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Johann Heinrich Jung,

  

genannt Jung-Stilling

  

1740 – 1817

  

Arzt – Wirtschaftswissenschaftler – Religiöser Schriftsteller

  

1740 12. September: Johann He(i)nrich Jung wird als Sohn des Johann Helmann Jung (1716-1802) und der Johanna Dorothea ("Dortchen") Katharina geb. Fischer (1717-1742) im Dorf Grund im damaligen Fürstentum Nassau-Siegen (heute zu Hilchenbach in Nordrhein-Westfalen) geboren. – Der Vater ist Schneider, gelegentlich Schulmeister und Helfer seines Bruders, des Feldmessers und späteren Oberbergmeisters Johann Heinrich Jung (1711-1786).

  

1742 19. April: Tod der Mutter Johanna Dorothea; Johann Heinrich wird nun von seinen Großeltern, dem Landwirt und Köhler Ebert Jung (1680-1751), dessen Ehefrau Margarethe geb. Helmes (1686-1765) sowie den Tanten erzogen, da der Vater zunächst in Schwermut verfällt. Ein Gespräch mit dem in der Lebensgeschichte (S. 41 ff.) und im „Theobald“-Roman sogenannten Separatisten "Niclas" (in der LG wohl nicht Victor Christoph Tuchtfeldt, etwa 1680-1750) lässt ihn die Erziehung seines Sohnes wieder selbst übernehmen. – Besuch der Dorfschulen in Grund und Allenbach (beide heute zu Hilchenbach gehörend).

  

1750 Besuch der Lateinschule zu Hilchenbach.

  

1755 Ostern: Konfirmation. – Schulmeisterstelle in Lützel (heute zu Hilchenbach). Infolge Unzufriedenheit des Pfarrers, damals Aufsichtsperson der Lehrer, Rückkehr ins Elternhaus. – Schneiderhandwerk. – Erzieherstelle in Plettenberg. Wegen erlittener Misshandlungen Rückkehr ins Elternhaus. – Schneiderhandwerk und Arbeit in der Landwirtschaft. – Lehrer in Kredenbach (heute zu Kreuztal).

  

1757 Schullehrer zu Dreisbach (= Dreis-Tiefenbach, heute zu Netphen). Wegen Zerwürfnis über die Lehrmethode Rückkehr ins Elternhaus. Schneiderhandwerk. – Lehrer an der Schule zu Klafeld (heute zu Siegen). Durch Intrige wird er seines Amtes enthoben und kehrt ins Elternhaus zurück. Schneiderhandwerk und Arbeit in der Landwirtschaft. – Bruch mit dem Vater, der sich 1756 mit Anna Margaretha Feldmann (1726-1796) wiederverheiratet hatte. – Entschluss Johann Heinrich Jungs, in die Fremde zu gehen.

  

1762 12. April: Ausführung dieses Entschlusses. Als Schneidergeselle Wanderung ins Bergische Land. – Arbeit bei dem pietistischen Schneider Stöcker in Solingen. – Jung schließt einen "Bund mit Gott" ("Wanderschaft", S. 198: allein sich Gottes Führung zu ergeben). – Hauslehrer bei dem reichen Kaufmann Peter Hartcop (1724-1770). Infolge erlittener Demütigungen 1763 zu dem Schneider Johann Jakob Becker (1706-1767) in Radevormwald, dem "Meister Isaak" der Lebensgeschichte. – Als Erzieher und Inspektor zum Kaufmann, Fabrikanten und Gutsbesitzer Peter Johannes Flender (1727 -1807); dies wurde seine "Academie", wo er "Oeconomie, Landwirthschaft und das Commerzienwesen aus dem Grund zu studiren Gelegenheit hatte" (Lebensgeschichte hrsg. von G. A. Benrath, Darmstadt ³1992, S. 231). – Jung lernt Griechisch (und wohl auch Hebräisch) im Selbststudium.

  

1768 Der katholische Priester und Laienmediziner Johann Baptist Molitor (geb. Saalhausen 28.05.1702, gest. 1768), der auch in Rahrbach (heute zu Kirchhundem) tätig war, vermacht Johann Heinrich Jung in Attendorn eine Geheimschrift mit Rezepten gegen Augenkrankheiten. Beginn von Jungs Tätigkeit als Laien-Augenmediziner; seit 1773 als Augenoperateur, besonders als "Starstecher" [Star = Bezeichnung verschiedener Augenkrankheiten]. Etwa 3.000 Menschen dürfte Jung-Stilling operiert, über 25.000 mit augenärztlichem Rat gedient haben. - Zur Zahl der Operationen siehe ausführlich hier.

