Jung-Stilling:
Vertheidigung gegen
die schweren Beschuldigungen einiger Journalisten
1807
Als eine Folge der „Siegesgeschichte“ von 1799 erschien diese Verteidigung Jung-Stillings gegen seine Kritiker, die hier im Volltext wiedergegeben ist.
Anmerkungen und genannte Texte finden sich auf dieser Seite.
Vertheidigung
gegen die
schweren Beschuldigungen
einiger Journalisten
von
Dr. Johann Heinrich Jung
genannt Stilling, Grosherzoglich Badischer
Hofrath.
- [eL 35 mm]
- [eL 72 mm]
Nürnberg,
im Verlag der Raw’schen Buchhandlung
1807.
[Titel = S. 1, verso vakat = S. 2; S. 3:]
-- [Schmucklinie]
So lang die Anfälle auf mich, in schimpfen, spotten, und verdrehen meiner Worte bestehen, so lang halte ich es nicht für nöthig, und achte es nicht der Mühe werth, ein Wort darüber zu sagen; denn was soll ich antworten? – etwa wieder schimpfen, wieder spotten? – Nein, dafür behüte mich mein Gott, der Christ vergilt nicht Böses mit Bösem, sondern mit Liebe und Schonung. Würde aber jemand meine Lehre, meine Grundsätze zu widerlegen suchen – welches noch nie versucht worden ist, - so würde ich ihm Rede stehn, und ihm Rechenschaft meines Glaubens geben; oder wenn jemand meine Person und meinen Caracter eines Verbrechens beschuldigt, so daß dadurch ein allgemeiner Verdacht gegen meine Rechtschaffenheit entsteht, wodurch dann auch nothwendig meiner Schriften, bey denen die weder mich noch meine Lehren genau kennen, in Miskredit gerathen müssen, so fühle ich mich verpflichtet, meine Ehre, meinen guten Ruf, und auch die Wahrheit meiner Lehre zu vertheidigen, und dies ist gegenwärtig der Fall.
a 2 Ver=
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Verschiedene Freunde aus dem nördlichen Teutschland haben mir geschrieben, daß in einer dortigen Zeitschrift heftige Ausfälle gegen mich geschehen seyen, unter andern behauptet man, ich sey der Stifter oder Heerführer der gefährlichen Würtembergischen Sekte – Sie verstehen ohne Zweifel diejenige darunter, die den Kaiser Napoleon für den Sohn Gottes erklärt, der nun wiedergekommen sey, um sein so lange versprochenes Königreich auf Erden zu stiften, die daher alle andere Obrigkeiten, auch ihre eigene verachtet, ihren Vorgesezten den Gehorsam versagt, sie schimpft; alle Prediger, auch die frömsten und rechtschaffensten für Betrüger und Baalspfaffen erklärt, sich daher von der Kirche und den Sacramenten trennt; die weise [sic; weiße] Hüte mit Cokarden [sic; Kokarden] trägt, und sich sonst auf allerley Weise auszeichnet, dieser höchst gefährlichen und fanatischen Sekte Stifter und Anführer soll ich seyn.
Alle Leser meiner Schriften müssen erstaunen, wie es möglich ist, mir so etwas Abscheuliches aufzubürden – denn sie wissen alle meine Grundsätze, und daß es einem gesunden Menschenverstand unmöglich sey, solche Gräuel aus ihnen zu folgern. Dieienigen [sic; diejenigen] aber denen meine Schriften unbekannt sind, können freylich nicht wissen was darinnen
ent=
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enthalten ist, und denen muß ich also beweisen, daß kein wahres Wort an dieser Sage ist. Wie kann ich aber dieses, wenn sie nicht lesen was ich geschrieben habe? – freylich wäre nach gewöhnlichen Rechtsgründen, der Beweiß, Pflicht meiner Gegner; ich könnte gerichtlich darauf dringen; allein das will ich nicht; aber das fordere ich von meinen christlichen teutschen Mitbrüdern, daß sie nicht eher solchen Verläumdungen glauben, bis sie auch mich gehört, und meine geschriebenen Werke geprüft haben, es ist ja eine längst angenommene Regel, daß man auch den andern Theil hören solle – audiatur et altera pars – nur um dieses bitte ich, und auch darum, daß man mich nicht unverhört verdammen möge.
Im lezten, nämlich 4ten Stück des christlichen Menschenfreundes habe ich mich über die oben angeführte gefährliche Sekte dergestalt erklärt, daß ich ein abscheulicher Bösewicht seyn müste, wenn ich so etwas öffentlich bezeugte, und dann heimlich doch, nicht blos ihrer Meynung, sondern noch so gar ihr Anführer wäre.
Man frage jeden der zu dieser Sekte gehört, was er von mir halte? so wird sich bald zeigen, wie feindselig alle gegen mich gesinnt sind: und man erkundige sich bey den würtembergischen Behörden, die diese Leute gerichtlich verhört, und Protocolle über sie abgefasst haben, so wird sich
a 3 allent=
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allenthalben zeigen, daß ich weder am Entstehen, noch an der Zunahme dieser Sekten den geringsten Antheil habe. Alle meine Grundsätze sind den Schwärmereyen dieser bedauernwürdigen Menschen so geradezu entgegen, daß diese Beschuldigung sehr viel Aehnliches mit derjenigen hat, als die Juden behaupteten, Christus treibe die Teufel aus durch Beelzebub den Obersten der Teufel. Ich kämpfe – laut allen meinen neuesten Schriften, gegen diese Schwärmer, und soll doch ihr Heerführer seyn; und in meinen ältern Werken wird immer für solchen wilden Auswüchsen ernstlich gewarnt.
Sollte aber jemand einwenden, meine religiöse Lehrmethode sey überhaupt dazu geeignet, dergleichen ausschweifende Schwärmereyen zu veranlassen, so dient zur Antwort: man zeige mir daß ich irgendwo das Geringste lehre und behaupte, das nicht Christus und seine Apostel, und nach ihnen die theuren Gottesmänner, und endlich unsre verehrungswürdige Reformatoren
Luther, Zwingli, Calvin.
geglaubt, gelehrt und behauptet haben, und darf ich das nicht? – darf ich icht mehr lehren und behaupten, was so viele Millionen, zu frommen, tugendhaften, und vortreflichen Menschen unläugbar gebildet hat, und noch immer bildet? – wenn zu allen Zeiten, hie und da einer, durch den Missbrauch religiöser Wahrheiten, Weissagungen und derglei=
chen
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chen, im Kopf verrückt, und ein Schwärmer wurde, si kann man das der Bibel und ihrer christlichen Glaubenslehre so wenig Schuld geben, als eine vortrefliche heilsame Arzney Schuld an den schädlichen Folgen für denjenigen ist, der sie anstatt tropfenweis zu nehmen, mit Löffeln isst, oder ein reiner gesunder Wein an der Völlerey des Trunkenbolds.
Die Würtembergischen Schwärmer erklären den Kaiser Napoleon, für den, nun zum Zweytenmal, und zur Errichtung seines längst versprochenen Reichs vom Himmel herabgekommenen, Sohn Gottes Jesum Christum.
Ich erkläre den Kayser Napoleon für ein großes Werkzeug in der Hand der Vorsehung, wodurch Gott große und wichtige Zwecke, die am Ende zum Heil der ganzen Menschheit gereichen müssen, ausführen will. Daß diese meine Erklärung wahr sey, das lehrt uns die Geschichte dieses großen Mannes, und die Geschichte unserer Zeit so klar und deutlich daß kein Vernünftiger daran zweifeln kann. Aber daß er der Sohn Gottes Jesus Christus sey, das würde der Kaiser selbst für Unsinn und Lästerung erklären, wenn er es erführe; das kann nur ein wahnsinniger Schwachkopf behaupten.
