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1815 erschienen bei Cotta in Stuttgart Max von Schenkendorfs Gedichte.

Im Zuge späterer Ausgaben finden sich im Cotta-Archiv auch Unterlagen zu Henriette ("Jettchen") Elisabeth Barklay (1794–1865), die in Bendorf am Rhein am 8.02.1822 den preussischen Offizier Carl Ernst von Heineken (1794–1857) ehelichte.

 

Von dieser Ausgabe nahm man in Frankreich zu Beginn des Jahres Kenntnis:

„Gedichte, etc. Poésies de Maximilien de Schenkendorf. Vol de 189 pag. in-8°. Tubingue. 1815. Cotta. 1 fl. 24 kr.2

 

Umfangreich rezensierte Matthäus von Collin (1779-1824) diese Cottasche Ausgabe innerhalb einer Sammelrezension; er schreibt:

"Die Gedichte Max von Schenkendorf’s zeigen, bey gleichem Streben wie jene Freimund Raimar’s [Friedrich Rückert], von einem durch die Verhältnisse der Zeit wohl zu hoher Kraftanstrengung aufgeregten, in sich aber nicht getrübten Geiste, Sie gehen nicht aus von dem Elende und der Noth der Gegenwart, in der sie entstanden, sondern von der bereits mächtig waltenden Gegenwirkung, die dieses Elend und diese Noth aufhebt und vernichtet. Nicht Mißmuth über gekränkte Würde des Lebens, sondern helle Freude über dessen Wiederveredlung ist ihre vorzügliche Quelle. Sie ruhen, Obgleich immer auf die Gegenwart sich beziehend, und kräftig auf dieselbe einwirkend, dennoch mit ihrem geheimsten Leben auf der bereits geahneten Zukunft, einer Zukunft nach jener glorwürdigen Herrlichkeit gebildet, welche deutscher Vorzeit eigen war. Diese Vergangenheit, in welcher das, was dem Vaterlande wesentlich eigenthümlich genannt werden muß, bereits zur Vollendung reichhaltig ausgebildet erscheint, hat das Gemüth des Dichters mit heitern Strahlen der Schönheit durchdrungen, und sich ihn ganz angeeignet. So heißt es S. 101.

Und wie die Epheuranke

Den Felsenbau umzieht,

Ist’s auch nur ein Gedanke,

Der unser Herz durchglüht:

Die Lust an den Geschichten

Von alter Kraft und Treu,

Der Glaube, daß wir neu

Der Väter Haus errichten.

Die Form altdeutschen Volksgesangs ist daher auch die, welche der Dichter ausschließend wählt, um zu einem Volke zu reden, welches die Herrlichkeit vergangener Jahrhunderte wieder neu in sich erzeugen soll. Einfach, wie seine Weisen, sind daher auch die Empfindungen des Dichters, und selbst die Ausbrüche seines Zorns, auf so edler Grundlage ruhend, tragen, fern vom Gefühle einer ungewissen Beängstigung, bey voller Kraft der Rede doch einen gewissen Charakter der Milde, welcher Sicherheit des Seyns und seiner Verhältnisse edlen Geistern zu gewähren pflegt. Hohe Begeisterung weht über diesen Dichtungen in gleich bleibender Wärme hin, nicht vertilgende Wuth athmend, wohl aber kräftigen Entschlußes voll, und allen Reichthum männlicher Schöne dem froh überraschten Blicke in immer neuer Entfaltung darbiethend. Fern aus dem Hintergrund ragt über das Ganze des Werkes diese Herrlichkeit deutscher Vorzeit in erhebender Rückerinnerung hervor, und weiht die Gegenwart zu der mühevollen Arbeit ihrer Wiedergeburt und neuen Veredlung. Lyrisch im edelsten Sinne des Worts tragen diese Dichtungen unverkennbar das Gepräge epischen Ebenmaßes, und sind eigentlich nichts anderes als ein großer, die Begebenheiten der letzten Jahre feyernder Heldengesang.

