Jung-Stilling:
Yao=Tien, eine Erzählung
Dieses Beispiel einer Erzählung Jung-Stillings erschien 1781.
Rheinische / Beiträge / zur / Gelehrsamkeit / - / Jahrgang 1781. / Erstes Heft. / Den 1. Wintermonat, 1781. / - / [... 5 Zeilen Preisangabe] / - / Mannheim / im Verlage der kurfürstl. Hof= und akademischen / Buchhandlung." - Bandtitel: "Rheinische / Beiträge / zur / Gelehrsamkeit. / - / Jahrgang 1781. / - / [Vignette] / Erster Band. / - / Mannheim, / im Verlage der kurfürstl. neuen Hof= und / akademischen Buchhandlung. / 1781.
Hier ist der Text mit allen Kustoden und Bogensignaturen usw. wiedergegeben. Weggelassen sind die in jeder Zeile wiederholten Anführungszeichen der wörtlichen Rede, sie stehen hier nur am Anfang und am Ende!
Bereits 1925 wurde der Text nachgedruckt:
[Hans] Kruse (Hrsg.): Yao Tien. Eine Erzählung von Heinrich Stilling. Aus "Rheinische Beiträge zur Gelehrsamkeit" 1781, 1. Bd., S. 39-56. - In: Siegerland. Blätter des Vereins für Heimatkunde und Heimatschutz im Siegerlande samt Nachbargebieten Bd. 7, 1925, H. 1, Januar-März, S. 2-9. (M. e. 20zeiligen Einleitung. v. Hans Kruse. - M. 1 Porträttafel von Jung-Stilling nach Lips.)
Angefügt war ein – zeitbedingter – Kommentar von:
Lic. [Karl] Hoffmann (Bearb.): Jung-Stillings "Yao Tien". - In: ebd. S. 10-17.
Hoffmann hebt ab auf die hellseherischen Fähigkeiten Jung-Stillings, die "in der gegenwärtigen Sturmperiode" (S. 13) durchaus Trost spenden, denn:
"Der oberste Zweck [von Jung-Stillings Erzählung] ist fraglos, kund zu tun, daß den beiden Völkern, den Germanen und Chinesen, die beide ihren Ursprung in den innerasiatischen Gebirgsländern sollen genommen haben, vom göttlichen Schicksal bis ans Ende der Menschheit Blüte und Leben verheißen wird. Kein Sturm bis ans Ende der Menschheit soll das Gezelt der Kinder Theuts erschüttern."
Ausgangspunkt von Jung-Stillings Erzählung ist Genesis (1. Mose) Kapitel 6 und 7. – Er schließt seine Erzählung mit den Worten:
"So begann die Geschichte des ersten chinesischen Kaisers Yao, der ein Muster eines ökonomischen Regenten war, wovon der Tschou=King uns so viel schönes erzählet. Seine Reise soll künftig folgen."
Hieraus lässt sich entnehmen, welche Quelle Jung-Stilling benutzt haben wird, zumal ein (sagenhafter ?) Kaiser Yao Kraft seiner Tugend und als Musterbeispiel des weisen Herrschers China zwischen 2342-2234 v. Chr. regierte.
Das Shujing (Buch der Geschichte), ist eine der ältesten chinesischen Chroniken aus der Zhou-Dynastie (um 1122 bis 256 v. Chr.). Es erschien in französischer Sprache – die Jung-Stilling nach eigener Aussage fließend beherrschte – im Jahr 1770:
Le Chou-king [Shu-ching/Shujing/ Shoo-king/Das Kanonische Buch der Schriften], un de livres sacrés des chinois, qui renferme les fondements de leur ancienne histoire, les principes de leur gouvernement & de leur morale ; ouvrage recueilli par Confucius, trad. & enrichi de notes par feu le P. Antoine Gaubil (1689-1759). Revu & corrigé sur le texte chinois accompagné de nouvelles notes, de planches gravées en taille-douce et d'additions tirées des historiens originaux, dans les quelles on donne l'histoire des princes omis le Chou-King par Joseph de Guignes (1721-1800), Paris: Tilliard 1770, CXLIV, 474 S. mit Ill.
Ein Auszug erschien nur drei Jahre später:
Premier extrait du journal des savans sur le Chou-King. Second extrait du journal des savans, Sur les Moyens de parvenir à la lecture et à l'intelligence des Hiéroglyphes Égyptiens par Joseph de Guignes. – In: [Cibot, Pierre Martial:] Lettre de Peking. (Bruxelles) 1773.