Dann sondern sich diese bedauernswürdige Schwärmer von Kirchen, Schulen und Sacramen=
a 4 ten
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ten ab, und versagen der geist= und weltlichen Obrigkeit allen Gehorsam, sie beschimpfen und lästern sie sogar; ich hingegen habe von jeher und besonders in den neueren Zeiten mit großem Ernst gegen den Separatismus gekämpft, und unwiderlegbare Gründe angegeben, warum man sich nicht von Kirchen, Schulen und Sacramenten absondern sondern, auch dann sich deren bedienen müssen,, wenn auch die Geistlichen das nicth sind, was sie seyn sollten. Diese Pflicht hört aber dann auf, wenn Lehren vorgetragen werden, die der Lehre Christi, und überhaupt der christlichen Religion entgegen sind. In Ansehung des Verhaltens gegen die Obrigkeit hab ich allenthalben, wo ich nur Gelegenheit dazu fand, Gehorsam und Treue anempfohlen; kein Unterthan hat das Recht zu untersuchen, ob die Obrigkeit die Gewalt über ihn hat, mit Recht oder Unrecht zu dieser Gewalt gekommen sey? – so bald sie einmal die Gewalt hat, so hat sie sie von Gott. Gesezt auch es sey bloße Zulassung Gottes, so darf der christliche Unterthan das nicht ändern wollen, was Gott zugelassen hat, weil Er es nicht zugelassen hätte, wenn Er nicht große und heilige Zwecke dadurch erreichen wollte. Königen und Fürsten kommt es zu, ihre Rechte und Länder zu schützen, wenn sie das nun aus allen Kräften thun und gethan haben,
und
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und werden dennoch überwältigt, so sind die Unterthanen verpflichte, dem neuen Herrn treu und gegenwärtig zu seyn. So lehrt die christliche Religion, die gesunde Vernunft und die Klugheit. Dies hab ich auch in allen meinen Schriften gelehrt, an diese appellire ich, sie sollen entscheiden.
Die Würtembergische Secte, wovon hier die Rede ist, bestand anfangs wenigstens großentheils aus wahrhaft erweckten Seelen; durch den Seaparatismus aber, der allemal einen versteckten heimlichen Stolz zur Quelle hat, wenn die Religionsbedienung in Kirchen und Schulen nicht ganz und gar verdorben ist, sind sie allmählig auf Irrwege gekommen, wie solches leicht möglich ist, wenn sich solche gemeine, an Erkenntniß arme Leute von ihren Führern losreisen [sic; losreißen], und dann Bücher lesen, die sie nicht verstehen, oder vielmehr unrichtig verstehen. Doch ich mag mich gegen diese Beschuldigung, die Würtembergische Sekte betreffend, nicht weiter vertheidigen. Die Menge meiner dortigen Freunde können und werden Zeugen meiner Unschuld seyn.
Ein anderer Freund schreibt mir, ich würde in dem Morgenblatt darüber angezupft, daß ich einmal in der Schweiz vor dem Essen eine halbe Stunde gebetet hätte – hierauf dient zur Antwort, daß ich nie in der Schweiz, weder vor noch nach dem Essen laut, vielweniger eine halbe a 5 Stun=
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Stunde lang gebetet habe. Doch darauf hätte ich fast nicht antworten sollen, diese Anklage ist so läppisch, so unbedeutend, daß ich nicht begreife, wie ein Mensch dazu kommen kann, sich darüber zu beschweren. Ueberhaupt aber wissen alle die mich kennen, daß ich kein Freund von langen und lauten Gebeten bin, das innere wahre Herzensgebet ist meine Sache. Nun zu einer andern, mehr bedeutenden, Beschuldigung.
Verschiedene Freunde in der Schweiz schrieben mir, daß ich in einer dortigen Flugschrift – ich glaube sie heist Miszellen der neuesten Weltkunde – sehr bitter angegriffen worden seye, was aber da über micht gesagt werde, und wessen man mich beschuldigt, das schrieb man mir nicht, ich fragte auch nicht weiter darnach, weil ich mich um solche Schmähungen wenig bekümmere, und etwas Wichtigeres zu thun habe, als so etwas zu lesen, oder gar dagegen zu schreiben.
Bald hernach aber schrieb mit eine sehr fromme und erleuchtete Seele aus Niederteutschland über allerhand religiöse Gegenstände, unter andern gedachte sie auch eines bittern und beleidigenden Aufsatzes, der in eine der dortigen Zeitungen aufgenommen worden, und mich besonders betreffe, zugleich legte sie mir auch das Zeitungsblatt bey, um es selbst lesen zu können. Hier fand ich nun, daß es vielleicht der nämliche Artickel sey, der in
Dem
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dem Schweizerblatt steht. Ich theile ihn hier von Wort zu Wort mit, damit alle meine Leser selbst urtheilen, und sehen können was an der Sache ist.
Schweiz.
Me: Jede Zeile beginnt mit Anführungszeichen „ zur Kennzeichnung des Zitats.
„Ein Schweizerblatt liefert unter der Aufschrift ein Blick auf Stilling Jung und die Religions Schwärmerey im südlichen Teutschland und in der Schweiz, achtungswerthe Betrachtungen. In seiner neuesten Volksschrift *) – heist es in diesem Aufsatz unter andern, - spricht Herr Jung auch von dem Bergfall bey Goldau, und den dabey Verunglückten, worunter, wie er sich ausdrückt, viele gute Seelen gewesen seyn können, die ins ewige Vaterland kamen, ohne zu wissen, wie ihnen geschahe; er sucht gewissermaßen dies Ereignis als ein göttliches Werk zu rechtfertigen. So wohlgemeint dies ist, so übel wird es von ihm unternommen: er sagt z. B. unter den Verschütteten befinden sich 128 Kinder, diese sind nun alle auf einmal, und in einem Augenblick selig geworden, u. s. w. Jedermann weiß, wie oft schon dergleichen Ideen unter schwärmerischen Landleuten, Kindermorde veranlassten. Den Bergfall benuzt er aber noch zu andern Zwecken: ihn und die bey Udine gesehene Feuersäule, und die Erdbeben in Ungarn, die zu Nürnberg gesehene Feu=
erku=
*) Der christliche Menschenfreund 4tes Heft.
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erkugel, die Ueberschwemmung im Canton Unterwalden, der neulich in den Zeitungen erwähnte Hang einiger Weiber sich zu ersäufen, dienen ihm als Zeichen der Zeit, und er deduzirt damit nichts geringeres als die Ankunft der jüngsten Tages! - der große Haufe, ist einmal seine Phantasie in Glut, bleibt nicht bey dem stehen, was ihm dieser oder jener gutmüthige Schwärmer angab, er wird selber inspirirt und Prophet, und der gefallene Schneeballen, wird wider den Willen des ersten Urhebers [= Gott], zur zermalmenden Laui=ne. [sic; Lawine] Hr. Jung eifert nun endlich auch, aber gewiß vergebens, gegen die krüftigen Irrthümer, die hie und da unter den Erweckten! selbst zu herrschen anfangen. Vielleicht gab aber eben er zu dem Wahnsinn zum Theil mit Anlaß, der in den Königlich Würtembergischen Staaten vor kurzem so viel Unheil in manche Familien brachte. Hr. Jung erzält das. Er war Augen= und Ohrenzeuge. Er eifert gegen diesen Abfall von Christo, wie er’s nennt, hoft vielleicht zur Belehrung und Bekehrung dieser tollhäuslerischen Erwekten beyzutragen. Aber siw würden ihm wahrscheinlich eben das antworten, was ihm die Separatisten einer andern Gegend des südlichen Teutschlands schrieben: Er solle das Bücherschreiben bleiben lassen; er verführe die Menschen dadurch; er sey ein Vorläufer das Antichrists, und ein Comö=
diant; [Komödiant]
Siehe dazu "Der Verkündiger" (Nürnberg), der in seiner Nr. 71 vom Tage S. 284 (letzte Seite, Spalte a) meldet: "Religionsschwärmer und Propheten unserer / Zeit."; darin heißt es über Vorkommnisse in der Schweiz und in Schwaben; auch in Württemberg wurden Verhaftungen vorgenommen; in Westfalen sollen "Seher entstanden seyn". Unter den Augsburgischen Christen gebe es mehr Schwärmer als unter Katholiken, dann heißt es:
Es wird also Schwärmern / sehr leicht, unter den Protestanten Anhänger zu / finden, weilvon Seiten ihrer Religion kein Ge= / gengewicht vorhanden ist.