  

1770 Im Februar Verlobung mit Christina Catharina Heyder (1749-1781), einer kränklichen Kaufmannstochter. – Im Herbst schreibt sich Jung nach vorbereitendem Selbststudium in Straßburg bei der medizinischen Fakultät ein. – Verkehr im Kreis um Johann Daniel Salzmann (1722-1812) und später bei umfangreichem Briefwechsel mit Friedrich Rudolf Salzmann (1749-1821): Freundschaft mit Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) und Johann Gottfried Herder (1744-1803).

  

1771 17. Juni: Nach Aufgebot Heirat mit Christina Heyder (drei Kinder entstammen dieser Ehe).

  

1772 Examen in Straßburg. – 1. Mai: Eröffnung der Praxis in Elberfeld (heute zu Wuppertal); als praktischer Arzt ist Jung sieben Jahre dort tätig. – Freundschaftliche Beziehungen zu Friedrich Heinrich Jacobi (1743-1819), Johann Caspar Lavater (1741-1801), Johann Gerhard Hasenkamp (1734-1777) u. a.

  

1773 22. April: In Abwesenheit wird Jung in Straßburg zum Doktor der Arzneigelehrtheit (Dr. med.) promoviert. – 26. August: Erste Augenoperation in Wichlinghausen (heute zu Wuppertal).

  

1774 22. Juli: Sogenannte "Elberfelder Zusammenkunft". Goethe besucht Jung und nimmt das Manuskript von "Henrich Stillings Jugend" an sich. – Brotneid und Mißtrauen verleiden Jung das Leben in Elberfeld.

  

1775 Abfassung von "Die Schleuder eines Hirtenknaben gegen den hohnsprechenden Philister, den Verfasser des Sebaldus Nothanker", Friedrich Nicolai (1733-1811).

  

1776 "Die große Panacee [= Allheilmittel] wider die Krankheit des Religionszweifels" kommt heraus, der die "Theodicee [= Rechtfertigung Gottes] des Hirtenknaben als Berichtigung und Vertheidigung der Schleuder desselben" folgt.

  

1777 "Henrich Stillings Jugend" liegt im Buchhandel vor; der Name "Stilling" (vgl. Psalm 35, Vers 20 b) verbindet sich nun dauerhaft mit Johann Heinrich Jung. Seit dieser Zeit gehört er als "Jung-Stilling" zum Fundus deutscher Literatur(geschichte).

  

1778 Berufung Jungs als Professor für praktische Ökonomik (= ‚Kameralwissenschaften') auf den Lehrstuhl für Landwirtschaft, Kunstwissenschaft [= Technologie, Produktionswissenschaft], Handlungswissenschaft und Vieharzneikunst an die Kameral Hohe Schule nach Kaiserslautern. – "Stillings Jünglingsjahre" und "Stillings Wanderschaft" kommen heraus. – Geldsorgen veranlassen Jung, neben (elf) ökonomischen Fachbüchern auch Romane zu schreiben.

  

1779 Die "Geschichte des Herrn von Morgenthau" wird als Roman publiziert. – Jung-Stilling beginnt mit dem Schreiben von (volksaufklärenden) Erzählungen im sog. "Kurpfälzischen Kalender".

  

1781 18. Oktober: Tod seiner Frau Christine in Kaiserslautern. – Der Roman "Die Geschichte Florentins von Fahlendorn" wird gedruckt und 1794/95 (Jahr III der Republik) ins Französische übersetzt.

  

1781 bis 1784 erscheint die von Jung geschriebene Monatsschrift "Der Volkslehrer".

  

1782 14. August: Heirat mit "Selma von St Florentin" (Lebensgeschichte S. 400), das ist Maria Salome ("Selma") von Saint George (1760-1790), durch Vermittlung von Marie Sophie von La Roche (1730-1807). Dieser Ehe entstammen sechs Kinder.

  

1783 Das "Leben der Theodore von der Linden" erscheint als Roman in zwei Teilen.

  

1784 13. November: Jung wird statt außerordentliches (14. Dezember 1782) nun ordentliches Mitglied der seit 1775 bestehenden Kurpfälzisch Deutschen Gesellschaft in Mannheim.

  

1784 Verlegung der Kameral Hohen Schule nach Heidelberg. Jung wird Professor an der "Staatswirtschafts Hohen Schule" der Universität.

  

1784 bis 1785: Der (autobiographische) Roman "Theobald oder die Schwärmer" erscheint in zwei Bänden.

  

1785 31. März: Kurfürst Karl Theodor von Pfalz-Bayern (1724-1799) ernennt Jung-Stilling zum Kurpfälzischen Hofrat (vgl. 1808).