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IV. Yao=Tien, eine Erzählung.
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Von Heinrich Stilling.
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Auf der felsigten Spize des Ararats sah man nordwärts braunschwarz das Wunderschiff des Noa
C 4 aus
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aus welchem der Urvatter der verneuten Welt herab, in die mittägigen Thäler Armeniens gestiegen war. Dort sah man etwas mehr östlich den breiten Hügel, mitte auf demselben eine Zeltenstadt, mitten inn ragte ein gröseres Zelt hervor, in welchem der Erzvatter wohnte, wo er Sem und Japhet segnete, Cham und Canaan aber verfluchte. Segensvoll vermehrte sich sein Geschlecht, Heerden von Kindern hüften umher, wie die jungen Lämmer, alle Stammvätter zukünftiger Geschlechter; Stammvätter nachfolgender, heidnischer Göttergeschlechter.
Muthwilliger und unternehmender hüften die Kinderheerden Chams, sie erreiften früher, wie andere, Samen waren sie, auf einen Felsen gesäet. Freilich breitete sich binnen einem Jahrhunderte die Menschheit ziemlich weit aus: allein arm an Erfindungen, a, Ackerbaue und Viehzucht, arm an Künsten und Werkzeugen, fand sich doch in der Mitte der bevölkerten Gegenden Mangel. Der Raum wurde zu klein, und die verschwisterten Geschlechter dulteten lieber Mangel, als traurige entfernung, die Mutter des Heimweh's.
Cham, der Erzvatter mit seinen Söhnen, mit seinen Tausenden von Ur= und Ur=Urenkeln, fühlte seines Vatters abgeneigtes Herz, und den Gedanken seines Fluches, wie einen Berg auf seine Sele [sic; Seele]
gewälzet,
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gewälzet. Ihm behagte es nicht mehr, das Denkmal der Vorwelt, das friedliche Gemach zu sehen, worin er zu siebend des Vatters Erzählungen von den ersten Heiligen der Welt lauschte, wo sie, achte zusammen in die Gnade des Allherrschers verhüllt, auf den langsamen Wellen der Sündfluth so ruhig und vertraut zusammen schliefen, als ein Nest voller junger Adler, obenauf der unzugänglichsten Felsenspize, wenn sie der hellaugichte Vatter unter seine breiten Flügel hüllt und wärmt. Sie stecken dann auch ihre kleine Krummschnäbel unter den keimenden Fittig, und die purpurfarbenen Augenhäutchen überziehen die glänzenden Sonnenschauer.
Cham und das Heer seiner Lenden, war nicht mehr durch das Band der Liebe an das Haus Noa gebunden, in dessen Schoose der ruhige Sem, der Liebling des Vatters, seiner Schaafe und Lämmer pflegte. Cham nahm Abschied von seinem Vatter, und empfieng doch noch einen Segen, als der Erstling der Königreiche, des Flores un der Verfeinerung, so wie ihn dessen Fluch zum Erstlinge der Verwüstung und der Knechtschaft gemacht hatte. Er wandte sich mit seinen Tausenden mittagwärts; wo lachende paradiesische Gegenden, die Ebenen von Sinear, mit ihren mächtigen Strömen, dem Euphrat und dem Tiger [sic; Tigris], blühenden Segen auf die Zukunft versprachen. Hier breitete sich Cham aus.
C 5 Hier
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Hier erhub Nimrod sein Haupt. Aus einem Menschenbeschüzer, indem er sie von dem Rachen der Löwen und Tiger erlöste, ward er ein Tyrann und Menschenherrscher. Hier lagerte sich Chams Geschlecht dem Himmel gegen über, und die Monarchie baute ein Heerlager und Bollerke, das Heerlager Gottes zu bestürmen, Babylon und seinen Thurn. [sic; Turm] Aber Verwirrung der Sprachen, und Uneinigkeit zerstäubte Chams Geschlecht, und selbst der alte Stammvatter und sein Liebling Mizraim zogen weiter, und gründeten Egipten [sic; Ägypten]. Wir wollen diese Völker erreien und verschwinden lassen, und uns zu unserm Zwecke lenken.
