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Jung-Stilling als Tierschützer

 
Vgl. auch 
Karin Heuer: Johann Heinrich Jung-Stilling (1740-1817) und die kameralistische Tierheilkunde in Deutschland. Berlin: Mensch & Buch 2019, ISBN 978-3-96729-049-3. 
 
 
Jung-Stilling spricht in verschiedenen Texten auch vom Tierschutz – und widerspricht damit Schopenhauers Äußerung.
 

In einer – in der Briefedition nicht genannten - Korrespondenz mit Jeremias Heinemann (geb. Sandersleben 20.07.1778, gest. Berlin 16.10.1855) über die Schöpfung hält Jung fest:

 

„Daß Gott bei der Schöpfung alle das schädliche Gewürm und die feindseligen Insekten sollte geschaffen haben, das will mir auch nicht einleuchten. Daher hat mir Ihre Erklärung der dahin gehörigen Stellen gar wohl gefallen. Es kann aber auch sein, daß diese Geschöpfe durch den Fluch über die Erde, eben so wie die großen reißenden Thiere, eine feindselige Natur angenommen haben; jetzt besteht ihre nie genug erkannte Wohlthätigkeit darin, daß sie die schädlichen Säfte, die sich durch die Fäulniß in der Erde, und die bösen Dünste, die sich in der Luft erzeugen, an sich ziehen, sich davon nähren, und also erde und Luft reinigen und gesund erhalten.“

   
1816 veröffentlichte Jung-Stilling seine " Lehrsätze / der / Naturgeschichte / für / Frauenzimmer". Unter diesem Link finden sich daraus einige interessante Hinweise sowohl zum Tierschutz (z. B. Satz 644) als auch zur Ausschöpfung der Ressourcen (z. B. Satz 812). Der Nutzen der Tiere für den Menschen steht im Vordergrund der Betrachtung (z. B. Sätze 689, 699).
 
 
 
 
 
 
 
 

Es heißt in diesem Text aus dem Jahr 1782 – also drei Jahre vor seinem Lehrbuch:

Beschreibung der Thiere *).
 
1. Aus dem Reich der Thiere braucht der Bauer
auch vieles, als da sind Pferde, Rindvieh, Schaa=
fe, Ziegen, Schweine und allerhand Federvieh.
Da will ich euch nun die Thiere beschreiben, da=
mit ihr wißt, wie es mit ihnen beschaffen sey.
 
2. Die Thiere haben einen Leib, der sehr
künstlich gemacht ist, in dem Leib ist eine Kraft,
ein lebendiges Ding, das den Leib lebendig macht.
Dies lebendige Ding heißen einige die Thierseele,
und sie haben nicht sehr Unrecht daran; denn die
Seele ist ein Ding, das denkt, und sich Vorstellungen
macht, nun denken die Thiere auch, auch haben sie
 
*) [...]
 
Vorstellungen, aber sie stellen sich ein Ding nicht
so deutlich vor als die Menschen.
 
3. Weil nun auch die Thiere Geschöpfe Got=
tes sind, die auch eine lebendige Seele haben, ob=
gleich die Seele viel geringer ist als die menschliche
Seele, so muß doch der Mensch Mitleiden mit
den Thieren haben, und sie nicht quälen, denn es
heißt in der Bibel: Der Gerechte erbarmet sich
auch seines Vieh's. Wer die Thiere unnöthiger
Weise quält, und sollte es auch nur ein Würmchen
oder ein Vögelchen seyn, den wird Gott richten.
 
4. Nun will ich euch beschreiben, wie die
Thiere beschaffen sind: an ihrem Körper sind viele
Theile, einige sind fest, und die andern flüßig, die
festen Theile sind Knochen, Häute, Adern, Fleisch,
Sehnen. Nerven, und dann die Haut mit den
Haaren, oder den Federn. Die flüßigen Theile
sind das Blut, und noch mancherlei andere flüs=
sige Theile, die ich euch hernach beschreiben will.
 
 
 

Text 2

 
 
 
Eine Geschichte, welche lehret, daß Gott
auch die Unbarmherzigkeit an dem Vieh,
straft.
 
