Güthling: Jung-Stilling in den Augen seiner Zeitgenossen
Friedrich Christian Reinermann
Schattenrisse in Straßburg/Strasbourg
Das Porträt aus dem Jahr 1822 in den Niederlanden
Jung nach seinem Tode - Gedicht auf das Bild
„Mein Angesicht ist ein Gemisch von den Zügen meines Großvaters, meines Vaters und meiner Mutter, doch bin ich meinem Vater am ähnlichsten; mein Charakter aber und meine natürlichen Talente kommen meinem Oncle Johann Stilling am nächsten, nur daß die Meinigen durch meine wunderbare Führung mehr ausgebildet worden sind.“
Johann Heinrich Lips (geb. Kloten bei Zürich 1758-04-29 gest. Zürich in der Nacht vom 5./6. Mai 1817) zeichnete Jung-Stilling am 20. April 1801 in Zürich.
Dies Bildnis wird von Jung-Stilling vorbehaltlos anerkannt, wie er in seinem Brief vom 16. September 1801 schreibt. Hier schreibt er aus Marburg an Wilhelm Berger in Mülheim am Rhein:
„Wenn Du mein Profilporträt von Wocher in Basel hast, so kannst Du Dir keine richtige Vorstellung von meinem Gesicht machen. Lips in Zürich hat mich en face (von vorn) gezeichnet und gestochen; das ist vollkommen ähnlich; ich hab’s selbst nicht, sonst schickte ich Dir’s allsofort. Schreibe mir aber über fünf Wochen, welches von beiden Du hast. Vielleicht bekomme ich etliche während der Zeit.“
Die Fürstin Christine Charlotte Friederike von Lippe-Detmold geb. von Solms-Braunfels (1744-1823) sagt darüber am 5. September 1801:
"Das Bild unsers trefflichen Jung ist ohngemein wohl getroffen".
Später hält er jedoch ein anderes Bild für das bessere. Es handelt sich um den Kupferstich von Leonhard Schlemmer (1772-1845), nach einer Zeichnung von Johann Heinrich Schröder (geb. Meiningen 28.08.1757, gest. ebd. 29.01.1812).
So schreibt er am 30. Juli 1810 aus Karlsruhe an Friedrich Baron de La Motte Fouqué:
„In dem Kupferstich von Lips ist zwar einige Aehnlichkeit, aber die Augen sind so craß und die Miene ist so mürrisch, daß es dadurch unähnlich wird. Auch hat sich das Kostüm seitdem geändert. Ich sah zwar immer ernst aus; denn mein Lebensgang war so, aber mürrisch bin ich doch nicht. Das Portrait, das Sie von [S. 174:] Raw bekommen werden, ist ganz ähnlich. Die Zeichnung ist von Schröder, dem größten Portrait=Maler unserer Zeit.“
Alois Keßler nach Dannecker - Im Jahr 1807 wird folgendes Porträt angeboten:
Kunstsachen.
Den zahlreichen Freunden und Verehrern des Hrn. Hofrath Jung genannt Stilling wird es die willkommenste Nachricht seyn, daß derselbe bey seinem letztern hiesigen Aufenthalt durch den Hofbildhauer und Professor Danneker modelirt wurde.
Dieses Bild en medaillon vereinigt in einer Größe von zwey Schuh alles, was von einem Portrait erwartet werden kann, und ist nach dem ungetheilten Beyfall aller Kenner eine der gelungensten Arbeiten dieses eben so vortreflichen, als berühmten Künstlers.
Der Unterzeichnete, welcher dieses seltene Kunstwerk besizt, wurde deswegen aufgemuntert, solches, theils in Gyps=Abdrücken, theils in einem Kupferstich dem Publicum mitzutheilen, und erbietet daher auf dem Wege der Subscription (um Zeit zu den nöthigen Vorkehrungen zu erhalten)
1) einen Abdruck in Gyps, mit Inbegriff der Kiste und Emballage [Verpackung], für 1 Ducaten oder 5 fl. 30 kr. Reichsgeld, ohne solche für 5 fl.