Unter Japhets und Sems Geschlechtern waren viele einzelne Greise, Jünglinge und Knaben, welche zuweilen nach dem Zelte des Erzvatters wallfahrteten, um seine weisen Lehren, um die Geschichte der Vorwelt zu hören. Viele Geschlechter aber verliesen die mütterlichen Gegenden, und zogen sich in die Ferne, besonders giengen die Söhne Japhets mitternachtswärts, und erfüllten die scytischen Wüsteneien.
Gomer, Japhets Sohn, hatte zween Stammfürsten Aschkenas und Riphat gezeugt, welche in den nördlichen Gegenden Armeniens mit ihren zahlreichern Heerden wohnten. Beide hatten unter ihren Kindern einen Liebling, Aschkenas den
Theut,
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Theut, und Riphat den Yao. Gern hätten sie Vatter Noas Segen über diese muntern Jünglinge herabgebetet; sie besuchten sich daher mitten in einem dunkeln Eichenwalde, wohin sie durch ihre Hirten beschieden hatten.
Diese zween Männer, Aschkenas und Riphat [Sic; ,] lang und stark, voll vom Königsblute, das aus ihren Lenden hervor sprossen sollte, bückten sich schon morgenländisch in der Ferne. Patriarchalisch küßten sie sich, und sezten sich an den Fus einer Eiche; ihre Rede war feierlich, wie's Männern geziemt, die noch so nah an einen Mann gränzten, der persönlich mit Gott reden durfte, und den Gott würdigte, mit ihm zu reden. Theut und Yao waren mit gegangen; auch sie hatten sich mehr gesehen, ihre Schafe zusammen geweidet, und am Bache getränkt. Freundlich küßten sie sich auch, und sezten sich, um die Vätter reden zu hören.
Riphar, Wann sahst du Noa? fragte Aschkenas mit gesenktem Haupte.
"ich sah in zulezt, Aschkenas! als ich in mein Thal zog, und mich weiter von ihm entfernte. [sic; "]
War Noah freundlich?
"Er sas unter dem grosen Baum bei seiner Hütten. Vor ihm spielten Knaben und Mägdchen: Mit heiterm tiefsinnigen Blicke sah er in den Kindern die Saamen der Zukunft. Mich sah er in
"der
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der Ferne; und als ich mich nahte, strich er mit der Linken seinen schneeweisen langen Bart; die Rechte aber streckte er nach mir aus, indem er aufstand, hinstand, wie der Fels an meinem Berge, wenn oben an seiner Spize bei dem Aufgange der Sonne ein Neben ruht, der sich in ihren Stralen ergözt. Viel sprach er mit mir, streckte seine Hand nach Sonnen Aufgang, aber seine Worte waren mir ein Geheimnis. " Wann sahst du ihn, Aschkenas? "Ich sah ihn, als meine Frau starb, und ich hingieng, Trost zu holen. "
"War die Noa freundlich? [sic; "]
"Wie der Vollmond am Frühlingsmorgen, wenn er noch hoch steht, der grauende Tag noch zweifelhaft ist. Ich traf ihn am westlichen Bache auf dem grünen Rasen ruhend; zu seinen Füsen saß Sem, und horchte hohe Reden, vom unsichtbaren Gott, und von seinem Dienste, auch mir stand er auf, und, und fragte nach meinen Kindern, ob sie fromm seien; dabei schaute er gegen Mitternacht, und sein Blick ward heiter, wie wann ein breites ruhiges Gewölk die lezte Hälfte des Tages über die Sonne verdeckt hat, eine Stunde vor Abend aber kömt das Ende des Gewölkes mit einem breiten glänzenden Saume hinter meinen Bergen herauf, nun tritt die Sonne hervor, und Berg und Thal lacht, und ruht in ihren Stralen. Ich nante ihm Theut, und da lach=
ten
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ten seine Augen so froh, und nachdrücklich sprach er: Eine Welt voll Gottesknechte!!! Mir wars, als wenn ich empor gezogen würde, und einen dunkeln Blick ins Heiligthum gethan hätte.
Theut, der hohe Jüngling stand hier auf, gieng und stand, gieng wieder und stand, und schüttelte seine Glieder; Geistes Drang und hoher Muth streckte alle seine Muskeln.
Yao sas indessen stumm und wartend, sein Aug hieng an Riphat, wie ein Magnet, um Noas Gedanken von Yao aus seiner Sele zu ziehen. Ja, sagte Riphat, auchich gedachte meines Yao vor ihm, da wars, als er gegen Morgen schaute; heiter ward's, und mit tiefem Blicke stand er, und schwieg. Yao, fieng er endlich an, friedfertig wie ein Heerdenführer, der Schaafe und Lämmer weidet, soll zuerst den Tag grüsen, und wie Thau aus der Morgenröthe soll ihn Hülle und Fülle umgeben; aber er sagte noch mehr, das ich nicht verstand.
