Deutsch, Rahmenplan, 4.2.1 Themenbereich Aufbruch des 'Ich'; siehe diesen Link.
 
 

Inhaltsangabe usw.:

 
* Wolfgang Spiewok: Der deutsche autobiographische Roman des 18. Jahrhunderts. Ein Studienmaterial. Greifswald: Reineke (2. Aufl.) 1994 = Reinekes Taschenbuch-Reihe Bd. 2 [Titelrückseite: Bd. 1. 1. Aufl. 1993. ISBN 3-89492-019-1. S. 76: CRDP de Picardie; Imprimé en France, janvier 1995; dépôt légal 1er trimestre 1995.] = RTR 2. [Behandelt werden im Rahmen des Themas Der deutsche Prosaroman/Die deutsche Autobiographie des 18. Jahrhunderts Karl Philipp Moritz, Johann Heinrich Jung-Stilling, Ulrich Bräker; neben Inhaltsangabe, Werkinterpretation, bibliogr. Hinweisend werden auch Arbeitsthemen genannt. – Grundlage für „Auswahl und Akzentuierung“ waren die „Vorgaben des Programmes der ‚Agrégation’ in Frankreich“ sowie die „im offiziellen Programm vorgegebene Literatur“. – S. 29-57 findet sich Jung-Stilling. S. 30 f.: statt Doktordiplom besser Examen; Selma von St. George ist nicht Nichte von Sophie de la Roche; S. 34 fehlen Hinweise auf die russischen Übersetzungen; S. 55: Jung-Stilling war 1775 zweimal bei Goethe in Frankfurt. – 1. Aufl. ISBN 3-89492-018-1.]
 
* Elisabeth Frenzel in: Lexikon der Weltliteratur. Bd. II. Hauptwerke der Weltliteratur in Charakteristiken und Kurzinterpretationen. Unter Mitarb. zahlr. Fachgelehrter hrsg. v. Gero von Wilpert. 3., neubearb. Aufl. Stuttgart: Kröner (1993) S. 548.
 
* Der Romanführer. Hrsg. v. Wilhelm Olbrich. Der Inhalt der deutschen Romane und Novellen vom Barock bis zum Naturalismus. Teil I: Alexis–Hermann Kurz. Stuttgart: Hiersemann 1950. S. 339-341: Jung-Stillings Lebensgeschichte.
 
* Der Romanführer. Hrsg. v. Wilhelm Olbrich unter Mitw. v. Karl Weitzel u. Johannes Beer. Bd. 1: Der Inhalt der deutschen Romane und Novellen von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Alexis-Kurz. 2., neu bearb. u. veränd. Aufl. 6.-8. Tsnd. Stuttgart: Hiersemann 1960. S. 302-304 von O. K. = Otto Kersch: Jung-Stillings Lebensgeschichte.
 
 
 

Eine Ausgabe ad usum Delphini:

 
Nicht unvermerkt soll sein, dass es auch eine "gereinigte" Ausgabe der "Jugend" gibt, in der
 
"unter Wahrung der Treue, einzelne Stellen, welche erzieherische Bedenken erregten, beseitigt werden":
 
Die ist:
Heinrich Stillings Jugend. – Herausgegeben und mit Anmerkungen und einem Anhange versehen von Christian Nostiz. – Preis 60 Pfg. – – Weidenau (Sieg). Druck von Max Müller. – Deutsches Buchhaus Breitenbach & Co., Siegen. [o. J., etwa 1913; 82 S., hier S. (7).]
 
Nur für sittlich gefestigte, volljährige Leser sind auf dieser Seite die ausgemerzten Stellen verzeichnet.
 
 
 

Würdigungen

Im November und Dezember des Jahres 1778 finden sich in einem Briefwechsel, von dem leider nur die Texte eines Korrespondenten erhalten ist, interessante Bemerkungen zu Jung-Stillings Lebensgeschichte:
 
[1.] Abends. Hab Dank, Lieber, für den Stilling. Ich habe ihn heute erhalten, und schon mit grosser Begierde durchgelesen. Mehr sage ich Dir davon nichts, bis wo die Ordnung Deines Briefes es mit sich führt: denn das ist nun dießmal meine Laune, der zu folgen. Von den Herrnhutern denke ich nicht ganz so vortheilhaft als Du. […]
 
[2.] den 29. Nov. Die Stelle im Stilling von den Urkräften der Natur ist S. 130 der Jünglingsjahre.
 