Herr Hofrath Jung zu Heidelberg, obgleich / selbst ein Schwärmer, eifert gegen die Würtem= [sic] / berger Separatisten, und gedenkt sie wieder auf / den rechten Weg zu bringen. Andere Schwär= / mer haben ihm aber selbst schon abgerathen, / Bücher zu schreiben, weil er nur die Menschen / verführe, und ihm angerathen, sich lieber auf / eine Schneiderwerkstatt zu setzen. Hier wirkte / er freylich nicht so weit, aber doch immer für / das allgemeine Beste nützlicher, wenn er nicht / lieber ausschließlich beym Cameralfach bleiben / will, worin er sich schon einen ehrenvollern Ruf / erworben hat.
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diant; er soll sich lieber auf die Schneider Werkstatt setzen, und den Schauspielern, den Comödianten die Kleider machen und sticken, u. s. w. es ist mit der religiösen Schwärmerey wie mit der politischen, der Jünger wächst dem Meister zulezt über den Kopf. [“]
So lautet dieser Zeitungs=Aufsaz, und nun meine Verantwortung dagegen.
Ein Blick auf mich, und auf die Religionsschwärmerey im südlichen Teutschland – so heißt der Titel: also ich und die Schwärmerey in Verbindung. Wenn man alle meine religiöse und ästhetischen Schriften ruhig, und mit unpartheyisch prüfenden Geist ließt, mein Leben und Wandel und meine Reden von jeher redlich und ohne Vorurtheil beobachtet hat, und noch beobachtet, so wird sich zeigen, daß ich durchaus nichts lehre, nichts behaupte, als was Christus, seine Apostel, und nach Ihnen die ganze rechtgläubige Kirche bis daher gelehrt und behauptet hat. Dies werde ich im Verfolg noch klärer [sic; klarer] zeigen. Ist nun das ganze christliche Glaubenssystem, wodurch Millionen Menschen zu guten Bürgern, Unterthanen, Gatten, Eltern und Kindern gebildet worden sind, Schwärmerey, so sey mir dieses Schwärmerey willkommen und geseegnet, sie ist mir doch tausendmal lieber als die eißkalte Vernunftweißheit, die mich einem eisernen Schicksal
unter=
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unterwirft, von der väterlichen Leitung meines Gottes, und von der tröstlichen Bürgschaft meines Erlösers kein Wort weiß.
Aber ist denn das christliche Glaubenssysteem, so wie wir es in der Bibel finden würklich Schwärmerey? – dies war es sechzehn Jahrhunderte lang nicht, man glaubte der Bibel unbedingt, und wer es nicht that, den verabscheute man, man nahm die Vernunft gefangen unter den Gehorsam des Glaubens, weil man überzeugt war, daß sie im Uebersinnlichen nichts wisse. Unter der Regierun Carls des zweyten, [Karl II. reg. 1660-1685] Königs von England, entstanden aber Männer die es wagten mit ihrer Vernunft das Christenthum zu prüfen, sie bekamen allmälig Nachfolger, und si entstand endlich nach und nach das mechanisch=philosophische Lehrgebäude, welches dem christlichen Glaubenssystem geradezu entgegen ist; nun verwechselt man aber jene mechanische Philosophie mit der Vernunft; was ihren Grundsätzen widerspricht, das soll auch der Vernunft widersprechen, und dies ist ja offenbar grundfalsch: Die Philosophie giebt die Grundlage der Vorstellungen des Denkens, Urtheilens und Schliesens; darauf gründet nun die Vernunft alle ihre Ansichten und Kenntnisse: sie hat einmal jene Grundlage für unerschütterlich wahr angenommen, und glaubt gewiß zu wissen, daß wenn sie nun logisch richtig
schlös=
Vgl. die Blicke in die Geheimnisse …
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schlösse, diese ihre Schlüsse himmelveste Wahrheit seyen, und dies ist doch grundfalsch; denn wenn die erste Grundlage des Denkens Irrthum ist, so ist alles was auch logisch daraus gefolgert wird, Irrthum; und gerade dies ist der Fall bey unserer neuen Aufklärung, in der Religion. Denn ihren Grundsätzen zufolge nimmt die Vernunft nichts an, als was sich auf sinnliche Erfahrungen gründet, aus diesen bildet sie sich die Grundlagen, die Prämissen, ihres Denkens, Urtheilens und Schliesens, so lange sie nun damit innerhalb den [sic] Grenzen der Materialien, oder Cörperwelt bleibt, so lange handelt sie recht, und wenn sie richtig beobachtet, und schließt, so ist auch das was sie heraus bringt Warheit, will sie aber die nämlichen Grundlagen ins Uebersinnliche übertragen, so geräth sie in Widersprüche und höchst gefährliche Irrthümer: denn der Mensch ist in der gegenwärtigen Periode seines Daseyns auf die Cörperwelt organisirt, wo er alles aussereinander und nacheinander, in Raum und Zeit, in Ursachen und Wirkungen, nothwendig so und nicht anders findet und beobachtet. Daß er aber alles so findet und beobachtet, davon liegt der Grund in einer Organisation; wären seine sinnliche Organe anders gebaut, so erschien ihm auch die ganze Natur anders; er würde auch ganz anders beobachten, urtheilen und
schlie=
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schliesen. Wie also die Cörperwelt in sich ist, und wie sie sich Gott vorstellt, das weiß kein Mensch, und niemand kann es wissen.
Wenn also unsre Vorstellung von der Cörper= oder Sinnenwelt, nur für uns, aber in sich selbst nicht Wahrheit ist, wie kann sie dann vollends in einer Welt von welcher unsre Sinnen gar nichts empfinden, Wahrheit seyn? – Unsre aufgeklärte weise Männer beurtheilen Gott und Geist nach dem Maaßstab der materiellen Kräfte, und ihrer nothwendigen Wechselwürkung, durch Ursache und Folge, und bedenken nicht, daß diese materiellen Kräfte mit allen ihren Würkungen durch ihre eiene sinnliche Organisation so modifizirt werden, und daß sie in der Wahrheit der göttlichen Vorstellung ganz anders sind. Für ein vernünftiges Thier, das nach dem Tod weiter nichts sucht, und im Tod sein ganzes Daseyn verliert, mag eine solche Aufklärung noch hingehen, ob sie gleich auch in dem Fall den Leidenden trostlos lässt, aber für den unsterblichen, nach dem höchsten Gut hungernden Geist, ist sie ein betäubendes Gift, eine wahre Pest der Menschheit.