Den Geist dieser Sammlung herrlicher Gedichte glauben wir durch die hier gegebene kurze Darstellung nicht unrichtig bezeichnet zu haben; schwerer dürfte es seyn, aus einundsiebzig Liedern, denn so viele empfangen wir von dem reichen Sänger, das Vorzüglichste herauszuheben, und zu beleuchten. Wir enthalten uns um so mehr eines so gewagten Unternehmens, da die Sammlung nicht nach einzelnen Theilen, sondern nach dem Eindruck des Ganzen gewürdigt seyn will; da sie so sehr ein in sich zusammenstimmendes Ganzes bildet, als nur immer ein Gedicht größeren Umfangs. Nur auf Weniges wollen wir im Einzelnen hindeuten, was uns den Geist des Werks am klarsten und unzweydeutigsten zu verkünden scheint. Der frische lebendige Muth, die Seele des Ganzen, jenes sichere Weiterschreiten zu einner beglückteren Zukunft, ist wohl jedem Liede der Sammlung eigen; er verläugnet sich aber auch selbst dann nicht, wenn die Hoffnungen gescheitert scheinen. So S. 165 in dem Liede Antwort, da des Dichters Erwartung der Wahl eines deutschen Kaisers nicht in Erfüllung geht, beruft er sich auf die Natur deutschen Daseyns, welches sich nur auf diese Weise vollenden werde, und schließt mit den schönen und denkwürdigen Strophen:

Es kann das Herz nur eines

Ein Einziges nur seyn,

Drum soll sich des Vereines

Auch jeder Deutsche freun:

Wenn wieder sich gestalten

Das alte Deutschland soll,

So sey es nicht zerspalten,

Nicht Schmach- und Wundenvoll.

 

Ich weiß, an wen ich glaube,

Ich kenn ein holdes Bild;

Dem Teufel nicht zum Raube

Wird, was mein Herz erfüllt.

Von einem deutschen Throne,

Von einem Eichenbaum

Der schirmend flicht die Krone -

Das ist kein Dichtertraum.

In der Beichte S. 59. einem Gedichte voll so großer Wahrheit, verweilt er wohl bey den Gebrechen der nächsten Vergangenheit, nicht aber um in heiligen Zorn darüber aufzuwallen, sondern um sich an dem erhebenden Gedanken, daß Gott diese Schuld, um die er Deutschland in Schmach gestürzt, vergeben habe, wieder empor zu richten: ¦

Du hast uns Herr der Schuld entladen,

Der Schmach entlad’ uns unser Schwert;

O fließ’ uns ferner, Quell der Gnaden,

Wir sammeln uns um freyen Herd etc.

und eine Strophe früher:

Du ziehst o Herr im Siegesfluge

Vor deinen treuen Schaaren her;

Man glaubt nicht mehr dem fremden Truge,

Man glaubt der guten alten Mähr:

Die Donau braust’s auf ihrem Zuge

Von Schwaben bis in’s schwarze Meer,

Daß Deutsche nun für Deutsche fechten,

Nach alter Sitte, alten Rechten.