2) einen Abdruck des Kupfers halb folio groß, durch den aus mehrern sehr vorzüglichen Arbeiten bekannten Hn. A. Keßler gestochen, auf das feinste Velin=Papier zu 1 fl. 12 kr., außer der Subscription kostet ein Abdruck 1 fl. 30 kr.
Da dieser Unternehmung keine Gewinnsucht zum Grunde liegt, so dürfen die resp. Herren Subscribenten versichert seyn, daß von keiner der beyden Gattungen Abdrücke ausgegeben werden, denen irgend ein Fehler beyzumessen wäre.
Die Beteiligungen werden in portofreyen Briefen gemacht bey
Stuttgart im May 1807. C. Kylius.
In einer anderen Anzeige heißt es:
Hr. Hofrath Jung, genannt Stilling, wurde vor einigen Wochen von dem berühmten Prof. Dannecker dahier, in Gips nach dem Leben geformt und über alle Erwartung ähnlich getroffen; das Medaillon auf welchem der Kopf en bas relief befindlich, hat im Durchmesser 2 Schuh und die Abgüsse sind mit einem Firniß überzogen, daß die Unreinigkeit abgewaschen werden kann; das Stück kostet einen Dukaten und Unterzogener nimmt hierauf Bestellungen an. Stuttgart. Kfm. Kylius.
Siehe: Darstellung der Societätsverhältnisse des Handlungshauses Kylius und Compagnie in Berg bei Stuttgart. Zur Beleuchtung des Benehmens der übrigen Theilhaber gegen ihren Associé und Geschäftsführer Christian Kylius. O. O. 1814. - Ein Christian Kylius wurde geb. zu Lahr 9.02.1774, ein (späterer Kaufmann) Johann Christian K. ebd. 11.04.1777. - Die Kaufleute Christian Zais (und Bauinspektor und Architekt Wilhelm Zais) und Kylius projektieren u. a. auch eine (Baumwoll-)Spinnerei sowie Färbereien, Kylius auch eine Zichorienfabrik..
Vgl. dazu Jung-Stillings Briefe vom 1807-01-26; 1807-02-06; 1807-11-28 (Edition Schwinge S. 385-386; ebd. S. 37; nicht in der Edition genannt). – Zu berichtigen ist dementsprechend auch Edition Schwinge S. 632 der Eintrag „Rylius (Bildhauer bzw. Gipsgießer in Stuttgart) 385“ und ebd. S. 285 Anm. 1 zu Kylius.
Gemeint ist der aus dem Breisgau gebürtige (Tennenbach 16.10.1777) und 1820 verstorbene Alois Keßler/Kessler, Professor der Zeichenkunst zu Freiburg (vgl. Thieme/Becker und Nagler).
Johann Heinrich Dannecker geb. Stuttgart 15.10.1758, gest. ebd. 8.12.1841.
Nahezu alle bekannten Bildnisse sind zusammengetragen worden in der Publikation:
Wilhelm Güthling: Jung-Stilling in den Augen seiner Zeitgenossen. Siegerländer Heimatverein. Siegen 1970 (Fritz Schleifenbaum zum 70 Geburtstag gewidmet. [12 unpag. Seiten Titelei, Widmung, Vorwort u. Einführung. - 22 Abbildungs-Seiten.]
Das hier Abb.-Seite 21 gezeigte Porträt nach Kurz und Paldamus:
Deutsche Dichter und Prosaisten nach ihrem Leben und Wirken geschildert. Neue Ausgabe. Bd. 3., Leipzig 1867
scheint schon bereits zuvor gedruckt zu sein in:
[Ludwig Bechstein (Hrsg.):] Zweihundert Bildnisse und Lebensbeschreibungen berühmter deutscher Männer. Zweite verbesserte Auflage. Leipzig: Wigand 1857
(die erste Aufl. erschien ebd. 1854. Auch in der fünften verb. und verm. Aufl. Leipzig: Georg Wigand's Verlag (1890) findet sich das Porträt, hier ergänzt durch den Hinweis: "Die Porträts gezeichnet und geschnitten von Hugo Bürkner.").