Nun stund auch Yao auf, stand Theut gegen über, und beide Jünglinge sprachen von Noa und wünschten ihn zu sehen.
Aschkenas und Riphat aber gaben sich die Hände, stunden auf, und beschlossen, am dritten Tage mit ihren Lieblingen zu Noa zu reisen.
Des dritten Tages früh Morgens zogen beide
Stamm=
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Stammvätter aus, sie hatten ihre besten Früchte auf Esel geladen dem Erzvatter zum Geschenke. Knechte giengen viele mit Keulen bewafnet mit, um den Zug vor wilden Thieren zu schüzen. Aschkenas und Riphat hatten sich beschieden, daß sie auf einer Höhe diesseits der Arche sich treffen, und einer den andern erwarten wollte.
Am fünften Tag des Abends lagerten sie sich auf einen niedrigen Hügel, von wannen sie die Arche droben auf einer Vertiefung des Gebirges sehen konten. Theut und Yao wären gern hingestiegen, um den Bau zu sehen, aber die Vätter eilten zu Noa. Bei der Rückreise entschlossen sich alle hinzugehen, und zu beten. Dies begann schon zu der Zeit eine Gewohnheit zu werden.
Am sechsten Tage des Morgens sahen sie von ferne das Lager Noa. Nun sandten sie Knechte ab, und liesen dem Erzvatter ihre Ankunft wissen. Sem kam ihnen entgegen, segnete und küßte sie, und führte sie zum Gezelte des grosen Altvatters, er sas vor seiner Hüttenthür an der Sonne. Bei nahe 900 Jahr hatte er gelebt, und noch war er stark, etwa ein sechzigjähriger Greis; sein Bart hieng ihm im Schoose, zierlich gelockt, und ein Wald voll silberweiser Haare, wie sein Bart, kräuselte sich um seine Schultern. Er war lang, seine Stirn breit und hoch, etwas länglich sein Gesicht,
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die Wangen leicht röthlich gesprenkelt, seine Lippen holdselig und lächelnd, seine Augen heiter, wie eines Mannes, der viel erfahren hat, zuversichtlich, und gewohnt, aufwärts zu blicken.
Er stand gegen seine Urenkel auf, segnete sie hoch, und sah die Jünglinge, Theut und Yao. Wer sind diese Knaben? fragte Noa? Aschkenas antwortete: das sind unsere Kinder Yao und Theut, wir bringen sie dir her, Vatter! daß du deine Hände auf sie legen möchtest. Trettet her, ihr Knaben, sagte Vatter Noa. Sie kamen, und ihr Herz wallte ihnen. Denk, sagte Theut geschwind zu Yao, welch ein Mann Gottes, der Vatter aller Menschen! mir schauert die Haut. Mir auch, sagte Yao. Der Erzvatter herzte und küßte die Jünglinge, er hielt sie beide in seine Arme geschlossen, sah gen Himmel und sprach: Jehovah! das fühlte ich nie beim Willkomme meiner Kinder. Segne sie. Weltausdauernd seien ihre Geschlechter, wie der Ararat, und deine Arche ruhe auf ihren Schultern. Noch eine Weile schaute er auf, und dann einen tiefen Blick auf Theut; aber nun sagte er nichts mehr. Noch einige Tage blieben Aschkenas und Riphat. Als sie wieder Abschied nehmen wollten, und Noa sie gesegnet hatte, sagte er zu ihnen: eure Knaben, meine Söhne, sollen bei mir bleiben, Gott will sie zu den grösten Fürsten der Welt machen; last mir
sie,
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sie, daß ich ihnen sage, was sie thun sollen. Aschkenas und Riphat dankten dem Erzvatter, weinten an dem Halse der Jünglinge, und zogen ihre Strase. Theut und Yao aber blieben in Noas Hause.
Nach einiger Zeit rief Noa die Jünglinge zu sich. Hört mich, meine Söhne! sprach er: wählt euch jeder ein Geschäft, das ich euch anvertraue, damit ich sehe, was Gott mit euch vorhat! sag mir Theut, was wählst du dir?
