Die Beiträge von Johann Philipp Becher und
Johann Heinrich Jung(-Stilling) im "Schlözerschen Briefwechsel" in den Jahren 1781–1782
 
 
 
 
 
O Geschichte des Nassau=Siegen'schen Stal= und EisenGewerbes
 
O Statswirtschaftliche Anmerkungen über das HammerschmiedsEisen= und Stal=Gewerbe des Siegerlandes
 
 
 
 
Grundlegend dazu auf der Basis eines von mir entdeckten Aktenfaszikels:
Karl Heinrich Stamm: "Ein Patriot darf zuweilen Klage füren." (Johann Heinrich Jung). Zur Kontroverse zwischen Jung-Stilling und Johann Philipp Becher um die Darstellung des Siegerländer Eisengewerbes. – In: Siegerland. Blätter des Siegerländer Heimat- und Geschichtsvereins e. V. Bd. 80, H. 2, 2003, S. 97-106 (m. 1 Abb. des Geburtshauses.) [Erschienen am 5. Dezember 2003.]
 
In zehn Bänden erschien von 1776 bis 1782 der "Briefwechsel" von August Ludwig von Schlözer (1735-1809), der großen Einfluss auf die Entwicklung der öffentlichen Meinung und die deutsche Publizistik hatte. Heute finden sich alle Bände des "Briefwechsels" als Scannung unter der URL http://www.ub.uni-bielefeld.de/diglib/schloezer/briefwechsel/.
 
In diesem Schlözerschen Publikationsorgan schrieb ein Anonymus, der als Johann Philipp Becher (1752-1831) identifiziert werden konnte, den im Folgenden nachgedruckten Aufsatz.
 
In dem Werk
 
Christian Daniel Vogel: Archiv der Nassauischen Kirchen= und Gelehrtengeschichte. Bd. 1. Hadamar u. Coblenz: Verlag der neuen Gelehrten=Buchhandlung 1818. [Mehr nicht ersch.]
 
wird S. 174-183 über Johann Philip Becher berichtet. Es heißt dort S. 178 f. selbsbiographisch:
 
"Als Schriftsteller trat ich zuerst 1779 *) anonym auf, in dem Schreiben eines Siegerländers an den Herrn Professor Jung (damals in Lautern) zur Berichtigung sei= [S. 179:] ner Geschichte des Nassau=Siegnischen Stahl= und Eisengewerbes. *) Auf Veranlassung der Regierung schrieb ich i. J. 1780 eine weitere Widerlegung, die in den Schlözerischen Staatsanzeigen eingerückt ist. **) Diese allarmierte die Kameralschule in Lautern so sehr, daß sie mich bey der Regierung verklagte, auch an Schlözer deswegen sehr empfindlich schrieb, worauf eine bittere Antwort erfolgte. Da man mich hier zum Wideruf weder anhalten konnte noch wollte; so vertheidigte sich Jung und Medicus in de Schlözerischen Staatsanzeigen ***) sehr heftig. Ich antwortete hierauf, das aber Schlözer nicht einrückte. Er schrieb [S. 180:] mir höflich und verbindlich deswegen: sagte, er könne seine Anzeigen zu keinem champ de bataille machen; und damit hatte dieser Streit ein Ende."
 
Die Anm. lauten S. 178 zu Publikationen Bechers vor diesem Jahr zur Wünschelrute; dann S. 179:
 
"*) Giessen bey Krieger 1780. 8.
**) Heft XLVII, 273 – 306 und XLVIII, 391.
***) Heft LV, 56-93."
 
Innerhalb des Textes der Entgegnung wird von "B." gesprochen; schon damals hatte sich der Autor also feststellen lassen.
 
Auf die Verdienste des Pfarrers Christian Daniel Vogel (1789-1852) um die nassauische Heimat- und Geschichtsforschung kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Seine Hauptwerke sind „Historische Topographie des Herzogthums Nassau“ (1836) und „Beschreibung des Herzogthums Nassau“ (1843). Über die Darstellung im o. g. „Archiv der ... Gelehrtengeschichte“ hinausgehendes Material zu Becher kann in Vogels umfangreichem Nachlaß vermutet werden, der im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden verwahrt wird (Abteilung 1001).
 