Hugo Leopold Friedrich Heinrich Bürkner geb. Dessau 24. August 1818, als Lehrer der Holzschneidekunst gest. Dresden 17. Januar 1897.
Nicht enthalten ist in Güthlings Zusammenstellung das Porträt Jung-Stillings von Friedrich Christian Reinermann (1764-1836), das Franz Götting 1936 veröffentlichte:
Goethes Straßburger Freund Jung-Stilling. – In: Goethe=Kalender auf das Jahr 1937. Hrsg. v. Frankfurter Goethe=Museum. Leipzig: Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung o. J. [1936], S. 218-248, hier S. 241). (Dies Bild findet sich auch bei Eberhard Meckel als Abb. Nr. 24; s. d. S. 459.)
Über ein Bild, das Walther Reimer nennt, und das O. Laufer zum Künstler haben soll, ist bisher nichts bekannt.
Dies gilt auch für die Porträts, die Konrad Westermayr (1765-1834) im Jahr 1785 von den Eheleuten Jung anfertigte.
Ebenso fehlen die Bilder (Schattenrisse) aus Straßburg/Strasbourg in den bisherigen Verzeichnissen.
Jacob Merz (1783-1807): Zeichnung von Jung-Stilling im Jahr 1801 nachgewiesen
Philipp Jakob Becker (1759-1829): Zeichnung von Jung-Stilling nachgewiesen
Das Porträt aus dem Jahr 1822 den Niederlanden
Zum "Heimweh"-Roman (erschienen in 4 Bänden 1820, 1822, 1825, 1830) erschien dieses Porträt 1822, zu dem Sepp folgendes Gedicht verfertigte:
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Op de
Afbeelding
van
J. H. Jung, genaamd Stilling.
--==--
Op Mavors rookend veld nar lauerblaen te dingen;
Het zuchtend vaterland te redden nit den bood;
Den grammen vijand, stont, de zegepraal te ontwringen;
Worde overal geroemd als edel, fier en groot –
Maar rust en aardsch geluk aan Jezus dienst te wijden,
De waarheid voor te staan ten trots der helsche magt,
En mel het geestlijk zwaard ten bloede toe te strijden,
Die krijg eischt hooger moed, eischt eedler zielekracht ...
Op zulk een heldenbaan mogt Stilling zegevieren;
Zoo won hij zich een kroon, wier luister nooit verdooft:
Een kroon van starrengoud en paradijs-laurieren,
Door’s Heilands eigen hand bevestigd eo zijn hoofd.
C. Sepp, Jansz.
1822.
Jung nach Seinem Tode - Gedicht
Das Bild Jung Stillings nach
seinem Hinscheiden.
Seiner Tochter, der verehrten Frau Kirchenräthinn [sic] Schwarz.
Heidelberg, 13. des Winterm. 1820.
Ich trat vor dich in meinem kühnen Streben,
es wogte frei und stolz der rasche Mut;
von Kampf und Zweifel war ich rings umgeben,
und meine Brust hob wild die Jugendglut.
Da hieng das Bild, wo aus dem schwülen Leben,
enthoben, Stillings schöne Hülle ruht.
Herabschaut seine Seele noch im Schweben
auf diese Erde wildbewegte Flut.
Da ward es still in mir, die Zweifel schwiegen.
Siehst du den heilgen Greisen da nicht siegen?
Was ist ihm jetzt der Blinden Lob und Spott?
Blick’ auf! es ist die Zeit des Sturms hienieden.
Da sieh verklärt des Himmels ew’gen Frieden!
Einst wird er dir auch, denn es ist ein Gott. –