Das Lied: die Preußen an der kaiserlichen Grenze (August 1813) ist lange bevor diese Sammlung erschien, als fliegendes Blatt in die entferntesten Winkel Deutschlands gedrungen; lebensmuthig, froher Hoffnung voll, und den neu geschloßnen Verein deutscher Völker mit jubelvoller Stimme verkündend, hat es alle Gemüther der Erwartung einer schönen Zukunft zutrauend geöffnet. Alle Kriegsgesänge des Dichters sind ähnlicher Art, obwohl durch den Eindruck der besonderen Lage, in der sie gedichtet wurden, hinlänglich unter sich verschieden. Nicht nur Krieg und Gefahr aber preiset der Siegestrunkne Sänger, die Geister hingeschiedner Lieben grüßt er oft und feyerlich mit frommen Gruße, er wendet sich an seine Hausfrau, an geehrte Freunde, und verflicht in seine Gesänge den Zuruf sorgenvoller Aeltern an ihre nach Paris gezognen Söhne. Seine Liebe für das Vaterland bewährt sich durch die Begeisterung, welche dessen heiliger Boden ihm einflößt, auf eine zum Herzen liebevoll sprechende Weise. Wald und Flur, und Gebirg, und die reichen Flüsse der vaterländischen Erde preist er mit hin sich gebender Entzückung; all die ruhmerfüllten Städte Deutschlands läßt er in einem eignen Gesange im langen Zuge vorüberwallen, jede ansprechend, und ihr eigenstes Lob verkündigend. Besonders schön, und mit wohlthuender Wehmuth die Brust erfüllend, sind seine Betrachtungen über Ruinen der Vorzeit und jene mächtigen Bauwerke, die sich bis zu uns herüber gerettet. Er kettet an sie die Geschichte der Vorzeit selbst. Das Gedicht, der Dom zu Speier, das letzte der Sammlung, entläßt zwar den Leser im heiligen Zorn über die entweihte Stätte seiner Kaiser, und rechtfertigt alles in früheren Gedichten geäußerte Streben gleichsam durch diesen Rückblick auf die schmachvolle Entwürdigung des Ehrwürdigsten und Heiligsten; die frühern um die Ruinen des Vaterlandes schwebenden Lieder sind aber einer viel sanftern Art, und, wie gesagt, mehr da, um diese neue Zeit der alten, die uns aus jenen Ruinen anspricht, wieder gleich bilden zu helfen, als den Unmuth über verlorne Größe in den Gemüthern fest zu halten. so reiches Leben, als uns aus diesen Liedern anspricht, so heiteren Sinn in Gefahr umzogener Zeit mag freylich nur der seinen Liedern einzuhauchen gewußt haben, der diese Gefahren selbst männlich bestand, und mit den Heldensöhnen des Vaterlands sein Leben für die gute Sache freudig einsetzte.

 

 

Als „M.-s.“ nutzte er seine Rezension der „Sängerfahrt“, um Max von Schenkendorf einen Nachruf zu geben.  Collin schreibt u. a.:

„Sechs Lieder von Mar Schenkendorf, dem großen Meister eines mit voller Ueberschauung seiner einfachen [S. 205:] Pracht geführten Volksgesangs, erinnern schmerzlich an den Verlust, den das Vaterland durch den Tod dieses edlen Sängers erlitten: wie Stimmen, vom Grabe eines geliebten Freundes her: über tönend, erfüllen sie das Herz mit Wehmuth und Freude zu: gleich. Max Schenkendorf hat das Lied aus dem Gebiete idealer Sehnsucht in das Getümmel des öffentlichen Lebens herüber geführt, und demselben dort ganz neue Bahnen eröffnet. Was früher in dieser Hinsicht geschehen war, Gleims Kriegslieder mit eingeschlossen, kann man wohl gut gemeinte Versuche nennen; sie verrathen aber, wenn sie wirklich mit Ernst ihren Gegenstand ergreifen, und nicht zur eigenen Ergötzlichkeit niedergeschriebene, poetisch seyn sollende Elaborationen sind, größtentheils entweder Unsicherheit des Dichters, oder zeigen die Spuren nicht müheloser Arbeit. Alles aber, was Schenkendorf dichtete, ist freyer Erguß eines von der Herrlichkeit des ihn umgebenden Daseyns erhobenen Gemüths: selbstständig, kraftvoll und zart zugleich, voll Innigkeit und voll Bedürfnis nach Mittheilung, strömt er die ungetrübte Flut seiner Gefühle in unbesorgter Kühnheit aus, gewiß, theilnehmende Hörer zu finden. Es ist an ihm nichts jugendlich überspanntes, nichts halb empfundenes, oder halb wahres, alles ist echt, gediegen, männlich: die Begeisterung eines von dem stürmevollen Andrange des Lebens nicht in der Zartheit seines Wesens gekränkten oder niedergedrückten, sondern zu rüstigerer liebevoller Thätigkeit emporgetragenen Geistes. Dichter, wie dieser war, hat Deutschland wenige gehabt, es wird daher um so mehr Pflicht seyn, sein Andenken zu ehren.“