Jung-Stillings Geburtshaus
„Jonk=Stellings Geburtshuß.“
(Karl Blecher)

 

Bis heute ist nicht geklärt, ob das am 3. August 1828 in der Frühe gegen 1/2 6 Uhr abgebrannte versicherte Jung-Stilling-Haus in Grund das ursprüngliche Wohnhaus der Familie ist. „Das vermutlich durch Kurzschluß entstandene Feuer konnte wegen Wassermangels nicht gelöscht werden.“, und der 80jährige verwitwete Besitzer Landwirt Wilhelm Winchenbach (gest. 12.10.1930 im Alter von 82 Jahren) konnte nur hilflos zusehen.
Gerettet wurde neben dem Vieh (6 Stück) und fast dem gesamten Mobiliar nur „Ein über der Tür eingemauerter Stein“, der „gab Johann Ebert Jung als den Erbauer des Hauses an, in dem auch das Geburtszimmer Jung=Stillings festgestellt war.“ Die Inschrift des Steins wird wiedergegeben mit: „Er baut Von Johan / ebert Jung margr / etha Eheleut Ao. 1730“.
Noch kurz vor dem Brand (1928-07-03) gab es die Anregung des Heimatvereins, sich um das (noch intakte) Haus zu kümmern, und später – 5. Juni 1930 – schloß der Verein einen Vertrag mit Winchenbach über die Nutzung des Hauses, der auch um Grundbuch vermerkt wurde.

Am 20. Oktober 1929 wurde der Neubau feierlich eingeweiht, und Elisabeth Gahl nennt die Hausinschrift, die Wilhelm Schmidt an der alten kleinen Schule angeschrieben hatte: „Wanderer, kommst du nom Grond, / Fehl deebe Ehrfurcht von Herzensgrond. / Grond es en Ort dr Adacht os worn: / Hie wor os Stilling geborn.“
Nach den alten Plänen wurde es wiedererbaut, ist jedoch leicht verändert, „denn um höhere Räume zu gewinnen, hat man die einzelnen Stockwerke verlängert und auch das Dach durch einen spitzeren Winkel der größeren Höhe des Hauses angepaßt.“

So steht dieses Haus zwar wieder in Grund, aber das eigentliche Problem war noch immer nicht gelöst.

Annemarie Wurmbach, die „aus der Bauart des Hauses auf das ungefähre Alter schließen“ wollte, folgerte dann – auch auf Grund der Schrägstrebe – in einem Aufsatz: „Das Baujahr wäre damit in den Anfang des 18. Jahrhunderts zu setzen, etwa auf 1703 oder 1704, und das würde gut zu der gesamten Bauart des Hauses passen. Die Jahreszahl 1730 auf der Hausinschrift wird sich wohl auf einen Umbau beziehen.“
Im Jahr 1953 behauptete Arden Ernst Jung im Briefwechsel mit der Autorin, „daß der Stein ‚erst in neuster Zeit an dem Hause angebracht wurde!!’“ und schließt seine Beweisführung mit dem Satz: „Ich komme also zu der Ansicht, daß dieser sonderbare Stein heute zu unrecht über dem Eingang des Hauses sitzt.“

Das Geburtshaus trägt bis heute einen in die Vorderseite eingemauerten Denkstein. Ortwin Brückel stellte erneut fest, dass es Unterschiede und Ungereimtheiten zu der dortigen Inschrift – und damit zur Lage des Geburtshauses – gibt.

Jung-Stillings Herkunft. – In: Erich Mertens (Hrsg.): Auf den Spuren von Jung-Stilling. Studien zu Johann Heinrich Jung-Stilling (1740-1817). Freundesgabe für Alfred Klose zum 70. Geburtstag. Herausgegeben im Auftrag der Jung-Stilling-Gesellschaft zu Siegen. Siegen: Jung-Stilling-Gesellschaft (1998. – ISBN 3-928984-21-7.) S. 93-121; Abb. S. 95.