Vatter, antwortete Theut, ich wähle mir deine Ochsen und Kühe, daß ich sie in der Wüste umher weide, und die ganze Heerden brauner Kälber, und Mich und Butter bringe, an der sich deine Sele labe. Noa fragte weiter: Wenn dir aber Löwen, Bären und Tieger deine Saugkälber haschen, und vor deinen Augen verzehren? Vatter, erwiederte Theut, ich werde ihnen die Köpfe mit meiner Keule zerschmettern. Gehe hin, mein Sohn! sagte Noa: hüte meine Rinder, Gott gebe dir viel Segen! Komm her, Yao, welch Geschäft willst du, das ich dies vertraue?
Vatter! versezte Yao, gieb mir Rinder, Schaafe, Ziegen und Esel, und jenes flache schöne Thal; da will ich mir Hütten aufschlagen, und das Land bauen. Siehe den breiten schönen Bach, er soll mir meine Felder wässern; dort will ich wohnen.
Noa antwortete ihm: Wie wenn aber die Ge=
walt=
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waltthätigen von Mittage herkommen, und dir dein Vieh rauben, deine Ernden zerstören, oder wilde Thiere deine Heerden verlezen?
Yao versezte: ich will Graben um meine Güter her ziehen, sie bewachen, und Zäune; starke Zäune um meine Heerden ziehen, und wenn Gewaltthätige kommen, so will ich friedlich mit ihnen reden, ihnen einen Theil meiner Güter geben, oder meine Knecjte versammeln, und sie abtreiben. Noa sagte: Gehe hin, und thue, wie du gesagt hast, bete, und Gott wird dich schüzen.
Nun giengen die Jünglinge, ein jeder an sein Geschäfte. Täglich hörte man von Theuts Thaten; wie er die wilden Thiere bezwang, und Gott seine Heerden segnete, so daß er gros und mächtig ward. Yao breitete sich gleichfalls aus, und schuf sein Thal zum Paradiese um, so daß alle arme und nahrlose Familien zu ihm zogen: er wies ihnen Land und Weide an, und sie wurden friedfertige Hüttenbewohner. Theut aber weidete in der Wüsten, er liebte die dunkle Wälder, jagte das Wildpret, und liebte das Fleisch der Hirschen und Rehe, auch zu ihm sammelten sich rasche, thatvolle Männer, die den Wald liebten. Theut und Yao suchten sich Mägdchen aus Noas Hause, heuratheten, und zeugten Kinder und Kindeskinder, so daß ihre Geschlechter zu gros waren, um bei der Urquelle der Menschheit
Rh. Beitr. 1. Heft, 1781. D zu
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zu wohnen. Indessen nahte sich Noa's Ende, er lies die beiden weidlichen Männer Theut und Yao zu sich rufen, und sprach zu ihnen:
Höret mich, ihr Kinder Japhets, ich sterbe. Gott hat mir offenbart, was er über euch beschlossen hat. Trettet her, ich will euch lehren den Weg, dem ihr wandeln sollte, damit es euch wohl gehe.
Die Menschen der ersten Welt vergasen Gott ihren Schöpfer. Kains Mord erbte auf seine Kinder, Blutvergiesen herrschte über dem Erdboden, und endlich wuste man Gottes Lehren, seine Weisheit nicht mehr. Adams Geschlecht war ein Geschlecht reisender Thiere geworden, der Zorn Gottes entbrante, und ich und mein Haus blieben allein übrig. Mein Geschlecht vermehrt sich in viel tausend mal tausen, und immer sehe ich wieder Menschen der Vorwelt; sie arten wieder aus, und vergessen ihres Gottes. Er wird seinen Bund halten, so lang der Regenbogen in den Wolken gesehen wird: aber Gerichte werden einzelne Völler treffen, sie werden ausgerottet werden, und man wird ihre Spur nicht mehr finden.
Du bist mächtig und muthig, Theut, du wirst deine Kraft auf deine Kinder erben, bis ans Ende der Welt, sie werden ein Stammvolk bleiben, undihr Gezelt wird kein Sturm erschüttern, in den lezten Tagen wird sie ein Licht vom Aufgang her er=
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leuchten, und dein Geschlecht wird Gottes Stadt und Tempel bleiben ewiglich. Gehe hin, Theut, und suche Mitternacht und Abend bis ans äuserste der Erden; aber heilig sei dir dein Schöpfer, mache ein Gesez auf deine Nachkommen, daß sie ewig den einigen Unsichtbaren allein anbeten, und ihm dienen sollen. Nun legte Noa dem Theut seine Hände auf, und segnete ihn.
