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„Conversations=Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Bd. 5. J bis L. Mit Königl. Württembergischer allergnädigster Genehmigung. Stuttgart, bei A. F. Macklot. 1817.“

   Nach der Einleitung zu Bd. 6, unterz. 1817-05-12, hatte Macklot sich die Rechte des Nachdrucks von Brockhaus gesichert, aber gegen den Vertrag ließ Brockhaus eine neue Ausgabe seines Werkes herausgeben, bevor Macklot seine eigene Ausgabe hatte abschließen können.

S. 263-265:

 
„Jung, Joh. Heinr., genannt Stilling, gegenwärtig großherzogl. badenscher geheimer Hofrath in Karlsruhe, war eher Prof, an der Cameralschule in Heidelberg, an eben solcher Schule lehrte er schon (seit 1778) in Lautern, wo dieses für Forst= und Landwirthschaft, Fabrik, Handlungswissenschaft und Vieharzneikunde sehr nützliche Institut sich vorher befand. Er ist geboren zu Grund im Nassauischen 1740. In seiner Jugend auf dem Wege Kohlenbrenner zu werden, ergriff er das Schneiderhandwerk, und nachdem er sich nebenher von höhern Dingen selbst belehrt, so trieb ihn sein lehrlustiger Sinn zu einer Schullehrerstelle. Dieser Versuch mißlang und er kehrte zum Handwerk zurück, von dem er jedoch zu wiederholten Malen; weil jedermann leicht für ihn Zutrauen und Neigung faßte, abgerufen ward, um abermals eine Stelle als Hauslehrer anzunehmen. Später war er Arzt zu Elberfeld. Den größten Theil seines merkwürdigen Lebens hat er selbst, ohne dichterische Ausschmückung, in dem berühmten Buche: Heinrich Stillings Jugend, Jünglingsjahre und Wanderschaft (Berlin 1777 in 3 Theilen, in einer neuen Gestalt unter dem Titel: Lebensbeschreibung, Berlin 1806, (wovon der erste Theil des Verfassers Jugend, der zweite seine Jünglingsjahre, der dritte seine Wanderschaft, der vierte fortsetzende Theil sein häusliches Leben enthält, und der fünfte den Titel Lehrjahre führt) auf eine Weise beschrieben, welche seinen gemüthlichen und frommpoetischen Charakter ganz ausspricht. Er selbst erklärt diese Schilderung vom Kleinsten bis zum Größten, vom Alltäglichsten bis zum Wunderbarsten für lautere, unverfälschte Wahrheit. Weit entfernt, sagt Matthison in seinen Briefen (Zürch [sic; Zürich] 1795, I. Thl.) ein zu helles Licht über das Gemälde zu verbreiten, hat er vielmehr manches, und gerade immer dasjenige, was seinem Geist und Herzen am meisten zur Ehre gereicht, in ein zweifelhaftes Helldunkel gestellt. Auch hat er uns in demselben manches herrliche Volkslied aufbewahrt, so wie er überhaupt die unverkennbare Bestimmung zum Volksschriftsteller darin bewährte. Allein ein einseitiger Pietismus, zu welchem sein herrschendes Gefühl ihn führte, hat diese Einwirkung auf das deutsche Publikum sehr beschränkt. Seine pietistischen Schriften sind sehr zahlreich. Vorzüglich bekannt ist sein Theobald, der Schwärmer; das Heimweh; der Volkslehrer; der christliche Menschenfreund (in welchem er die sichtbare Zukunft Christi zwischen hier und 1836 setzt); Taschenbuch für Freunde des Christenthums und Sieg desselben; der graue Mann, (eine noch immer fortgehende Wochenschfrift). Das meiste Aufsehn und den größten Wiedespruch hat er durch die in gegenwärtiger Zeit seltsame Erscheinung seiner Theorie der Geisterkunde (Nürnberg 1808) und Apologie derselben (1809), welche sich an seine (schon 1803 zu Frankfurt erschienene) Scene [sic] aus dem Geisterreiche anschließt, erregt. Hier hat er seine Meinungen und Hypothesen von dem Verkehr der abgeschiedenen Geister mit Lebenden, gleich evidenten Thatsachen, in systematischer Form vorgetragen. Uebrigens sind seine frommen Träume mit einem ehrwürdigen Charakter verbunden. Nicht minder hat sich Jung vorzüglich in den Fächern der praktischen Naturwissenschaft (z. B. Oekonomie, Vieharzneikunde), so wie in verschiedenen Theilen der Staatswissenschaft (z. B. Nationalökonomie, Cameral= und Finanzwissenschaft) als Docent, und durch viele Schriften über dieselben (seit ungefähr 1783) verdient gemacht und die ausgebreitetsten Kenntnisse gezeigt. Endlich wird er als geschickter Operateur des Staars (er hat auch über diesen Gegenstand einiges geschrieben) mit vielem Lobe genannt. Von seiner wohlthätigen Kunst sagt Matthison a. a. O.: Schon über 200 [sic; recte 2000; siehe dazu hier], größtentheils armen Blinden hat er das Gesicht nicht nur unentgeldlich wiedergegeben, sondern viele von ihnen noch beschenkt und auf seine Kosaten während ihrer Kur im Wirtshause erhalten. Das zuletzt erschienene Product seines Geistes sind: Erzählungen, mit einer Vorrede von Ewald. Wir können übrigens nichts Besseres thun, als unsere Leser auf die schöne Charakteristik dieses merkwürdigen Mannes verweisen, welche Goethe [vgl. hier] (aus meinem Leben, 2r Th., S. 378 ff. und S. 489), der ihn nebst Herder in Straßburg als Jüngling kennen lernte, und ihm sehr befreundet ward, von ihm aufgestellt hat. Wir führen nur die Hauptzüge an: [… Me] Jungs Umschränktheit war von so viel gutem Willen, sein Vordringen von so viel Sanftheit und Ernst begleitet, daß ein Verständiger gewiß nicht hart gegen ihn seyn, und ein Wohlwollender ihn nicht verhöhnen noch zum Besten haben konnte. Jung war durch Herder dergestalt exaltirt, daß er sich in allem seinen Thun gestärkt und gefördert fühlte.“