  

1786 8. November: Jung-Stilling wird in Heidelberg ehrenhalber zum Doktor der Weltweisheit (Dr. phil.) promoviert.

  

1787 Umzug nach Marburg, wo Jung-Stilling Professor für Ökonomik wird. Er wohnt in den ersten Jahren im Haus "Engel" in der Barfüßergasse [heute Barfüßerstraße] 28, und redigiert das nur in diesem Jahr erscheinende "Intelligenzblat für Hessen" und versieht es mit eigenen Texten. – Die "Blicke in die Geheimnisse der Naturweisheit; denen Herren von Dalberg Herdern und Kant gewidmet" erscheinen ebenso wie die Übersetzung von "Virgils Georgicon" und die "Jubelrede über den Geist der Staatswirthschaft" sowie das "Lehrbuch der Staats-Polizey-Wissenschaft" mit der biographischen Skizze "Meine Geschichte als Lehrer der Staatswirthschaftlichen Wissenschaften statt einer Vorrede." – 9. Oktober: Jung-Stilling wird Mitglied "der gnädigst bestätigten Leipziger ökonomischen Societät". - "Heil Marburg - daß Jung, der Gelehrte - der Dichter, der Rechtschaffenste Mann, der Unsre ist!" ruft ein Marburger Gelehrter schon in diesem Jahr aus.

  

1788 bis 1798 werden im "Hessen=Casselischen Kalender" zunächst anonym die "Erzehlungen des Bauernfreundes" von Jung veröffentlicht.

  

1789 20. Juni: Jung verliest die "Rede über den Werth der Leiden, gehalten im Kreise einiger vertrauten Freunde, am 30sten Geburtstage seiner Gattin, den 20. Jun. 1789.", die 30 Druckseiten umfasst. – Briefwechsel mit dem Königsberger Philosophen Immanuel Kant (1724-1804).

  

1790 23. Mai: Tod der zweiten Gattin. – "Stillings häusliches Leben" und das "Lehrbuch der Cameral-Praxis" erscheinen. – 19. November: dritte Heirat mit Elisabeth ("Elise") Coing (1760-1817). Vier Kinder werden in dieser Verbindung geboren.

  

1791 Die "Methode den grauen Staar auszuziehen und zu heilen, – nebst einem Anhang von verschiedenen andern Augenkrankheiten und der Cur=Art [= Behandlungsart] derselben" wird publiziert.

  

1794 Der erste Band des Romans "Das Heimweh" erscheint (vgl. 1796).

  

1795 bis 1816 erscheint in dreißig Heften "Der graue Mann, eine Volksschrift".

  

1795 bis 1801 erscheinen die "Szenen aus dem Geisterreiche" und werden bis heute neu aufgelegt.

  

1796 Der Roman "Das Heimweh" – 1794 begonnen – wird mit dem vierten Band beendet. Ergänzend wird der "Schlüssel zum Heimweh" publiziert.

  

1799 "Die Siegsgeschichte der christlichen Religion in einer gemeinnüzigen Erklärung der Offenbarung Johannis" erscheint ohne Verfasserangabe.

  

1803 bis 1807 wird in Heften "Der christliche Menschenfreund in Erzählungen für Bürger und Bauern" publiziert. 10. September 1803 Abreise aus Marburg.

  

1803 Umzug nach Heidelberg in die Steingasse. Jung-Stilling wird Berater Karl Friedrichs von Baden (1728-1811) und damit freier religiöser Schriftsteller.

  

1804 "Heinrich Stillings Lehr-Jahre" erscheinen.

  

1806 Umzug in das Schloss nach Karlsruhe, wo Jung bis 1811 wohnt. Die Familie zieht erst am 17. Juni 1807 nach in die Waldstraße 10.

  

1808 Die "Theorie der Geister=Kunde" wird in Nürnberg gedruckt. Sie ist in verschiedenen Ausgaben bis heute im Buchhandel erhältlich. – Karl Friedrich von Baden ernennt Johann Heinrich Jung vor dem 7. März zum Geheimen Hofrat in Geistlichen Sachen (vgl. 1785).

  

1814 bis 1815 erscheinen die "Erzählungen" Jungs in drei Bänden, mit einer Vorrede von Johann Ludwig Ewald (1747-1822) begleitet. – 9./10. Juli 1814 Begegnung mit Zar Alexander I. (1777/1801-1825).

  

1817 2. April: Jung-Stilling stirbt elf Tage nach seiner dritten Gattin in Karlsruhe und wird an der Apsiswand der evangelischen Friedhofs-Kapelle begraben.

  


  

Hier finden Sie Gründe, warum man sich mit Jung-Stilling beschäftigen sollte, und hier eine Anzahl von Themen, die man bearbeiten müßte.