[3.] Den 30. Nov. Es ist heute Sonntag, da denk ich Dir recht viel zu schreiben. Ich bleibe bey meiner Ordnung. […] Du willst mein Urtheil über Stilling wissen; aber was kann ich Dir sagen, als worüber wir schon lange eingi sind, daß es ein trefflich Buch ist? Doch gefällt mir dieser Theilw eniger, als die beyden ersten. Der Ahndungen und augenscheinlichen Vorsehungsproben sind mir zu viele darin; das ermüdet. Hersfeld, Molitor, und der letzte Besuch bey der alten Großmutter haben mir besonders gefallen, doch wüßte ich in diesem Theile keine Stellen, die mich so durchdrungen hätten, als verschiedene in den vorigen. Vieles ist darin, wovon ich keine Begriffe habe, vieles worüber ich anders den= ke als der Verfasser. Ich bin nicht von den Leuten, die alles unter ihr System rangiren wollen; ich habe kein ausschliessendes Systen, und läugne kein Factum weil ichs nicht begreifen kann; aber ich pflege auch nicht viel aus einen Factum zu folgern. Kannst Du mir keine nähere Nachricht verschaffen vom Verfasser? Daß es wirkliche Begebenheiten sind, habe ich vom Anfang an geglaubt, und das denk’ ich ist just das größte Verdienst des Buches,daß einem das gleich einleuchtet, dieser originelle Ton der Wahrhaftigkeit; daß man ihm nicht zu widersprechen wagt. Unter den Straßburgischen Personen ist nur eine einzige, die ich […]
 
[4.] Den 12. December. Deine Gedanken über Stilling scheinen mir alle wahr und gut. Es ist un= gefähr eben das, was ich in meinem letzten Briefe ge= sagt habe. Die Wahrhaftigkeit der Darstellung ist un= streitig das Interessanteste bey dem Werke und ich ken= ne keinmodernes, worin dieselbe so angetroffen würde. Ich finde hier eine Idee bestätigt, die mir bey meinen Beobachtungen über Homer sehr wichtig schien, und die ich Dir in denselben Worten mittheilen will, wie ich sie damals niedergeschrieben habe: […] […] kommen. Stillings Verfasser hat auf die übrigen Ei= genschaften Homers Verzicht gethan, um die Wahr= haftifkeit zu erreichen. Demnach fehlt’s ihm an sehr vielen Passagen werder an Interesse noch an Poesie Für den Inhalt sehe ich ihn nicht als Dichter an, sondern als romantischer Biograph. (Ich brauche das Wort romantisch blos im Gegensatz gegen das Diplo= matische.) Ich glaube gewiß, daß sich die meisten Begebenheiten ungefähr so zugetragen haben, wie sie erzählt worden; oder genauer, daß der Verfasser sie just so erzählte, wie sie ihm wahr sind. Ich kann keine Ursache finden, warum er just so und nicht an= ders hätte dichten sollen; denn daß seine absicht we= der idealische Vollkommenheit ist, noch tragisches Pa= thos, noch auch moralische Folgerungen, die aus Er= sichtung hergeleitet werden könnten, braucht wohl nicht angemerkt zu werden. Die Wege der Vorsehung, die Vortheile der wahren Frömmigkeit sind Dinge, die nur in Thatsachen gezeigt werden dürfen. Meynst Du, daß es des Verfassers eigne Geschichte sey? Aber war= um denn die Veränderung des Namens? Oder ist der Augenarzt Jung in elberfeld im Bergischen ein an= derer als der Augenarzt Stilling in Schönenthal im Bergischen; und hat der erstere die Geschichte aus dem Munde des anderen aufgezeichnet? *) Daß ich mich einmal gegen Stillings Lieder erklärt habe, (denn die alten Lieder im Stilling sind nach meinem Urtheil ganz herrlich) will ich nicht viel sagen. Ich urtheile über so et= was schnell, und werde oft mein Urtheil von heute morgen wiederufen. […] […] verursachten. Doch mit den Stillingschen Liedern ha= be ich mich noch nicht aussöhnen können, auch die in der Wanderschaft gefallen mir nicht. Es ist gewiß viel schönes darin, aber ihr Gang ist so langsam und ist so viel müßiges, das nun just das Gegentheil ist von meiner Stimmung. […] […] de. Auch Stillings Prosa will mir hin und wieder zu gedehnt, zu kalt dünken. Aber ich halte darum das Ganze nicht für minder gut, glaube, daß die Sache es so erfordre und daß man überhaupt so schreiben müsse, wenn man zu Absicht hat, simplen, ruhigen, unbefangenen Gemüthern zu gefallen. Ja ich fühle selbst, daß ein solcher Ton dazu beyträgt, mich ru= higer, sanfter zu machen. Immer bleibt Stilling eins von den ersten Büchern, die ich kenne; besonders ist der zweyte Theil meinLiebling. Das ihn die Berli= ner heruntermachen, ist mir gewissermassen lieb. Eine Sache wird mir immer doppelt theuer, wenn andre sie verwerfen; das ist denke ich etwas sehr menschliches. Der dritte Theil hat meine Erwartungen nicht ganz befriedigt, und würde ich ihn vonallen dreyen noch am ehesten entbehren. Weder Charaktere noch Situa= tionen haben das Interesse, sind auch nicht so mar= bigt ausgemalt. Ein Theil davon ist fresylich meine eigne Schuld, nicht des Verfassers. Ein Mensch, der so viele Ahndungen und eingebungen hat als Stilling, und sich mit solcher Resignationleiten läßt, ist für mich mehr ein Gegenstand kalter Beobachtung als war= mer Theilnehmung. Ich glaube nicht an dergleichen; und dennoch würde ich es gegen einen jeden vertheidi= gen, der es aus Modeweisheit verwürfe. Es giebt Leute, die daran glauben, und darum ist es wahr, und ist Eingeschränktheit des Geistes wenn wir es ih= nen abläugnen wollen. „Gebt mir den Geist der weit ist und unbegränzt, frey wie die Luft, unaufgehalten wie der Wind.“
 
