Jung-Stilling und die Erbsünde 

Anlässlich der Erwähnung der Erzählung „Sonderbares Beispiel einer Erbsünde“ ist darauf hinzuweisen, dass die Aussage:
„vermeidet Jung-Stilling anfangs Begriffe wie Sünde (das Wort Erbsünde [kommt] bei ihm anscheinend nirgends vor)“,
unzutreffend ist.
 
Die Begriffe Sünde, Sünder usw. kommen über 400mal im „Grauen Mann“ vor, und in der von Johann Ludwig Ewald herausgegebenen Zeitschrift „Urania. [Bd. 4] / Viertes Stück. / - / October, 1795. / -“ (S. 268-282) trägt sogar eine Erzählung den Titel:
„II. / Heinrich Stillings Erzählungen. / Die siebende. / Sonderbares Beispiel einer Erbsünde. / –“
Hier schreibt Jung-Stilling gleich zu Beginn:
„ja man will sogar behaupten, es gäbe durchaus keine Erbsünde, und man hat Vortheil dabey, wenn mans behauptet, weil es ins herrschende System paßt“.
Engelbert vom Bruck schreibt in seinen „Anmerkungen“ gegen Jung-Stillings „Schleuder eines Hirtenknaben“ (1775):
„Die ehrenfesten Bürger werden sich auch nicht wie der H. D[r. Jung]. darüber erklären. Erbübel ist allemahl ein besser Wort als Erbsünde. Das Wort Sinnesänderung drückt doch auch wohl die Sache sprachrichtiger aus, als das allegorische Wort Wiedergeburt; und kann in seiner vollen Bedeutung (wenn dies auch nicht mit S. 70. 71. übereinstimmte) jedem Bauer leicht begreiflich gemacht werden. Hr. N[ikolai]. (der diese Lehren teuflisch verspotten soll) wird nichts gegen denkbare Begriffe von Erbsünde und Wiedergeburt haben; man müste denn durch den Gebrauch anderer Worte und Redensarten, bey nicht symbolischen Begriffen, diese Wahrheiten selbst leugnen. Wozu nun wieder den Ausfall auf Hr N[ikolai]. (S. 73. 74.) der auf das thörigte in diesen Lehren anspielet.“
In der „Theodicee“ geht Jung-Stilling darauf ein und faßt S. 71 zusammen:
„Mir deucht jetz fehlte nichts mehr an der deutlichen Bestimmung der Erbsünde, oder der natürlichen Verdorbenheit.
Der Haß des natürlichen Menschen gegen Gott, und die Selbstliebe über alles, ist die Erbsünde.“
 
Zu erwähnen ist hier, dass dies Werk Engelbert vom Brucks ebenso aufgefunden ist wie „Der verunglückte Schleuderwurf“.
 
Zu Jung-Stillings „Schleuder einer Hirtenknaben“ siehe man hier den Text.
 
(Vgl. allg. dazu: Rainer Vinke: Jung-Stilling und die Aufklärung.)