Ich hab euch einmal ein Liedchen gemacht, von
dem Knaben, der in der Jugend den Vögeln
die er fieng, die Augen ausstach, und sie dann
wieder fliegen ließ, und wie es ihm hernach
gieng, wie er hernach als er heurathete lauter
blinde Kinder bekam; jezt will ich euch noch
eine Geschichte von der Art erzälen, wie Gott
die unbarmherzige Menschen bestraft, die ihr
Vieh, oder auch andere Thiere so sehr plagen.
Es war einmal ein Bauer der hieß Si=
mon, sonst ein ordentlicher braver Mann, er
war recht fleisig in seinem Beruf, und sonst
auch in seinem Hauß gar nicht tyrannisch, aber
mit seinem Ochsen, mit der er die Ackerar=
beiten verrichtet, hatte er nicht das geringste
Mitleiden, wenn man ihm auch zuweilen sag=
te, er solte doch nicht so grausam gegen das
Vieh seyn, denn es sey sündlich, und Gott
habe ja gesagt, der Gerechte erbarmet sich
auch seines Viehes, so schlug er das alles in
 
 Sprüche 12, 10: Der Gerechte erbarmt sich seines Viehs; aber das Herz der Gottlosen ist unbarmherzig.
 
den Wind, er lachte auch wohl dazu, und sag=
te, Gott hat den Menschen zum Herrn über
Thiere gesezt, er kan damit thun was er will;
alles half nicht.
 
Nun was geschah? als er anfieng Haus zu
halten, so kaufte er sich einen grosen starken
Ochsen, zu seinen Ackerbau, da suchte er nun
eine Ehre darinne, wenn er mit seinem ein=
zigen Ochsen mehr arbeiten konnte als seine
Nachbarn mit zween, er lud dem armen Thier
erschröckliche Lasten auf, und wenn es denn
nicht recht fortkommen konnte, so schlug er nun
zu, so, daß der Ochse aus Angst alle seine
Kräfte anspannen und ziehen muste, ich habs
oft gesehen, wie das unglückliche Thier daher
schleppte, wie es einen weisen Schaum aus
dem Maul hängen ließ, wie es schnaufte, und
mit den Augen traurig zur Erden nieder sah.
Ach! dachte ich dann, welch ein Jammer!
Denn die Thier fühlen wohl den Schmerzen,
nur nicht so deutlich als die Menschen.
 
Gut! es gieng dem Simon ganz natürlich.
Der Ochse dauerte kaum ein Jahr aus, denn
durch die Verhizzungen alle, bekam er die kalte
Pisse, man konte das arme Thier nicht curiren, es
starb; das war nun Schaden gnug für den Si=
 
 Lauterstall; Harnzwang, Dysuria.
  