Wird die theokratische Philosophie, oder mein theokratisches Freyheits=System, sowie es die Bibel und die christliche Religion lehren, mit unsern sinnlichen Vorstellungen von der Körper=
welt
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welt, in ein übereinstimmendes Ganzes gebracht, so erhält die Vernunft eine felsenveste [sic; felsenfeste] Grundlage ihres Denkens, Urtheilens und Schliesens, und wenn sie da logisch richtig verfährt, so kann sie nicht irren. In meiner Theorie der Geisterkunde an der ich jetzt arbeite, erkläre ich mich nächer über mein theologisches Freyheits=System, und zeige, daß es sich sehr wohl mit unsern sinnlichen Vorstellungen vereinigen lasse.
Wenn ich nun ein solches auf Vernunft, Erfahrung, und Offenbarung gegründetes System, bald in Dichtung, bald in Bildern, bald in Allegorien, und bald in Prosa, ruhig und vernünftig vortrage, bin ich dann ein Schwärmer, und ist meine Lehre, meine Tendenz Schwärmerey?
Die Schwärmerey im südlichen Teutschland hat ganz andere Quellen als mich und meine Schriften; man frage nur alle Arten von Separatisten und Schwärmern, so wird man ganz andre Ursachen hören, sie sind mir durchgehends alle feind, und wahre Antipoden meiner Grundsätze; wie können sie nun meine Anhänger seyn? Doch ich fahre in meiner Verantwortung gegen die Beschuldigungen in obigem Zeitungs=Aufsaz fort; geheime Seitenhiebe übergehe ich, und bleibe nur bey der Hauptsache. Ich soll gewissermaßen den Bergfall zu Goldau in der Schweiz als ein gött=
b liches
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liches Werk zu rechtfertigen suchen, so wohlgemeint das aber sey, so übel würde es von mir unternommen u. s. w. Ein göttliches Werk hab ich diesen Bergfall nicht genannt, sondern es heist unten auf der sechsten Seite des 4ten Hefts des christlichen Menschenfreunds so: „Dergleichen grose Naturereigniße gehören in die Geheimniße der grosen Weltregierung, die wir vielleicht dereinst im reinen Licht erkennen, und den Herrn der Herrlichkeit dafür preisen werden.“ Hab ich da etwas unwahres, dummes oder schwärmerisches gesagt?
Die Rechtfertigung dieses schweren göttlichen Verhängnisses soll von mir übel unternommen worden seyn. Ein Beweiß davon ist, daß ich die verschütteten 128 Kinder selig gepriesen habe, und daß durch dergleichen Ideen leicht der Kindermord veranlaßt werden könnte. Lieben Leser! bleibt doch nur einen Augenblick bey dieser Stelle stehen, was muß einem vernünftigen Vorurtheilsfreyen [sic] Menschen dabey einfallen? – ich mag es nicht denken, vielweniger auf das Papier niederschreiben – Wenn ich also eine weinende Mutter, welcher ein Kind gestorben ist, damit trösten will, ihr Kind sey seelig, denn die Seeligkeit der Kinder sey gewiß; wenn es alt geworden wäre, so hätte es ein Sünder werden, und verlohren
gehen
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gehen könne, so handle ich unrecht, denn wie leicht könnte das eine andere schwärmerische Mutter hören, dann flugs nach Hause laufen, ihr Kind ermorden, um es auch selig zu machen.
Wenn der Verfasser dieses Aufsatzes keine andern Beweise meiner überlunternommenen Rechtfertigung hat, so möchte er wohl zu kurz kommen; wir wollen sehen. Es heißt ferner: den Bergfall benuzt er aber noch zu andern Zwecken: ihn und die bey Udine gesehene Feuersäule; und die Erdbeben in Ungarn; die zu Nürnberg gesehene Feuerkugeln; die Ueberschwemmung im Canton Unterwalden; der neulich in den Zeitungen erwähnte Hang einiger Weiber sich zu ersäufen, dienen ihm als Zeichen der Zeit, und er deduzirt damit nichts geringeres, als die Ankunft des jüngsten Tages.
Jezt bitte ich alle meine Leser und besonders alle meine Freunde, und die vorzüglich die meine Schriften ganz gelesen haben, und sie ganz kennen, ob ich irgendwo nur einen leisen Wink, geschweige eine Behauptung angegeben habe, daß der jüngste Tag nahe sey? Allenthalben wo die Rede davon ist, setze ich ihn noch über tausend Jahre hinaus. Ich h abe Grund zu vermuthen, daß der Verfasser hier heillose Schwärmerey im Canton Bern in der Schweiz im Auge habe, wo ein junges Mädchen vorm Jahr Offenbarungen vorgab, und behauptete, daß verwichene Ostern der jüng=
b 2 ste
jüngste – Zur Datierung dieser Schrift: nach Ostern 1807!
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ste Tag kommen würde; und da ihr vernünftiger Grosvater einen Eckel [sic; Ekel] gegen diese Schwärmerey hatte, und sie aus dieser Verbindung zurück bringen wollte, so veranlasste sie, daß der würdige Greiß [sic; Greis] von ihren Anhängern erdrosselt wurde, und dies aus der liebevollen Absicht, damit seine Seele gerettet würde. Zu dieser Gräuelthat sollen auch meine Schriften den Grund gelegt haben, wie man mir geschrieben hat. Allem Vermuthen nach, hat dies auch der Verfasser im Auge, sonst würde er die grundfalsche Behauptung, ich hätte den jüngsten Tag als nahe angekündigt, nicht so vom Zaun abgebrochen haben: denn Gott ist mein Zeuge, daß mir der Gedanke nie in den Sinn gekommen ist, sondern das ist mein Glaube und meine gegründete Vermuthung, daß nun bald, Ruhe und Frieden allgemein auf Erden herrschen werden, indem wahre Christus=Religion über alle Philosophastereyen [sic; Philosophistereien] siegen, und den ganzen Erdkreis einnehmen werde. Zu dieser süsen Hofnung giebt mir die Bibel, und auch die Vernunft sichere Gründe an die Hand.
Alle Weissagungen der heiligen Schrift, die noch nicht erfüllt sind, und auf die lezten Zeiten zielen, versprechen eine Zeit, in welcher wahre Gottesverehrung, Liebe und Frieden auf dem ganzen Erdkreis von einem Ende zum andern herrschend seyn sollen; in der Offenbahrung Johannis [sic; Offenbarung] wird gesagt, daß dieses Reich tausend Jahre währen, und einige Zeit hernach der jüng=
ste
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ste Tag kommen werde. Der Apostel Paulus giebt 2 Thessal. 2. auch das Zeichen an, an dem man gewiß wissen kann, wann der Anbruch dieses Reichs nahe sey? Dann nemlich, wann der Abfall von Christo in der Christenheit herrschend geworden sey; es ist höchst merkwürdig, daß diese Weissagung in unsern Tagen so wörtlich erfüllt wird: denn was ist Abfall von Christo, wenn es der heut zu Tage herrschende Ton der großen Welt, vieler Gelehrten, eines großen Theils der Geistlichkeit, und überhaupt der gesammten Aufklärung nicht ist? Daß man Jesum Christum, troz seiner eigenen, seiner Apostel, und aller wahren Christusverehrer Behauptung, nicht mehr für den wahren anbetungswürdigen Gottmenschen, und Weltregenten, und nicht mehr für den Versöhner mit Gott, sondern nur für einen bloßen Menschen erklärt. Daß man die Erlösung durch sein Blut für Schwärmerey hält, und die Gnadenwürkungen seines heiligen Geistes frech verläugnet und verspottet; ist das nicht Abfall von Ihm? Fällt man nicht ab von einem Regenten, wenn man ihn nicht mehr für seinen Regenten erkennt, und seinen Gesetzen nicht gehorcht, sondern ihnen vilemehr entgegen handelt? – Wer kann nun noch läugnen, daß in unsern Tagen der Abfall von Christo herrschend geworden sey? – und diesen merkwürdigen Abfall sahe Paulus vor ungefähr achtzehntehalbhundert Jahren vorher – das konnte er warlich als Mensch nicht
b 3 wis=
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wissen, nur der allwissende Geist Gottes konnte ihm das offenbaren; ist dies aber nun unläugbar, so wird und muß das auch erfüllt werden, was Paulus von diesem Geist der Wahrheit geleitet, ferner sagt: nämlich der Herr komme nicht – obiges Reich des Friedens zu errichten – bis der Mensch der Sünden, das Kind des Verderbens von Ihm besiegt sey. Dieser schreckliche Mensch ist noch nicht erschienen, noch nicht offenbar, daß aber in Geheim, im Reich der Finsterniß Vorbereitungen dazu gemacht werden, daran ist nicht zu zweifeln.