Noa sprach weiter: Komm her, Yao! du friedlicher Hüttenbewohner! auch dein Reich wird fest gegründet sein bis an der Welt Ende. Verwechselungen werden dort vorgehen, aber Yao's Volk wird fest stehen, und immer bleiben, Ueberfluß und Fettigkeit der Erden wird von deinen Hütten triefen, und wie das Gras auf deinen Weiden wird dein Volk unzählbar sein. Aber befiehl deinen Nachkommen auf ewig, daß sie den einigen Unsichtbaren allein anbeten, und ihm dienen. Sammle dein Volk und Geschlecht, und zeug aus dem Lande dieser Gewaltthätigen, gegen Sonnen Aufgang bis ans Ende der Erden. Nun legte Noa auch dem Yao die Hände auf, segnete ihn, und lies ihn von sich.
Beide nahmen also nach dem Befehle ihres Vatters, ihre Heerden, und alle, die bei ihnen wohnten, und lagerten sich Morgenwärts von Ararat auf einer grosen ebene. Theut kam mit seinem Heere
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besonders, desgleichen auch Yao mit denen, die bei ihm waren. Hier lagen sie einige Zeit, und hüteten ihre Herden umher. Theuts Hirten pflegten den Ararat zu betreiben..
Nun trug es sich zu, daß einmal viele Männeer den Berg hinauf stiegen; ein ganzes Heer, welches aus dem Lande Sinear heraus zog, um bei der Arche zu opfern. Sie raubten von Theuts Heerden, und tödeten einige von seinen Hirten, die andern entflohen, und erzählten ihrem Herrn, was geschehen war. Theut entbot dem Yao, ihm beizustehen. Dieser kam mit etlichen hundert Männern, Theut versammelte auch so viele, und so zogen sie in der Stille das Gebirg hinauf, überfielen die Chamiten bei dem Opfer, jagten sie fort, und tödeten viele. Theut stand da, schaute die Arche an, neben ihm stand Yao. Was dünkt dir, Bruder! sagte der erste, wenn wir Gott ein gröser Opfer brächten, als diese Chamiten dort unten in den Feldern der Wohllust? Bald werden sie glauben, Gott wohne da in den Brettern. Er, der die Welt mit Allmacht füllt. Weist du, was Noa sagte; wie die Menschen der Vorwelt Abgötter geworden, und wie er den Gözendienst bei der Arche schon keimen sehe. Weist du, wie er wünschte, daß jemand dieses ehrmürdige [sic; ehrwürdige] Denkmal der Liebe Gottes vernichten möchte; weist du, Bruder! das alles?
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Yao antwortete, das wie sich, ich will hundert Lämmer holen lassen, du giebst hundert saugende Kälber, die wollen wir dem Herrn zum süsen Geruche auf der Arche opfern. Sie mag Altar und Brandholz sein. Ja, sagte Theut, das wollen wir, und bei diesem grosen Opfer auf der Spize des Ararats wollen wir, ich und du, einen Bund auf ewige Zeiten aufrichten, daß nie unter unsern Nachkommen der ewige wahre Gott vergessen werden soll. Aber, sagte Yao: die Chamiten werden uns wie eine Fluth überfallen, Theut antwortete: Morgen wollenwir opfern, und Uebermorgen unsere Wege ziehen.
Beide schickten ihre Knechte, und liesen hundert Kälber und hundert Lämmer holen. Zwei hundert Knechte Theuts und Yaos machten eine Brücke zur Thüre der Arche, und führten ihre Opferthiere dahinein. Theut und Yao giengen darinn herum, besahen alles, und nun führte jeder einen Ochsen hinauf. Sie schlachteten ihn da, wo Noa und seine Familie gewohnt hatten. Nachdem das Schlachten geschehen war, zündeten sie ein groses Feuer um die Arche an, und das das ehrwürdige Gebäude hell in die Luft flamte, standen Theut und Yao auf einem Felsen, nahe bei dem Opfer. Rund um sie im weiten Kreise standen die Teutonen, und ihre Stammvätter vom Sina, und schwuren für sich
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und ihre Nachkommen, den ewigen und unsichtbaren Schöpfer Himmels und der Erden treu und allein zu verehren. Hier schieden Theut und Yao von einander, ein jeder zog mit seinem Heere zu seinem Vatter. Theut nahm seinen alten Vatter Aschkenas mit seinen viel tausend Geschlechtern zu sich, und wandte sich Mitternacht und Abendwärts in die weiten wüsten Länder. Hier verlasse ich Vatter Theut, und folge dem guten Yao.