mon, und er hätte nun daran denken, und
die Thiere nicht so peinigen sollen, allein was
halfs? er kaufte wieder einen neuen sehr gro=
sen und schönen Ochsen, er behandelte ihn aber
gerad wieder wie den vorigen, doch fütterte er
ihn besser, denn er wollte auch immer die
schönsten Ochsen im ganzen Dorf haben, da=
rum hielt ihm auch dieser Ochse besser aus,
doch auf die Länge giengs auch nicht, der Och=
se zerbrach in der schweren Arbeit ein Horn,
und nun muste er ihn mästen und verkaufen;
so giengs dem Simon lange mit seinen Och=
sen, an allem Unglück, daß er daran hatte,
und woran er immer durch seine Unbamher=
zigkeit selbst schuld war, spiegelte er sich durch=
aus nicht, ja er wurde endlich so tyrannisch
gegen das Vieh, daß er bloß seinen Muthwil=
len zu kühlen, den Ochsen schlug, endlich wurde
es der liebe Gott müde, er bekam einmal ei=
nen Ochsen von Schweizerart, da war er recht
stolz darauf, der war erst im vierten Jahr ver=
schnitten worden, und hatte also noch die Ge=
stalt eines Reitochsen, er hatte fürchterliche
Krollen vor dem Kopf, und sahe recht krelle
in die Welt, der dicke stämmige Hals mit
den Wangen unten dran, gaben ihm ein recht
majestätisches Ansehen, und noch immer hatte
er etwas von der wilden Natur an sich, die
den Reitochsen eigen ist, wenn er einen Tag
auf dem Stall gestanden hatte, so war er
kaum zu bändigen. Das war nun dem Si=
mon ganz recht, denn an dem Ochsen fand er
etwas zu schlagen, der hatte es auch nöthig,
und wenig Schläge thaten ihm auch nichts.
Schon ein paarmal warnte der liebe Gott den
Simon, denn einmal stieß ihn der Ochse in die
Seite, daß er lange daran zu heilen hatte,
ein andermal war das Thier im Wagen und
wollte sich nicht regieren lassen, Simon stand
ihm vorn am Kopf und schlug brav drauf, der
Ochse aber drückte ihn an die Mauer, so, daß
ihm das Blut zu Maul und Nasen heraus
kam, auch von diesem Uebel wurde er wieder
geheilt, und doch behielt er den Ochsen, denn
es war so recht seine Freunde, daß er einmal
ein Thier hatte, das er schlagen konnte, so
viel er wollte, ohne daß es ihm schadete, auch
konnte er damit arbeiten nach Herzenslust. So
wie Simon also gesund war, so fieng er gleich
wieder mit dem bösen Ochsen zu fahren:
Nun trug es sich zu, daß er einmals mit dem
Ochsen auf den Feld egte, das Thier hatte ein
paar Tage gestanden, und war muthwillig, es
wollte nicht ordentlich in der Ege gehen, Si=
mon wurde bald bös, er gieng vorn zu ihm,
faßte den Ochsen an einem Horn, und hieb
drauf nach Herzenslust, der Ochse verstand das
unrecht, auf einmal stieß er ihn mit einem
Horn in den Bauch, daß er zu Erden fiel,
der Ochse war damit nicht zu frieden, denn er
wälzte ihn mit den Hörnern auf der Erde her=
um, und verwundete ihn noch mehr, ein paar
Nachbarm, welche nicht weit davon auch im
Feld arbeiteten, liefen herzu, und erretteten den
armen Simon, sonst wäre er auf der Stelle des
Tods gewesen; Simon lag da und jammer=
te, und war in Todesgefahr, einer von den
Nachbarn, ein alter verständiger Mann sagte
nun zum Simon: Siehe Nachbar! Das
hab ich dir lange geprophezeyt. Du hast auch
mit deinen Ochsen nicht christlich verfahren.
Siehe! jezt hast du deinen Meister gefunden,
unser Herr Gott rächt auch das Unrecht, das
man an den Thieren begeht. Wenn die Thie=
re die Menschenbeschädigen, so will er sie da=
für strafen, denn Er sagte zum Noah, Er
wollte auch das Blut der Menschen an den
 
 Gen 9, 5.
 
Thieren auf dem Felde rächen, aber gewis Er
rächt auch das Blut der Thiere an den Men=
schen, wenn man sie muthwillig plagt; indes=
sen Gott hat dich nun gestraft, jezt bekehre
dich, und bereue deine Sünde, wir alle wollen
helfen Gott bitten, daß Er dich beym Leben
und bey deiner Frau und Kindern erhält, Si=
mon war in Todesangst. Ach ja! Nachbar
Franz! sagte er, ihr habt wohl doch recht,
ich erkenne es auch an, wenn es nur nun nicht zu
spät ist? Die Busse ist niemals zu spät, sagte
der Alte, wenn sie nur herzlichist; Einer von
den Bauern war so böß über den Ochsen, daß
er ihn auf der Stelle todschlagen wollte, aber
Simon rief, Nein erschlag ihn nicht, er ist ja
Gottes Scharfrichter und er hat sein Amt an
mir gethan.
 
Nun trugen die Bauern den Simon nach
Haus, seine Frau und Kinder weinten kläg=
lich, man rief den Wundarzt, und dieser cu=
rirte ihn so gut es möglich war, immer be=
hielt aber der arme Mann ein Loch am Bauch
durch welches beständig der Unrath heraus
floß, daß war nun erstaunlich beschwerlich, so
muste er also noch zehn Jahr lang ein müh=
seeliges Leben führen, aber nun bekehrte er
sich recht, und ermahnte alle Menschen barm=
herzig mit dem Vieh umzugehen. Der Ochse
wurde indessen gemästet und geschlachtet.
 