Christus und seine Apostel kündigen aber auch sehr schwere Trübsalen, schreckliche Revolutionen, in den bürgerlichen Verfassungen, verheerende Kriege, Theurung, Hungersnoth, Seuchen u. d. gl. an, nnd [sic; und] versichern, daß diese Plagen zu eben der Zeit dieses Abfalls, die Christenheit treffen würden – hiemit verbinden sie dann auch Erschütterungen der physischen Natur, Zeichen am Himmel, Erdbeben, und andere schreckhafte Erscheinungen.
Wenn nun nicht der Abfall, und andere hiemit verbundene merkwürdige Erfüllungen jener biblischen Weissagungen in unseren Tagen so pünctlich eingetroffen wären, und ich wollte denn den Bergfall zu Goldau und andere ungewöhnliche Naturerscheinungen unserer Zeit, als Zeichen des
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herannahenden Reichs Gottes angeben, so würde das freylich zu tadeln seyn, bey so bewandten Umständen aber, bestärken sie die Wahrheit der Erfüllung jener alten biblischen Weissagungen, und geben dem Schwachglaubigen mehr Grund, dem betäubenden Geist unserer Zeit zu widerstehen, und durch ernstliches Wachen und Beten dem zukünftigen Zorn zu entfliehen.
Gebt doch alle, die ihr dieses leset, Gott und der Wahrheit die Ehre, und prüft folgendes unpartheiisch:
In allen meinen religiösen Schriften lehre und behaupte ich nichts, als was jeder gesunde Menschenverstand in der Bibel findet. Ich beweise durch die unzweifelbare Erfüllung der biblischen Weissagungen, daß wir in dem Zeitpunct leben, der vor der Gründung des Reichs des Friedens auf Erden hergeht, und wo also eine Prüfung auf die andere, und eine Trübsal auf die andere folgen wird, bis die große Scheidung zwischen wahren Christusverehrern, und den Kindern des Abfalls vollendet ist. Wenn ich durch diese ernstliche und wichtige Vorstellungen meine Zeitgenossen dahin zu bringen suche, daß sie durch Einsicht und Erkenntniß ihres eigenen sittlichen Verderbens, und der nahen furchtbaren Zukunft sich zu einer wahren Sinnesänderung entschließen, wieder zum Evangelium von Jesu Christo zurükkehren, Ihn wieder als ihren Heiland und Seligmacher verehren, Ihn um seinen heiligen Geist bitten, durch
b 4 den
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den sie dann auch Kraft bekommen, die Gebote Christi zu befolgen; wenn ich mit allen diesen Lehren und Ermahnungen, nun auch die unwiderlegbaren Beweise – denn kein Mensch hat sie noch widerlegt – verbinde, daß die ersten Grundlagen der jezt herrschenden Philosophie, und der durch sie bewürkten Aufklärung durchaus grundfalsch, und höchst gefährlich seyen, und also die Menschen meine Brüder und Schwestern zu guten und vortreflichen Menschen zu bilden suche, und daß es mir auch – haltet es nicht für Prahlerey, sondern für erwiesene Wahrheit – in allen vier Welttheilen über alles Erwarten gelinge, sagt doch selbst, was kann denn dagegen eingewendet werden? – man sagt, es entstünden dadurch gefährliche Schwärmereyen; ich antworte: es ist nicht genug daß an das so leichtsinnig in die Welt hinein schrieb, sondern es muß bewiesen werden. In Ansehung der Schwärmereyen deren man mich jezt beschuldigt, bin ich ebenso unschuldig, als an dem traurigen Bergfall zu Goldau, und an den Feuerkugeln die über unsern Häuptern zerspringen.
Gesezt aber auch unter den vielen Tausenden, die durch meine Schriften bekehrt, belehrt, gebessert und erbaut worden sind, wie ich dieses vor dem Allwissenden in tiefster Demuth versichern kann, befände sich hie und da einer, der durch Misverstand [sic; Missverstand] und Geistesschwäche über dem Lesen meiner Bücher überschnappte, und zum Schwärmer würde,
wäre
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wäre mir das beyzumessen? – Ich habe mich auch schon oben hierüber erklärt; und wenn denn doch von Schwärmerey geredet werden soll, so muß ich meine Herren Gegner fragen: Ob denn nicht die schrecklichste Schwärmerey, die in keiner Völkergeschichte ihres gleichen hat, die Bluttriefende Schreckenszeit in Frankreich, eine Folge
der herrschenden Philosophie und der durch sie bewürkten Aufklärung gewesen sey? – Können sie das läugnen? – Antwortet man mir: das seyen keine natürlichen Folgen ihrer Grundsätze, sondern wilde Auswüchse gewesen; so erwiedere ich, daß auch alle religiöse Schwärmereyen wilde Auswüchse meiner Bibelreligion sind. Nun frage ich alle meine Leser, ob ich die Rechtfertigung Gottes bey solchen Unglücksfällen, wie der Bergfall zu Goldau in meinen Schriften, und besonders im vierten Heft des christlichen Menschenfreunds, übel unternommen habe?
Die folgenden mit Menschenliebe übertünchten schiefen Bemerkungen übergehe ich, weil sie im vorhergehenden schon sattsam widerlegt sind. Aber nun komme ich noch zu einem Punct, worüber ich doch noch einige Wörtlein sagen muß: der Verfasser macht sich eine Gelegenheit, um doch das über alle Maaßen Pöbelhafte, das mir ehemals ein Schwäbischer Separatist schrieb, hier wieder aufzutischen. Es betrift nämlich die Stelle, wo ich als ein Vorläufer des Antichrists, als ein Comödiant, als
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einer der das Bücherschreiben lassen, und lieber sich auf die Schneiderwerkstatt setzen, und den Comödianten die Kleider machen und flicken solle, u. s. w. dargestellt werde,
Daß ich im christlichen Menschenfreund meinem Publikum diese mit Drachengift geschriebene Stelle mittheilte, hatte den Grund: ich wollte zeigen, zu welchen Abgründen der Bosheit die Religionsschwärmerey, wenn man nicht bey dem wahren, reinen Evangelium bleibe, führen könne. Der rasende Mensch schalt mich einen Hurer, weil ich in der Ehe lebe, u. s. w.
