1788-02: Aus dieser Zeit stammt folgender Autograph an Theodor Wilhelm von Hagen, der nicht (!) von Jung-Stilling stammt.
StA Siegen, Zugang 2006/272, in Slg. 342/6. Kopie ebd., Slg. 342, Karton 7: Jung-Stilling Diverses.
Im Wielandschen Briefwechsel wird 1779 ein Trimm erwähnt!
In Tristram Shandy von Laurence Sterne kommt der Korporal Trim ebenfalls vor.
Eine Illustration von George Cruikshank zeigt den reitenden Corporal Trim, Diener des Onkel Toby, mit seiner großen Nase.
Febr. 1788.
gedreht 90° Uhrzeigersinn:
Sr. Hochwolgebornen
Den Herrn D. von Hagen
Gerichts Schreiber
frey. [SL]
Lennep
erste Textseite:
Dein neuerliches Schreiben, lieber Bruder, riß mich aus der Bekümmerniß
heraus, in die mich deines Bruders Erzählung und Bericht, deinetwegen, versezt
hatten. Er mahlte deine Krankheit näml. mit solchen Schattenfarben und
rembrandschen Pinselstrichen daß mir um dich bange ward. Würde
mein Wunsch – einer der ersten Wünsche meiner Seele, - Erfüllung: so
sähen meine Augen noch lange und öfters hieniden einen Freund in
Dir, den mein Herz schlechterdings haben muß, und ich weiß
am besten, daß ich mit keinem traulicher umgehe, keinem herzlicher
schreiben, mit keinem offenherziger moralische oder religiöse Gesin=
nungen <ode> u. Ideen wechseln kann und darf. Stärker wird diese
Art Vereinigung bey uns unter andern auch dadurch daß wir in
keinem gemeinschaftlichen Politischem, ökonomischen u. merkantilischem
Verhältnisse stehen, und uns also die tausend dabey vorkommend
Anlässe zu Zwist oder aufs wenigste genommen, Mistrauen nicht
stören. Wir theilen uns von andern, oder etwa von uns entdeckte
Wahrheiten mit, schlukten einer des andern Herzenshartigkeit, und
SelbstVerbesserung sey das Interesse und der Zwek unsrer Freund=
schaft – Amen! Und der Erhabne sieht unweit lieber
wie seine liebende Jünger, seine Kinder in der liebe wandeln. –
Und es naht so gemach die Zeit heran, wo ich auch ich auf das große
Theater gehen und spielen soll. Schade das meine Rolle die des
Aufwärters oder des – Marquetenters ist, und auch wieder
nicht schade, daß ich keine lieber gehabte Hauptrolle vorführen
kann, und am Ende kommt wohl nicht so sehr drauf an was wir
gespielt, als wie wir gespielt haben – doch das ist ja schon mehr gesagt worden.
Seite 2 des Textes:
Ich sollte Mann seyn! Viel gefodert – ich leiste was meine Jünglingsjahre vermögen,
ohne wie ein bizarres steifes Bild von Schlendriansmann zu nehmen. Ich
soll ein Weib lieben – das kann ich, zwar nicht von ganzer Seele von ganzem
Gemüthe, denn da giebts noch was andres vor, aber wie man ein Weib
lieben soll, und in ihr Gott und in Gott sie, - ist doch nicht zu viel
gesagt, und beym Geschwäz vom Glücklichmachen kommt nichts heraus
wenn mans nicht bereits ist. Ich soll Kaufmann seyn, oder zum mindest
Handlung treiben. Gut, ich wills, wills nun ein mal so seyn zu nichts
scheint. Aber, wenn das nun leidige Hauptsache wird, werde ich dann,
und wann in Amore fröhne, werden mich dann die Musen nicht fliehen?
Wird sich meine Clavire nicht verstimmen? mein Tusch nicht verlezt werden?
Mein Klopstock nicht im Kasten verstimmen? nicht ein Ende haben mit
der Zirkelhandhabung? und der Naturkräfte Beobachtung? Wird meinen
Augen dann auch noch gefallen das Hinaufschauen zum Gestirnten und das
Hinabschaun auf des Insectes Bau und Instinkt, u. seine Farbenspielung?
Wird mir noch leisten Thaten groser Männer zu lesen – wird dabei auch noch
der göttliche freudige Wunsch in mir rege werden, ihnen ähnlich zu seyn u. das
göttliche feurigere Endschluß ihnen ähnlich zu werden? – – – ?
Lieber Bruder, ich sehe dreyßig, deren Seele, auch nicht edler, sich nun bey ihrer
Wut erstikte, sich nur für den Wut bestimmte, und immer mehr Wut
ward, und mir schaudert. Die Zeit wird lehren was aus mir wird, und ob
die Weissagung meiner Mutter: daß ich nicht einsehen lernen würde, daß
man zum Beruf komme durch die Welt (?) was anders thun müste als sich
mit solchem Wischiwaschi und Kleinigkeiten abgeben – eintrifft. Die
Zeit wirds lehren – : aber beschlossen seys daß ich mein Theil meiner Lebens=
zeit mich da freuen werde, wo auch Freud’ ist, wo die dreißig sie aber nicht suchten.
u. s. w.
Seite 3 des Textes:
Dein Bruder C. ist seit einiger ……………….als – wie er sonst ist. Unstät, unruhig,
hat oft Langeweile, und das ist nicht gut u. soll nicht so seyn. `N Nach
ungs keine Langweile haben, und wenn sie an Anmarsch ist, so ists der Zug
eines Genies sie in unausweichlichem Falle mit einem kurzen Compliment
abzufertigen. Es ist einem oft so – wenn ich z. B. mir vornehme den Tag
das und das zu thun, und das erste der vorgenom[m]nen Geschichte geht nicht
recht von statten, u. es kommt der Hurenhölzlein zu viel, so ists um all
die planentworfnen Geschäfte gethan. Ich werr unruhig, unstät, mismutig
u. habe Composite und das ist dann nicht gut, u. vom H. Professor
L. [Lavater?] für diesen psychologischen Unfug Rat wüsste, sein Rh. wär mir fast
theuer.
Zeichnung:
Schließl. denn die Klok hat 1/1 11 geschlagen ziehen die dem Loch des Corporalsstimme, [Corporal Trimm ?]
wie ich ihn auf des Chodowiecki seinen Rücken hab zum Thor ‘naus reiten sehen,
u. der kleine dike Tambour stand dabei. Gehab dich tägl. besser, und
grüße die Deinen von
E.Feb: Abend. Deinem S.
Jahrgang 1788.