[5.] Noch eins in Rücksicht auf Stilling. Er hatte mich sehr beugierig gemacht auf den Hercules und Herculiscus, die ich in meiner frühsten Jugend wohl durchblättert hatte, aber mich ihrer nicht mehr erin= nerte. Es gelang mir zu Hause sie aufzutreiben, fieng an sie durchzulesen; allein ich fand sie unerträglich lang= weilig und zum Theil höchst abgeschmackt, so daß mir’s nicht möglich war mehr als ein paar Bücher in jedem zu Ende zu bringen. Es möchte doch wohl ein Unterschied seyn zwischen grossen Hüten und dicken Quar= tanten voll Fredduren.
Wo liegt das Fürstenthum Salen? […]
   
 
Eine Schilderung ihrer "Eindrücke einer Jung-Stilling-Lektüre" gibt Elisabeth Preiß in dem Nachrichtenblatt Nr. 120 der Rheinischen Adalbert-Stifter-Gemeinschaft im Juni 2003.
 
Werner Grebe: Meine Jung-Stilling-Sammlung. – In: Wandelhalle der Bücherfreunde. Nachrichtenblatt der Gesellschaft der Bibliophilen e. V. Neue Folge, Jg. 41, 1999, H. 2, S. 38-39. [S. 39 das von Grebe gestaltete Exlibris.]
 
Johann Wolfgang (von) Goethes (1749-1832) Würdigung der Person Jung-Stillings finden Sie hier nebst einer Würdigung aus seinem Freundeskreis (Jenny von Gustedt).
 
Jung-Stillings Würdigung Goethes erschien auch separat; so z. B.
Zeitgenossen. / Ein / biographisches Magazin / für die / Geschichte unserer Zeit. / Dritte Reihe. / - / Herausgegeben unter Verantwortlichkeit der Verlagshandlung / von / Friedrich Christian August Hasse, / Professor der historischen Hülfswissenschaften an der Universität zu / Leipzig. / - / Erster Band. / (Nr. I – VIII.) / - / Leipzig: / F. A. Brockhaus. / - / 1829. – Darin "Stilling's Zeugniß von Göthe.".]
 