An zeitgenössischen Quellen scheint es nur die folgenden zu geben, wovon die zweite bisher kaum beachtet worden ist.

Am 1793-09-30 verabschiedet sich der stud. iur. Frhr. Ludwig von Vincke von Jung-Stilling, da er sein Studium in Erlangen – über Laasphe reisend – fortsetzen möchte. Am Abend verirrt er sich zwischen Lützel und Erndtebrück, gerät in Jung-Stillings Geburtsort Grund, und in Jung-Stilling Geburtshaus wird ihm ein Nachtlager gewährt. Leider erfährt man nichts über die Lage des Hauses.

Max Goebel bereiste im Jahr 1849 Jung-Stillings Heimat und schreibt später:

„Das Haus seiner Großeltern, Johann Ebert und Margaretha Jung, war ein einfaches Bauernhaus, das oberste (östlichste) im ganzen Dorfe, unmittelbar am Fuße des Geisenberg, von dem es nur durch einen schmalen Fahrweg getrennt ist *).“

Die Anm. lautet:

„*) Ueber dem in den Ginsberg gegrabenen Keller befindet sich noch jetzt in einem Haustein die Inschrift: ‚Erbaut von Johann Ebert Jung und Margretha Ebert a° 1730,’ Das Haus bestand nach der noch jetzt üblichen Bauart aus einem zur Küche und Wirtschaft dienenden großen Flure, von dem man rechts in den Stall, links in die etwas erhöhte Wohnstube trat, über welcher sich eine gleich große ‚obere Stube’ befand. In jener wohnte und arbeitete die ganze Familie, in dieser ward Heinrich Stilling geboren und erzogen. Später wurde noch zu Stilling’s Zeit das Haus nach hinten und vielleicht auch der Stall erweitert, die beiden Stuben aber blieben unverändert.“

Damit ist als Lage „östlich“ angegeben.

Eine dritte Quelle ist im Original von Peter Kunzmann wieder aufgefunden worden:

“Nederlandsch / Godsdienstig Traktaat-Genootschap. / - / N°. 618. / - / Een Bedevaart naar de Geboortsplaats / van Stilling. / door / P. Hofstede de Groot. / [Vignette] / Amsterdam, / D. B. Centen. / 1874.

Diese Schrift erschien 1876 in deutscher Sprache unter dem Titel

„Petrus Hofstede de Groot: Eine Wallfahrt zum Geburtsort Jung-Stillings. Hrsg. v. d. Wuppertaler Traktat-Gesellschaft. Barmen: Wiemann 1876. 22 S. = Schriften der Wuppertaler Traktat-Gesellschaft Nr. 590.“

und war der Forschung bekannt.
Hofsteede war am 31. Juli 1872 in Grund und beschreibt auch das Haus.

„Wij vroegen naar Stillings woning; elk kind wist haar; het laatste huis regts. Boven de deut was een blauwe steen, waarop was uitgehouwen:
Erbaut von Johann
Eberhart Jung und Margarethe,
Eheleute, Anno 1730.
Die stehen was onlangs onder puin in den kelder gefonden en nun weder op zijne plaats ingezet.“

Hier steht das Haus also rechts, und damit westlich der Straße.

 
Auch das Auffinden eines solchen Steins im Keller unter Schutt hat die Fachleute (Wurmbach, A. E. Jung) irritiert, denn das ließe sich über Siegerländer so nicht sagen, dass sie Schutt über längere Zeit lagerten und wertvolle Steine dort unbeachtet blieben.
Reinhard Arhelger schreibt S. 131 f. über dieses Haus, deutet die Problematik des Baudatums an, geht jedoch nicht auf die Lage ein, wenn er auch nach „rechts (nach Südwesten zu, d. V.) in den Stall“ blicken läßt.

Wo mag das alte Haus also gestanden haben?