Jezt frage ich jeden unpartheiischen Menschenfreund, was er sich dabey denke, wenn er diesen Abschaum der Bosheit in dem, gegen mich gerichteten Aufsaz liest? – Der Verfasser desselben konnte dabey keine andere Absicht haben, als, entweder dadurch zu beweisen, daß ich der Stifter, Urheber, oder Anführer dieser Schwärmersekte sey, oder mir so im Vorbeygang zu zeigen, wie weit meine Schwärmerey führen könne – oder – doch den Blik in sein Herz will ich zurück ziehen, ich will ihn nicht wagen, sondern dem wahren Herzenskündiger anheim stellen.
Im ersten Fall beweißt diese Stelle gerade das Gegentheil, im zweyten fällt alles weg, so bald der erste nicht wahr ist, und im dritten möchte ich nicht an des Verfassers Stelle seyn, wenn einst der Richter aller Gedanken Worte und Werke, die Gesin=
Nung
( 27 )
nungen des Herzens bey dieser Stelle an den Tag bringen wird.
Wie kann ich eine Schwärmerey veranlaßt haben, deren erste Grundsätze den Meinigen schnurgerade entgegen sind? – Doch genug über diesen Punkt, er ist unter aller Critick. [sic; Kritik]
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Ich war mit dem Schreiben des vorhergehenden beinahe fertig, als ich eine Broschüre aus der Schweiz erhielt, die den Titel führt: Mein Blick auf Jung Stilling von S. Ringier alliè [sic; allié] Burkhardt, ehemals alliè [sic] Seebmatter, Basel in der Schweighäuserischen Buchhandlung, 1807. Dieser Herr Ringier aus Zopfingen [sic; Zofingen] im Canton Bern hat es also übernommen, mich gegen die Anfälle in den Miscellen der neuesten Weltkunde zu vertheidigen, ich danke Ihm hier öffentlich dafür; der Herr aber wird Ihms eine Liebe belohnen am Tage der grosen Vergeltung.
Herr Ringier liefert hier zuerst einen getreuen Auszug alles dessen, was in den Miscellen für die neueste Weltkunde gegen mich eingerückt worden. Es sind drey Stücke, deren das Erste in der Beylage zu No. 22. steht. Dieses enthält nun die traurige Geschichte, deren ich schon obengedacht habe, daß nämlich eine junge Frauensperson nebst ihren Gehülfen ihren Grosvater umgebracht habe. Hiebey merkt der Verfasser an, daß diese Schwärmer das nahe Ende der Welt aus der Bibel und des bekannten Jungs Schriften beweisen.
Daß
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Daß fast in allen protestantischen Cantonen Stillingscher Mystizismus und Böhmens Unsinn
immer weiter um sich greife, und deshalb die Regierung aufmerksam darauf gemacht werden sollte u. s. w.
Diese Schwärmer beweisen also das nahe Ende der Welt aus der Bibel und meinen Schriften. Daß in allen meinen Schriften kein Wort vom nahen Ende der Welt steht, das habe ich oben schon bemerkt, und daß auch die Bibel sehr unschuldig daran ist, wenn verrückte Köpfe so etwas darinnen finden wollen, das weiß jeder dem die Bibel heilig ist, und der sie mit reinem Sinn liest. Wenn also aus ihr und aus meinen Schriften solche Schwärmereyen gesogen werden, so sind wir beide nicht Schuld daran; und wenn die Obrigkeit diese Sache beherzigen, und allenfalls meine Schriften verbieten soll – denn dieses wird doch wohl unter dem Wort Beherzigung verlangt – so muß sie auch die Bibel verbieten, denn aus ihr beweisen ja auch jene Schwärmer ihren Unsinn. Das sind Vorboten, entfernte Wincke [sic; Winke] was wir treue Christusverehrer bey fortdaurendem und steigendem Abfall zu erwarten haben. Bey den leichtfertigsten Romanen, bey den gefährlichsten Schriften aller Art, wodurch unsre jungen Leute beyderley Geschlechts nach Leib und Seel verdorben werden, hat man nichts zu erinnern, da gilt Dultung [sic; Duldung] und Pressfreiheit [Pressefreiheit] Die abscheulichsten
Aus=
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Ausschweifungen aller Art, die täglich begangen werden, die ausgelassenste Sittenlosigkeit, und tolleste Frechheit dultet man nachsichtig, so bald aber nur einmal hie und da ein religiöser Schwärmer etwas gesezwidriges beginnt, so will man gleich aus der Haut fahren. Der Stillingsche Mystizismus und Böhmens Unsinn soll mit dem gesunden Menschenverstand, zugleich wahre Religion und alle Bürgertugend ersticken. Lieben Männer! die Ihr dieses geschrieben habt, ich bitte Euch um Gotteswillen, beobachtet die ganze Menge meiner Freunde und Leser meiner Schriften, in allen protestantischen Cantonen, und allenthalben so weit und breit Ihr wollt und könnt, wenn Ihr denn da nicht wahre Religion, gesunden Menschenverstand, und ächte Bürgertugend herrschend findet, so habt Ihr das Recht so gegen mich zu schreiben, als Ihr gethan habt, so lang aber diese Untersuchung, diese Prüfung noch nicht geschehen ist, und so lang Ihr meine Schriften noch nicht gelesen, und den Geist der darinnen herrscht noch nicht redlich und im Licht der Wahrheit geprüft habt …. Ich überlasse hier Euch selbst, und jedem ehrlichen Mann, den Schluß hinzuzusetzen. Wahre Religion ist wohl diejenige, welche die besten Men=
schen
schen, und wahre Bürgertugend die, welche die besten Bürger bildet.
Der zweyte Ausfall gegen mich, ist der nämliche den ich im vorhergehenden beleuchtet habe; er steht im 56sten No. der Miszellen. Der Schluß steht nicht in der niederländischen Zeitung, ich will ihn also hier noch einrücken, der Verfasser sagt:
„Irreligiosität und Religionschwärmerey sind jedem Staat, jedem häußlichen Glück gleich gefährlich. Wie jene unter den vornehmern Classen des Volks, wüthet diese in den niedrigeren. Schriftsteller und Lehrer, welche Irreligiosität oder Schwärmerey verbreiten und unterstützen, sind, als die Urheber unsäglichen Unglücks, gleich strafbar, und verdienen die ernste Aufsicht der Polizey in gleich strengem Grade, und aus gleichen Ursachen.“
Ganz richtig! Es kommt nur hier drauf an, ob ich Schwärmerey verbreite oder unterstütze? – ich denke doch wenn ich mit allem Ernst gegen diese Vrebreitung und Unterstützung der Schwärmerey in allen meine Schriften kämpfe, daß dann die Polizey die Ausbreitung derselben befördern müsse!!! Man prüfe alles was ich je geschrieben habe, besonder empfehle ich hier mein Buch Theobald oder die Schwärmer. Wem aber das Evangelium von Jesu Christo, und der Protestantische Lehrbegrif schon Schwärme=
rey
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rey ist, mit dem habe ich nichts zu thun, und wir sind geschiedene Leute.
Nun folgt aber etwas, das mir unbegreiflich ist;
In No. 68. der Miszellen steht folgendes: der Komet im Jahr 1836. (Ein Nachtrag zu dem Blick auf Stilling – Jung und die Schwärmer in No. 56.)