Weilen ich nun so am erzälen bin, so muß
ich euch doch noch ein Exempel sagen, das
schrecklich gnug ist, und das auch hieher ge=
hört. Eine Wittwe hatte ein einziges Kind,
einen Knaben, dem sie von Jugend auf allen
Willen ließ, das war nun freilich sehr natür=
lich, der Mann war ihr früh gestorben, den
hatte sie sehr lieb gehabt, das Kind hatte das
Gesicht seines Vatters, es war das einzige
Kind, die Mutter war ohnehin weich und
zärtlich, und so wurde der Junge von der
Wiegen an verzärtelt. Unter andern Untu=
genden die der Knabe an sich hatte, war
auch die, daß er gern die Thiere marterte;
er war so von jeher dran gekommen, wie=
len die Mutter ihre Hausgeschäfte hatte, so
gab sie ihm allerhand Spielwerk, unter an=
dern brachte sie ihm auch Maykäfer mit aus
dem Feld, der Junge war damals 3 Jahr
alt, mit diesen Thieren spielte der Knabe, bald
riß er ihnen die Füse ab, bald spieste er sie
mit einer Nadel, und dann hatte er an dem
Flattern und Zappeln seine Freude, auch bey
den Kindern läst sich die züchtigende Gnade
Gottes nicht unbezeugt, der Knabe fragte:
Mutter! thuts den Thieren auch weh, wenn
man ihnen einen Nadel durch den Leib sticht,
und ihnen die Beine ausreist? – Izt hät=
te die Mutter ihre Pflicht thun und das Kind
unterrichten sollen, sie sagte auch wohl, Ja!
es thut ihnen weh, aber sie sagte nicht es sey
Sünde, denn sie war froh, wenn der Knabe
nur still war; und wenn sie ihrer Arbeit war=
ten konte; jezt hätte sie den Knaben unterrich=
ten sollen, daß es eine schwere Sünde sey,
wenn man die Thiere marterte, aber das that
sie nicht, im Gegentheil sie brachte ihm bald
junge Vögel, bald Frösche, bald ein junges
Hääßgen [sic; Häschen, Hase], und bald ein anders Thier, denn
der Junge hatte seine beste Freunde an den Thie=
ren, und wenn er sie martern konte. Das
dauerte so fort bis der Knabe acht Jahr alt
war, nun nahm er einmahl eine junge Kazze [sic; Katze],
diese band er mit den Füßen fest auf einen
Stul, dann schnitte er ihr mit einem Messer
lebendig den Bauch auf, und wenn das arme
Thier so jammerte, so stund er und lachte, und
hatte seine herzliche Freude daran. Die Mut=
ter saß auch dabey und nähte; plag doch das
Thier nicht so Jakobchen! sagte sie, aber
dabey bliebs, weiter sagte sie nichts, das jäm=
merliche Mauzen der Kazze hörte man auf der
Strase. Der Schulmeister gieng vorbey, und
als er das hörte, so gieng er ins Haus und
puzte die Frau rechtschaffen aus, daß sie so ei=
nen Greuel von ihrem Kind dultete, die Frau
warf aber die Nase auf, und sagte, was geht’s
euch an. Nun wenn ihr nicht hören wollt,
sagte der Schulmeister ferner, so werdet ihr
fühlen müssen, so einen grausamen Muthwillen
läßt unser Herr Gott nichtungestraft. Die
Frau schlugs in den Wind, und der Knabe
streckte die Zunge gegen den Schulmeister her=
aus. Die alte Kazze saß indessen dort auf der
