Jung-Stilling äußert sich zu seinen Augenoperationen

 

Jung-Stilling schreibt

Ein Augenzeuge berichtet

 
 
 
Jung-Stilling schreibt:
 
Sehr gerne will ich das Werkzeug in der Hand des Herrn seyn, um Ihrer Frau Mutter wieder Zu ihrem Gesicht Zu Verhelfen, wenn es anders sein heiliger Wille ist.
Mit den hiesigen beyden Waysenhäusern hat es folgende Bewandnis: sie nehmen die Staarpatienten Viel wohlfeyler auf, als der hiesige Bürger oder Wirth, Kost, Logis und Aufwartung kostet im Sommer wöchentlich Zween, im Winter aber 2 ½ Gulden. Dies Geld wird Von mir gefordert, ich muß es berechnen und bezahlen. Der Irrthum, als ob die Patienten umsonst unterhalten würden, hat mich sehr Viel Geld ge= 1 kostet indem die Blinden Von weitem hieher kamen, und kein Geld mitbrachten. Doch davon schweige ich, es sei dem Herrn geweiht.
Ihre Mutter muß also 7 bis 8 Gulden mitbringen, damit bezahle ich den WundarZt, die MediZin und die Waysenhäußer, dann haben Sie noch ausserdem die Hin= und Herreise Zu bestreiten, die Sie am Besten über Siegen und Dillenburg hieher machen: dann über Lasphe und Biedenkopf ist der Weg etwas Zu Mühsam, ob er gleich um eine Stunde näher ist.
 
 
 

Ein Augenzeuge berichtet:

Christoph Friedrich Vorholz, Bürger und Besitzer des Gasthauses „Zum goldenen Adler“, war 54 Jahre als, als er in Karlsruhe am 10.06.1823 um Mittag verstarb. „Seine Redlichkeit und oft erprobte Dienstfertigkeit“ waren bekannt.

Der Zettelverwalter und spätere Oberrevisor (Carl) Theodor Obermüller (1770-01.1843) kündigt am 1823-07-14 die Fahrniß-Versteigerung des Nachlasses für den 18. und 21. Juli an.

Ebenfalls im Juli wird die Nachricht verbreitet:

„Gottsau. [Anzeige.] Da durch das Ableben des Hrn. Vorholz die Wirthschaft zum goldenen Adler eingangen, so habe ich meine Restauration in Gottsau mit meiner Familie bezogen. Ich mache es sowohl meinen hiesigen als auswärtigen Freunden, die mit mir korrespondiren, bekannt um sich nach Gottsau an mich zu wenden. Schneider, Restaurateur in Gottsau.“

Sieben Jahre zuvor übernahm der Küfermeister Karl Meier vom Gastwirt Vorholz im Mai 1816 dessen Küfergeschäft. Das Haus ging dann in den Besitz eines NN Koch über, der im Jahr 1826 vier Zimmer nebst einem Stall für drei Pferde davon vermietete.

So wird sich die Erzählung des Bäckers und Dichters Christoph Vorholz (geb. Karlsruhe 11.04.1801; gest. ebd. 1.06. n. A. 1.01.1865) vor 1817 und nach 1808 im Karlsruher Gasthof „Zum goldenen Adler“ in der Adlergasse ereignet haben.

Denn ein „C. Vorholz“, sicherlich der Bäcker und Volksdichter Christoph Vorholz (1801-1865), beschreibt 1841 „Eine Operation Jung=Stilling’s.“