 

 

Etwa im Juli 1817 erschien „Conversations=Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. In zehn Bänden. Bd. 5. 4. Original=Aufl. Mit Königl. Würtembergischen Privilegien. Altenburg und Leipzig: Brockhaus 1817.“ das S. 260-262 ebenfalls den Artikel bringt. – Der abschließende Satz lautet hier:

„Eine geistreiche Frau hat Jung den deutschen Retif de la Bretonne genannt.“ -

Zuvor hatte der Artikel schon gestanden in: Conversations=Lexikon oder Hand=Wörterbuch für die gebildeten Stände über die in der gesellschaftlichen Unterhaltung und bei der Lectüre vorkommenden Gegenstände, Namen und Begriffe in Beziehung auf … Bd. 5. Von J bis L. Zweite, ganz umgearbeitete Auflage. Leipzig und Altenburg: Brockhaus 1815; S. 269.

 

Die geistreiche Dame ist Rahel Varnhagen, und sie tat dies im Sommer 1812. [Nicolas Edme Restif (Rétif) de la Bretonne, franz. Romanschriftsteller, geb. Sacy bei Auxerre 22.11.1734, gest. Paris 3.02.1806.] - Zu Varnhagen siehe hier.

 
Brockhaus lieferte nach Juli 1818 einen Supplementband (als Abdruck desselben zur 3. Aufl.) zu seinem Lexikon, in dem S. 277 ergänzt wird:

 
„Jung (Joh. Heinr.) – In diesem Art. ist Matthisson statt Matthison – Theobald, oder die Schwärmer statt Theobald, der Schwärmer, – Scenen aus dem Geisterreiche statt Scene aus dem & zu setzen. Jung kam 1803 nach Heidelberg, 1806 nach Carlsruhe, und starb am 2ten April 1817.“

 

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