Bank, und sah zu, wie ihr armes Junges ge=
martert wurde, zuweilen kam sie herunter,
um den Stul herum, machte einen krummen
Buckel und bließ, und jammerte, dann aber
sezte sie sich wieder auf die Bank und sahe zu,
jezt hatte sie das Herz nicht dem tyrannischen
Knaben etwas zu thun, aber die Kazzen sind
falsch und rachsüchtig, sie vergessen eine Belei=
digung nicht leicht; Was geschah? Des
Abends im Dunkeln, gieng der Knabe so
durchs Haus hin und her, die alte Kazze saß
dort auf der Treppe, und als er ihr nahe kam,
so sprung sie ihm auf einmal ins Gesicht, und
zerkratzte ihn erbärmlich, er faßte sie an, und
wollte sie wegziehen, aber es half alles nicht,
bis auf sein jämmerliches Schreyen die Mut=
ter herzu kam, und ihn von dem zornigen Thier
befreyte. Nun war der Knabe erbärmlich zu=
gerichtet, so daß die Mutter lange Zeit einen
Arzt brauchen muste, denn es wollte nicht gut
heilen, endlich wurde denn doch der Knabe wieder
heil. Diese Warnung von Gott hätte die Frau
klug machen sollen, aber es half nicht; als ihr
Kind wieder gesund war, so fieng es wieder
an junge Vögel lebendig an spizzige Hölzer zu
stecken, Fröschen lebendig die Haut abzuziehen,
den Fliegen die Flügel, oder auch die Beine
auszureißen, und dergleichen; endlich ward
es der liebe Gott müde: Im Frühjahr, als
das Vieh anfieng auf die Weyde zu gehen, so
schickte die Frau ihren Jakob mit dem Vieh,
um ein Kalb, welches zum erstenmal auf die
Weyde gieng, mitzugewöhnen, das war ihm
nun eine rechte Freude, denn da konnte er recht
muthwillig mit den andern Knaben seyn, die
auch Kälber mitgewöhnten. Einmals an ei=
nem Mittag, als das Vieh ruhte, und die Kna=
ben da auf dem Grünen lagen, und nun geges=
sen hatten, so fieng Jakob an, hast du da
das Nachtigallen=Nest gesehn Peter? Ja!
antwortete Peter, ich habs lang gewust, es ist
da in dem düstern Strauch; laßt es uns ho=
len, fuhr Jakob fort, es sind drey Jungen
darinnen, Alloh! riefen die andern, sie sprun=
gen hin, und holten das Nest, die alten Nach=
tigallen flogen herum, sezten sich da von einem
Ast auf den andern, und sungen kläglich, daran
kehrten sich aber die Buben nicht, sie spielten
eine Weile mit den armen jungen Thierchen,
endlich steckte Jakob ein Holz in die Erde,
das oben spitzig war, und auf dies spizziges
Holz spiste er die drey junge Nachtigallen
nacheinander, das sahe nun kläglich aus, wie
die arme Thiere eine Weile zappelten, und
wie die Alten oben in den Aesten jammerten.
Dies Spektakel rührte die andern Knaben so,
da0ß sie weggiengen, und sagten: Die armen
Vögel! Jakob aber blieb stehen, und wey=
dete sich recht an dem elend der armen Thie=
re, aber die göttliche Rache war ihm auf der
Ferse, indem die andern Knaben weggiengen,
um zu spielen, und Jakob nahe bey den Vö=
geln stand, so kam eine Kuh hinter ihm her,
welche rostig war, und der Reitochse folgte ihr.
 