„Was in dem Aufsaz No. 56 der Miscellen für die Weltkunde über den Hofrath Jung und die Schädlichkeit seiner Prophezeiung von der nahen Zukunft des Herrn, und der ersten Auferstehung der Todten gesagt wird, hat seine Richtigkeit. Aber was eigentlich auffallend ist, und die Moralität seiner Prophezeiung etwas verdächtig macht, ist, daß Herr Jung vermuthlich in einem astronomischen Journal, oder sonst wo, gelesen haben mag, daß ums Jahr 1836. am Himmel ein Komet erscheinen muß, und zwar derselbe, welchen man schon im Jahr 1759 sahe, der seine Laufbahn immer in sechs und siebenzig Jahren vollendet. Nun sezt er den Termin seiner Prophezeiung auf eben diese Zeit hinaus. Beym Pöbel, welcher […] seinen Aberglaubensvollen Calendern, nicht […] astronomischen Berechnungen kennt und […] wird der Komet eben durch die Jungischen Prophezeiungen ein besonders Ansehn erhalten, und verbunden mit ihnen in den Köpfen der armen Leute viel Unheil anrichten. Um so etwas sind Propheten eigentlich wenig bekümmert; genug,
wenn
wenn beym grosen Haufen nur einigermassen ihre Ehre aufrecht erhalten wird.
Schon Herr Dr. J. F. Benzenberg in Hamburg machte im Jahr 1801. (in Gilberts Annalen der Physik 8 Stück S. 490.) auf diesen nicht ganz edlen Kunstgrif der prophetischen Mühe des Herrn Jung aufmerksam. Die nemliche Weissagung welche jezt, der christliche Menschenfreund, unter dem großen unwissenden Haufen verbreitet, hat er schon in seiner Erklärung der Offenbahrung Johannis aufgetischt, wo er die erste Auferstehung der Toden um das Jahr 1830-1836 verspricht.
Es ist mir ein Beyspiel vom Niederrhein bekannt, sagt Herr Dr. Benzenberg, wo ein Mann den Bau eines neuen Haußes deswegen einstellte, weil er die erste Auferstehung der Todten mit dem jüngsten Tag verwechselte, und nun den richtigen Schluß machte: daß, da seine Kinder doch nur wenige Freude mehr von dem neuen Hauße [sic; Hause] haben würden, er das Bauen lieber wolle seyn lassen. Und er hörte wirklich auf zu bauen. Diese Anecdote ist buchstäblich wahr.
Lichtenberg sagte: in solchen Fällen
Georg Christoph Lichtenberg
ist es gut, wenn die Vernunft einige Jahre vorher die Anhöhen besezt, von wo aus sie den Aberglauben beschießen kann. Dem zufolge theilte Herr Dr. Benzenberg einige Notizen mit, im Betref jenes Kometen, den wir im Jahre 1836. zu erwarten haben, und welchen die Schlauheit der
Pro=
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Propheten für ihre Unruhe – vielleicht bürgerliche Verwirrung stiftende Absichten benutzen möchten. Gut wäre es, wenn vorsichtige Obrigkeiten einige Jahre vorher schon in allen Volkskalendern die Berechnung über die Ankunftszeit des Kometen anzuzeigen befehlen würden.
Dieser Komet ist schon in den Jahren 1456. 1531. 1607. 1682. und 1759. beobachtet worden. Ums Jahr 1836 wird er wieder erscheinen. Sein aufsteigender Knoten liegt im 26sten Grade des Zeichens des Stiers. Die Neigung seiner Bahn gegen die Bahn der Erde beträt 18 Grad, seine Bewegung ist rückläufig, und sein Abstand von der Sonne in seiner Sonnenähe beträgt ohngefehr zwölf Millionen Geographische Meilen.
Hieraus ergiebt sich, sagt Benzenberg, daß wir im Jahr 1836. wegen des Kometen eben so sicher schlafen können, als wegen der ersten Auferstehung der Todten.[“]
Meine Leser werden mir erlauben, daß ich diese unbegreifliche Namenlose Beschuldigung etwas näher beleuchte.
Herr Benzenberg, den ich als einen Talentvollen jungen Mann persönlich kenne, der auch mich kennt, dessen ehrwürdiger Vater mein Freund war, in dessen Vaterland ich 15 Jahr lebte, dem mein Leben und Wandel sehr gut bekannt ist, und dem ich in meinem ganzen Leben auch nicht das Geringste zu Leid gethan habe, wagt hier schon den zwey=
c ten
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ten Gang gegen mich – und warum? – Ey, der
Siehe hier passim.
Wahrheit wegen! da hört die Freundschaft auf: weil sie die größte und würdigste Freundin ist. Gut! wir wollen nun sehen:
Der ganze Grund aller, gewiß schweren Beschuldigungen beruht blos auf der Idee, ich hätte vermuthlich – und auf dieses vermuthlich baut man alle diese Anklagen – in einer Astronomischen Schrift gelesen, daß ums Jahr 1836 ein gewisser Komet kommen werde, und dies sey wahrscheinlich die geheime Quelle meiner Prophezeiung, daß alsdann auch die Zukunft des Herrn mit der ersten Auferstehung erfolgen werde. Dies mache meine Prophezeiung, und ihre Moralität verdächtig, u. s. w.
Hierauf dient zur Antwort, daß ich nie in meinem ganzen Leben irgendwo ein Wörtchen davon gehört, gesehen oder gelesen habe, daß gegen das Jahr 1836 ein Komet erscheinen werde, sondern daß ich dies erst aus diesem Aufsaz erfahre. – Dies bezeuge ich vor dem Angesicht dessen, vor dessen Richterstuhl ich dereinst von allen meinen Gedanken, Worten und Werken, werde Rechenschaft ablegen müssen.
Was wird nun aus obigem Vermuthlich, und was wird aus der erhabenen Freundin Wahrheit?
Aus
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Aus meiner Siegesgeschichte der christlichen Religion, und sehr vielen Aeusserungen in meinen Schriften, ist ja allen meinen Lesern wohlbekannt, daß die apocalyptische Zeitrechnung des seeligen Prälaten Bengels die Quelle ist, aus der ich die Hypothese, daß ums Jahr 1836. der grose Kampf ausgekämpft sey, die erste Auferstehung, und die Zukunft des Herrn, nebst der Gründung seines Friedensreichs erfolgen werde. Daß ich diese Idee als sehr wahrscheinlich annahm, war kein Wunder, denn bey genauerer Prüfung fand ich, daß Bengel, seiner Zeitrechnung zufolge, vor sechzig Jahren schon bestimmt hatte, daß der ganze Kampf mit den neunziger Jahren des abgewichenen Jahrhunderts beginnen, und gegen 1836 geendigt seyn würde. Das genaue Eintreffen dieser Vermuthung, und noch anderer mehr, bestimmte mich, Bengels Zeitrechnung den Werth beizulegen den sie – wie ich glaube – verdient, und dies bewog mich endlich im Jahr 1798. meine Siegsgeschichte der christlichen Religion in einer gemeinnüzigen Erklärung der Offenbarung Johannis heraus zu geben. Dies ist die wahre authentische Quelle meiner Vermuthung, dessen was ich vom Jahr 1836 erwähnt habe, aber von einem Kometen ist mir nie ein Gedanke in die Seele kommen.
Jezt bitte ich nun Herrn Dr. Benzenberg die Hand aufs Herz zu legen, und sich in Gegenwart des Allwissenden und
c 2 All=
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Allsehenden zu prüfen, ob er das nicht gewußt habe? – nämlich, ob er nicht gewusst habe, daß ich aus Bengels Rechnungssystem, die Hypothese, daß 1836 der grose Termin des Siegs über Finsterniß und Bosheit eintreffen werde, geschöpft habe? – meine Leser sollen aus folgendem selbst entscheiden.