„Nach Umlauf der von Stilling bestimmten Frist kam er selbst in unsere Wohnung, verkündete die nahe Ankunft des Blinden und ordnete Alles an , was zur Heilung desselben beitragen mochte. Meine theure Pflegemutter, die mir keine Bitte solcher Art abschlug, brachte an Stilling meinen heißen Wunsch [bei der OP anwesend zu sein; Me]. Ich wurde ihm vorgestellt und er lohnte mein Verlangen mit einem sanften Zugeständnisse, während er mir zärtlich Wangen und Kinn strich. Wer war glücklicher als ich? mit welcher Genauigkeit ordnete ich zum Theil, was Stilling gewünscht halte. Die Fensterläden wurden dicht verschlossen, die Vorhänge heruntergelassen. Nach wenigen Tagen kam der junge Mann; er wurde liebreich empfangen und in sorgliche Pflege genommen. Für die Küche war die strengste Diät vorgeschrieben, die Nahrung des Patienten durfte nur in dünnen Wassersuppen und in Zuckerwasser bestehen. Ich bediente ihn und zwar mit einer Aufmerksamkeit, über die ich, mich heute noch freue. Nach vierzehn Tagen wurde dann beschlossen, des andern Nachmittags den Stich vorzunehmen. Stilling ermahnte den Fremden zum Gebet und zur Ruhe und gab ihm den süßen Trost, daß er zuversichtlich hoffe, ihm wenigstens ein Auge zu retten.

Der bestimmte Tag und die Zeit kamen heran. Es war ein Donnerstag, ich werde es nie vergessen. Stilling erschien und mir pochte laut das Herz. Wir empfingen ihn im Erdgeschosse. Der Patient lag im abgelegensten, ruhigsten Theil des Hauses. Jung befahl, daß während der Operation alles Geräusch, besonders in der Nähe des Krankenzimmers sorgfältig zu meiden sey, bestellte zwei Lichter und sagte: so komme denn mein Sohn! es war ein heiliger Gang. Die hohe, ehrwürdige Greisengestalt mit dem silberweißen Haare, den feurigen Blicken und in Festkleidern nach damaliger Sitte, im Frack mit langen Schössenn, vornen kurz, so daß die Weste weit hervorschaute, kurze Hosen, seidene Strümpfe, und Schuhe mir Schnallen. Eine goldene Uhrkette hing schwer über seinen Leib herab, den Hut trug er in der Hand und seine Haltung war etwas gebückt. So wandelten wir die Hintertreppe des Hauses hinaus nach dem Ziel meines Wunsches. Die Thüre ward verschlossen, es war eine feierliche Stille. Stilling zog seinen Apparat aus der Tasche, ordnete ihn auf den Tisch, in dessen Nähe mitten im Zimmer der Blinde Platz nehmen mußte, abgekehrt von den verhängten Fenstern. Er setzte den Patienten zurecht, stülpte den Rockärmel zurück und befahl ernstlich „ Stille "  Am linken Auge wurde der Anfang gemacht, Stilling sperrte es weit auf, ergriff die Lanzette — Ruhe in Gottes Namen, gebot er — sie bewegte sich und eben so schnell fühlte ich etwas auf meiner Hand, welche ich dem Blinden unter das Auge Hallen mußte. Sehen Sie mich? frug Stilling . Der Operirte sagte freudig ja und Jung sprach: so sey Gott gelobt! Nun besah ich den Inhalt meiner Hand. Es war ein weißes Häutchen, etwas dicker als eines unter den Eierschalen. Rasch ging es nun an das andere Auge, eben so glücklich war der Stich, doch erklärte der Gerettete, daß er mit diesem Auge nicht so gut gesehen. Es waren Werke des Augenblicks! Die Augen des Kranken wurden nun mit leinenen Bäustchen belegt und er mußte sich mit vieler Ruhe äußerst streng an seine Diät halten. Nach und nach gewöhnte man ihn an das Licht des Tages und an nahrhaftere Speisen. Nach vier Wochen durfte er ausgehen mit einem Lichtschirm und von der Sonne gerichtet. Bald darauf verließ er Karlsruhe und eilte, tausend Segnungen für Jung Stilling und unser Haus erflehend, in seine Heimath. In wenigen Jahren erfuhr ich, das rechte Auge sey wieder erblindet und bald darauf auch das linke.“

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Siehe auch hier.