 rostig: I. Allg. nur von den Stuten üblich ist, wenn sie rossen, d. i. nach dem Hengste verlangen.
 
Da nun die Kuh gerad auf den Jakob an=
kam, so wollte er sie abwehren, und schlug sie
mit seinem Stock vor den Kopf. Die Kuh
wich auch aus, aber der Ochse verstand es un=
recht, erlief an den Knaben, und stieß ihm
beyde Hörner tief in den Bauch hinein, so,
daß er den Knaben auf beyden Hörnern trug,
und ihm die Beine vor dem Kopf herab hien=
gen, so wie nun Jakob oft die Thiere ge=
spiest hatte, so war er nun selber auf die Och=
senhörner gespiest, auch er jammerte und heul=
te nun erschrecklich, und der Ochse brüllte da=
zu, und schüttelte zuweilen den Kopf, bis daß
endlich beyde Hörner zum Rücken heraus ka=
men, und der arme Knabe lebte als noch
immer. So wie die andern Buben und der
Hirten den Knaben schreyen hörten, so liefen
sie herzu, aber der Ochse riß aus, mit dem
Knaben, so, daß ihn niemand erreichen konnte,
er lief auf das Dorf zu, und durch das ganze
Dorf hinab. Der Ochse brüllte, und der Kna=
ne schrye, daß es einen Stein in der Erde
hätte erbarmen sollen. Die andern Buben
liefen auch hinter drein und krischen. Ach!
riefen sie mit weinen, das kommt daher, wie=
len er die Nachtigallen gespiest hat, jezt ist er
wieder gespiest.
Die arme Mutter saß indessen in ihrer
Küchen, und dachte an nichts, auf einmal
hörte sie von ferne ein Getöse, ein Brüllen,
ein Schreyen, und dazwischen eine klägliche
Kinderstimme. Ach! liebe Mutter! Ach!
helft mir! der Frauen wurde es schwarz vor
den Augen, sie ahndete ein Unglück, sie schwank=
te zum Haus hinaus, und auf die Straße.
Gerechter Gott! da kam ihr gerad der Ochse
entgegen, und das ganze Dorf dahinter her,
sie erkannte ihr Kind an den Kleidern wie blu=
tig sie waren, sie rief, ach Herr Jesus Chri=
stus mein Kind! und sunk zu Boden; indes=
sen hatte einer von den Bauern seine scharf
geladene Flinte geholt, dieser paste dem wü=
tenden Ochsen auf, und schoß ihn, daß er auf
dem Plaz nieder fiel, nun hob man den armen
Jungen von den Hörnern, und in einer Mi=
nute war er auch tod. Die Mutter kam zwar
wieder zu sich selbst, aber sie hatte leider den
Verstand verlohren, sie gieng immer herum,
und sagte, wenn sie Kinder sahe: hat ihr
auch den Thieren Leid gethan? immer lehrte
und predigte sie umher, daß man die Thiere
nicht quälen müste, denn erzälte sie auch wohl,,
ihre traurige Geschichte; sie hatte aber nirgend
n der Welt Ruhe, sondern sie lief von einem
Ort zum andern, und jammerte, endlich sprung
sie gar ins Wasser, und ertränkte sich selbst.
 
 
 

Text 3

1784 schreibt Jung-Stilling
"wars eben nöthig, daß eine Eselin redete? Antwort, darum, weilen Gott durch so etwas ungewöhnliches den Bileam wegen seiner Grausamkeit gegen das arme Thier bestrafen wollte, daraus sollen wir lernen, auch mit unserm Vieh Gedult und Mitleiden haben, denn Gott straft auch unsre Grausamkeit die wir an dem Vieh begehen;"
 
 
 

Text 4

 
Ein Lied.
 
1.
Ihr Knaben, wenn ihr munter
Jezt Vogelnester sucht,
Und um die Sträuche schlüpfet,
so seyd nicht so verrucht;
Quält nicht die armen Vögel,
Und laßt sie stille ruhn,
Gott strafet auch die Menschen,
Die Vögeln Unrecht thun.
 
2.
Ein Jüngling nahm ein Weibchen,
Und lebte froh mit ihr,
Sie ware fromm und bieder,
Des ganzen Dorfes Zier;
Sie wurde auch gesegnet
Mit einem schönen Kind,
Alles es ware leider
An beyden Augen blind.
 
3.
Ein tiefer Kummer drückte
Das väterliche Herz;
Mit tausend Thränen zeigte
Die Mutter ihren Schmerz.
Noch einmal ward sie schwanger,
Ein Knäbchen sie gebahr,
Das auch an beyden Augen
Blind und unheilbar war.
 
4.
Die Eltern weinten beyde,
Und klagten Gott ihr Leid,
Sie trauerten von Herzen,
Und hatten keine Freud.
Die Frau bekam ein Mädchen,
Und ach! zum drittenmal
Ein blind gebohrnes Würmchen
Vermehret ihre Qual.
 
5.
Der Vater gieng mit Thränen
Im ganzen Dorf umher,
Er konnte nirgend bleiben,
Das Herz war ihm so schwer.
Ein alter grauer Bauer
Sah ihn so kläglich thun:
So geht's, sprach er gar ernstlich,
Wenn Knaben Uebels thun.
 
6.
Du stachst den jungen Vögeln
So oft die Augen aus,
Und ließest sie dann fliegen,
Nun kommt's dir selbst zu Haus.
Gott rächt das Blut der Menschen
An jedem bösen Thier,
So rächt auch Gott die Augen
Der Vögel jezt an dir.
 
 

 

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