Riphat der Alte hatte die Reden seines Sohnes gehört, und was ihm Noa befohlen hatte, daher berief er alle Geschlechtshäupter seines Volkes zu sich, und erzählte ihnen Yao's Geschichte. Yao war unter Noa's Augen der mächtigste Stammfürst der Riphatiten geworden, er stellte ihnen vor, daß sie sich alle mit ihrer Haabe auf der grosen Ebene gegen Morgen versammeln möchten, und Riphat schlug dem ganzen Volke seinen Kindern den Yao zum Heerführer vor. Yao war ein groser herrlicher Mann, auf ihm ruhte Glanz der Gottheit, und alle Geschlechtshäupter neigten sich vor Riphat und Yao, und schwuren dem Yao, als ihrem obersten Geschlechtshaupte den Eid der Treue. Nun veranstaltete der Fürst des Hauses Riphat ein herrliches Opfer, und befahl, daß sich alle Männer seines Volkes, mit ihren Weibern und Kindern, Knechten, Mägden und Heerden, auf dem grosen Blach=
felde [sic; Brachfeld, Brache]
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felde gegen Morgen versammeln sollten, um ein glückseliges Land zu suchen, wo sie für sich und ihre Nachkommen wohnen wollten,
Yao nahm seinen Vatter und sein ganzes Haus mit sich, und zog zwei Tagereisen fort. Des Abends am zweiten Tag stiegen sie auf ein Gebirg, wo sie ihre Gezelte aufschlugen, und übernachteten. Am dritten des Morgens früh, vor Aufgange deer Sonnen, stund Yao auf, um hinaus zu gehen, und zu beten, er gieng einige Schritte durch den Wald auf, und sah vor sich hin das Ende des Waldes; er eilte hin, um die Aussicht zu sehen, und fand vor sich eine fast unübersehbare Weite: rechter Hand eine Ebene ohne Ende, linker Hand die Gebirge seines Volkes, und dort vor sich das grose Blachfeld zum Sammelplaze seines Volkes bestimt [sic; .] Aus dem Osten säuselte ein kühler Wind. Die Sonne fieng an, den Horiziónt zu röthen. Vor ihm auf der Ebene ruheten niedrige Nebelstreifen. Die Natur war noch jung, alles war lebhaft, einen grosen und guten Yao zum Gebet zu begeistern. Er sank hin, und betete, und plözlich stand vor ihm ein himlischer Jüngling. Yao hatte noch nie einen Engel gesehen, aber von seinen Vättern viel von ihnen gehört, das aber empfand er wohl, daß dieser Jüngling höhern Ursprunges als er war. Yao, sagte der Jüngling, Gott hat dich zum Fürsten die=
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56 Yao=Tien, eine Erzählung.
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nes Volkes gesezt, das bis ans Ende der Welt dauern soll, wirst du nun die Lehren deiner Vätter, die sie von Gott gelernt haben, befolgen, so wirst du gros und mächtig sein. Ich bin gekommen, um dich zu stärken, unsichtbar werde ich um dich sein, und dich nicht verlassen, wenn die fromm bist; sei getrost, und folge meinem Rathe. Yao fiel auf sein Angesicht, und sprach: Ich bin nicht weise genug, um ein solches Volk zu regieren. Der Jüngling richtete ihn auf, und agte: Ich werde dich lehren. Wenn du betest, so will ich dir sagen, was du thun sollst. Hierauf verschwand der Engel. und Yao war voll Vertrauen auf Gott, er fühlte sich verändert. Voll Muthes und Kraft gieng er zurück, und führte sein Volk herab auf das Feld, wo er sich mitten hinlagerte.
Nach und nach sammelten sich alle Riphatiten zu ihm, so daß ein mächtiges Heer daraus ward. Hundert tausend Mann, ohne Weiber und Kinder mit ihrem Vieh und Gütern, lagerten sich rund um ihren Fürsten her, und warteten auf seine Befehle.
So begann die Geschichte des ersten chinesischen Kaisers Yao, der ein Muster eines ökonomischen Regenten war, wovon der Tschou=King uns so viel schönes erzählet. Seine Reise soll künftig folgen.
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