Der deutsche Schauspieler Klaus Kinski (eigentl. Nikolaus Nakszynski, geb. Zoppot 18.10.1926, gest. Lagunitas, Kalifornien, 23.11.1991) hat im November 1971 in der Düsseldorfer Philips Halle einen Auftritt während seiner „Jesus-Tournee“, bei dem er „seine ins Hippie-Deutsch umfunktionierten Sprüche und Preisungen des Evangeliums“ vortrug. Zum Abschluß der hier zitierten Kritik von Paul Hübner heißt es:
„Kinski macht nicht einmal glaubhaft, daß er ein neuer Jung-Stilling sei, der Eiferer und Enthusiast in riesiger Perücke, der in Straßburg auf Goethe einwirkte und mit seiner Biographie ‘Henrich Stillings Jugend’ das pietistische Gären des Sturm und Drang beeinflußte. Dazu langt die mit einigen expressiven Ausdrücken umgemünzte Auswahl und Bearbeitung der Evangelientexte nicht. [...]“
 
 
Alle weiteren hier dargebotenen Würdigungen sind oben genannt und von dort aus zu erreichen.
 

Literaturhinweise:

 
Todd Kontje: Private Life in the Public Sphere. Heinrich Jung-Stilling's Lebensgeschichte. - In: Colloquia Germanica. Internationale Zeitschrift für germanische Sprach- und Literaturwissenschaft hrsg. v. Bernd Kratz. Bd. 21, Bern: Francke (published for the University of Kentucky) 1988, H. 4, S. 275-287.
 
Hans Esselborn: Erschriebene Individualität und Karriere in der Autobiographie des 18. Jahrhunderts. – In: Wirkendes Wort. Deutsche Sprache in Forschung und Lehre. Hrsg. v. Heinz Rölleke 46, 1969, S. 193-210 [Jung-Stilling S. 195-198].
 
Klaus-Detlef Müller: Autobiographie und Roman. Studien zur literarischen Autobiographie der Goethezeit. Tübingen: Niemeyer 1976. ISBN 3-484-18041-2 = Studien zur deutschen Literatur Bd. 46. (Hier im Kapitel "IV Die literarische Autobiographie" S. 127-145 der Abschnitt "8. Jung-Stilling: Religiöses Rollenspiel" (Anm. S. 377.)
 
Hartmut Dedert: Die Erzählung im Sturm und Drang. Studien zur Prosa des achtzehnten Jahrhunderts. Stuttgart: Metzler (1990). [= Germanistische Abhandlungen Bd. 66. ISBN 3-476-00722-7. - Kapitel 2: "Traditionen und Tendenzen"; Abschnitt 3, S. 17-19: "Johann Heinrich Jung (Stilling): Erbauung im Zeichen der Providenz" (mit Hinweisen zur "Ase-Neitha"). S. 227 die Anm. dazu. - S. 7-13: "Erzählen im Sturm und Drang - Ein Tour d'horizon". – Zugl. Diss. Münster 1987.]
 
Horst Möller: Fürstenstaat oder Bürgernation. Deutschland 1763-1815. (Berlin:) Siedler (1989) = Die Deutschen und ihre Nation = Siedler Deutsche Geschichte Bd. 1 (ISBN 3-88680-054-7) S. 324 Abb. der Titelseite der "Jugend" und S. 395 "Der Hausstand der Jung-Stillings" im Kapitel "VI. Höfische und bürgerliche Kultur: vom Barock zur Romantik".
 
Hans-Heino Ewers: Die Literatur der versehrten Kindheit. Von Jung-Stilling und Karl Philipp Moritz zu Franz Kafka und Rainer Maria Rilke – ein Überblick". – In: Welt der Kinder – Kinder der Welt. Kindheitsbilder in der Kinder- und der Erwachsenenliteratur. Hrsg. v. Roswitha Cordes. Mit Beiträgen von … (Schwerte:) Katholische Akademie (1989. ISBN 3-927382-03-5), S. 86-112. = Dokumentationen 20 Veröffentlichungen der Katholischen Akademie Schwerte. Hrsg. v. Gerhard Krems.
 
Siehe zu Jung-Stilling als Pädagoge auch hier auf meiner Seite.
 
 
 
Bereits 1767 schreibt Johann Heinrich Erdmann Goebel (1732-1795) am Gymnasium in Lauban die Programmschrift "Von den Stillen im Lande".
 

 

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