Vor etlichen Jahren grif mich Herr Benzenberg in einer westphälischen Zeitschrift auf eine curiöse Art an; ich muß hier kurz diese Geschichte erzählen: Bengel machte allerhand Versuche, um zu finden, ob seine apokalyptische Zeitrechnung oder Progression, auch Glauben verdiene? er wendete sie also auch auf Astronomische Berechnungen an, und fand zu seinem Erstaunen, daß man den Lauf der Planeten um die Sonne, und noch andere Aufgaben aufs genaueste darnach berechnen könne. Was also in der Offenbarung Johannis eine Zeit heist, welche Bengel auf 222 2/9 Jahre angiebt, ist der Maaßstab, nach welchem die Bahn der himmlischen Körper aufs genauste ausgemessen werden kann. Wer Lust hat dies Factum ganz ausführlich kennen zu lernen, der muß Bengels Cyclum lesen, wie solcher ehmals in Bauzen [Bautzen] in der Oberlausiz [Oberlausitz] von einem dortigen Gelehrten ins Teutsche übersezt, und mit wichtigen Anmerkungen versehen worden ist. *) Diese zuverläsige Wahr=
heit [Wahrheit]
*) Der Titel dieses Buchs ist: Dr. Johann Albrecht Bengels u. s. w. Cyclus, oder sonder=
bare
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heit giebt dem Bengelschen System überhaupt eine große Wahrscheinlichkeit.
Nun muß ich ferner bemerken, daß alle Astronomen die Zeit bestimmt haben, in welcher jeder Planet seine Bahn um die Sonne durchlauft [sic; durchläuft], und es ist erstaunlich, wie genau diese Berechnungen sind, und doch kommt keiner mit dem andern ganz überein, der Eine macht das Jahr um einige Secunden [Sekunden] – NB. Secunden, Pulsschläge – länger oder kürzer als der Andere. Z. B. Ricciolus sezt die Länge des Jahrs auf 365 Tage 5 Stunden 48 Minuten 48 Secunden, er hat also unter allen die geringste Zahl, Garcäus aber die gröste, denn er nimmt die Länge des Jahrs zu 365 Tagen 5 Stunden 49 Minuten und 17 Secunden an, folglich beträgt der gröste Unterschied zwischen den Astronomen, die in ihrer Bestimmung am weitesten von einander entfernt sind, nur 29 Secunden, nicht einmal eine halbe Minute aufs ganze Jahr – ich sage nochmals, es ist erstaunlich, daß man es durch Beobachtung mit unsern Instrumenten, und durch Berechnung so weit hat bringen können, und doch kommt kein Sternkundiger mit dem Andern ganz überein, weil die Verfertigung ganz vollkommener Instrumente unmöglich ist. Diese Unvollkommenheit hebt nun die apocalyptische Zeitrech=
nung
bare Betrachtung über das grose Weltjahr, übersezt von Johann Gotthold Böhmer u. s. w. Leipzig bey U. Chr. Saalbach 1773.
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nung, nach welcher Bengel das Jahr zu 365 Tagen 5 Stunden 49 Minuten und 12 Secunden angiebt – eine Zahl die ungefähr zwischen allen das Mittel hält, und also wahr ist. Man lese meinen Nachtrag zur Siegsgeschichte, und in demselben besonders das 2te Capitel.
Auf diesem Puncte glaubte nun Herr Benzenberg mich eines Irrthums beschuldigen zu können, er rückte also einen Aufsatz in eine westphälische Flugschrift ein, deren Namen mir jetzt nicht einfällt, in welchem er dadurch Bengel und mich widerlegt, daß der berühmte la Lande das Jahr um einige Secunden – man merke wohl einige Pulsschläge aufs ganze Jahr – ich weiß nicht mehr, länger oder kürzer ansezt. Ob la Lande aber nicht auch irre, so gut wie alle Astronomen, die ihre Berechnungen auf die Beobachtungen mit ihren Instrumenten gründen müssen, das konnte mir Herr Benzenberg unmöglich widersprechen: denn womit wollte er beweisen daß la Lande unfehlbar sey?
Jezt frage ich nun, woher weiß Herr Benzenberg daß ich die Bengelische apocalyptische Zeitrechnung als eine wahrscheinliche Hypothese angenommen habe? Ich wollte ihm aus jenem Aufsatz beweisen, daß er dies nirgend ander her wissen kann, als aus meiner Siegsgeschichte, wenn ich ihn noch bey der Hand hätte – aber da steht ja auch ganz ausführlich, was ich von der
Jahr=
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Jahrzahl 1836. halte, und wie ich dazu gekommen bin. Jetzt – ich wiederhole es – bitte ich Herrn Benzenberg die Hand auf sein Herz zu legen, und vor dem Allgegenwärtigen, unseer beyder dereinstigen sehr ernsten Richter, sein Gewissen zu fragen, ob er nicht gewust habe, daß Bengels Zeitrechnung die Quelle sey, aus der ich die Idee des Termins 1836. geschöpft habe? – Wenn dem nun also ist, welcher Geist treibt ihn dann an, mir den Kometen als eine geheime nicht ganz moralische Quelle unterzuschieben, und noch dazu dieser grundfalschen Unterstellung Anlaß zu solchen hämischen Seitenhieben zu nehmen? – zum Beispiel:
Engerer Zeilendurchschuss ab hier:
Er spricht von Prophezeiungen, von der prophetischen Muße des Hrn. Jung, legt mir spöttisch den Titel eines Propheten bey, und kein Mensch in der Welt wird mir, weder aus meine Schriften, noch aus meinen Reden, noch aus meinen Briefen, nur eine einziger Stelle zeigen können, in welcher ich mich göttlicher Inspiration rühme, und ohne diese giebt es weder Prophet noch Prophezeiung, noch eine prophetische Muße.
Wer die Weissagungen der heiligen Schrift zu erklären, und auf die Zeitumstände anzuwenden sucht, der ist deswegen noch kein Prophet, sondern ein Ausleger der heiligen Schrift, und verdient das Spott und Verachtung?
Wer meine Schriften im Zusammenhang und aufmerksam liest – und wer das nicht thut der hat kein Recht zu urtheilen – der wird finden, daß
kein
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kein Mensch Ursach hat, sich vor dem Jahr 1836 zu fürchten, dann wird weder in der physischen noch in der moralischen Natur etwas schreckhaftes vorghehen, auch wird wohl die erste Auferstehung im Unsichtbaren geschehen, vielleicht auch die Zukunft des Herrn, das alles wissen wir nicht, ich hab ja auch nie etwas anders behauptet. Wenn also hie und da einer mich misversteht, dafür kann ich nicht. Was aber bis dahin (1836) noch alles geschehen kann, davon haben wir aus dem was geschehen ist, und was jezt noch wirklich geschieht, ziemlich deutliche und kräftige Vorboten; wenn daher irgendwo einem ängstlichen Hausvater der Gedanke einfiel, was sollst du ein neues Haus bauen, du weist ja nicht ob es nicht vielleicht die Kriegsflamme verzehrt, und dur von Haus und Hof flüchten must? u. s. w. so finde ich darinnen nichts schwärmerisches.
Den spöttischen Schluß des Herrn Benzenbergs: Hieraus ergibt sich, daß wir im Jahr 1836 wegen des Kometen eben so sicher schlafen können, als wegen der ersten Auferstehung der Todten, wolle ihm der Allerbarmer verzeihen, und ich schließe mit gepresstem Herzen, und traurigem Gemüth, über den schrecklichen Geist unserer Zeit, mit dem innigen und herzlichen Wunsch, daß alle meine Gegner wo sie sind, und wie viele ihrer sind, dereinst Theilhaber der ersten Auferstehung werden mögen! – O mein Gott! wie werde ich mich freuen, sie mit Wonne an meine Brust drücken, und zu ihnen sagen: Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen: denn solche Uebungen machten mich immer tüchtiger zum Werk des Herrn.
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