Dieser vorliegende erste Text zitiert S. 279 ein anderes anonymes Werk, aus dem der Autor nur "hier widerholen" will, was dort schon geschrieben stand. Auch dieses zitierte anonyme Werk stammt, wie bei Vogel oben nachzulesen, von Becher. Es ist wiedergegeben mit seinem vollständigen Text und Erläuterungen unter diesem Link. [Text Becher]
 
Die Texte Bechers und Jung-Stillings werden hier wiedergegeben mit allen Kustoden, Bogensignaturen usw. In eckigen Klammern […] finden sich Hinweise und Erläuterungen. Die Korrekturen durch "F." wurden je an den betreffenden Stellen in eckigen Klammern vermerkt.
 
Siehe auch:
[Ortwin Brückel / Alfred Marenbach / Erich Mertens:] Johann Philipp Becher – Ein Lebensbild. Sein anonymes Schreiben an Professor Johann Heinrich Jung (-Stilling) löste vor 225 Jahren einen Gelehrtenstreit aus. Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Jung-Stilling-Gesellschaft e. V. vom 15. November bis zum 27. November 2004. Siegen: Univ. Siegen 2004. ISBN 3-9809821-0-6 = Veröffentlichungen der Universitätsbibliothek Siegen Bd. 6. (Vgl. die Presseberichte http://www.ub.uni-siegen.de/expo/becher/041116sz.jpg und http://www.ub.uni-siegen.de/expo/becher/041117wp.jpg.). - Ergänzend dazu siehe den Nachruf auf Becher hier.
 

Ergänzende Mitteilungen durch Ortwin Brückel:

 
Zwei weitere Werke Bechers sind zu verzeichnen:
 
Ueber die Entdeckung von Kunstprodukten in der Braunkohlenformation auf dem hohen Westerwalde und in Böhmen. – In: Das Gebirge in Rheinland-Westphalen nach mineralogischem und chemischem Bezuge [Hrsg.: Jacob Nöggerath], Bd. 3, Bonn: Weber 1824, S. 174-183.
 
Anleitung zur Abschätzung metallischer Rohstoffe. – In: Karstens Archiv 1829, S. 22-23. = Carl Johann Bernhard Karsten (geb. Butzow in Mecklenburg 26.11.1782, gest. Berlin 22.08.1835): Archiv für Bergbau und Hüttenwesen. Berlin: Reimer 1818 - 1831, dann aufgegangen in: Archiv für Mineralogie, Geognosie, Bergbau und Hütten-Kunde (mit H. v. Dechen). Berlin 1829-1854. – (Zit.: Fritz Spruth: Die Siegerländer Silber- und Kupferhütten. Ein Beitrag zur Bergbauarchäologie. Bochum: Dt. Bergbaumuseum 1990, ISBN 3-921533-45-7 = Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum zu Bochum Bd. 47, S. 79.).
 
 
 
 

Anzeigen im Register und Inhaltsverzeichnis

 
Der "Briefwechsel" verzeichnet die Aufsätze im Inhaltsverzeichnis und im Register wie folgt:
… Inhalt Heft XLVI.
Heft XLVII. 23 Apr. 1781.
*47. Stats= und Landwirtschaftliche Nachrichten von
Nassau Siegen: eine Verteidigung gegen Hrn.
Prof. Jung in Lautern - - 273
Das viele Polemische und Bergmännische in die=
sem Aufsatze, ist freilich dem Plane dieses Briefwech=
sels nicht gemäß: aber solches von dem Statswirt=
schaftlichen zu scheiden, wa [sic; war] weder tunlich, noch hatte ich die Erlaubnis dazu.
Die GegenSchrift kommt unten Heft LV."
Neue Seite:
Register.          7
…, Spalte 2
Prof. Jung zu Lautern, von
NassauSiegensch. EisenWer=
ken, berichtigt.
XLVII 273-306. XLVIII, 392
- Verteidigung. LV, 56-93.
 
 
 

Bechers Text im "Briefwechsel" S. 273 ff.:

 
==          273
A. L. Schlözer's
Briefwechsel
XLVII Heft.
==
47.
Dillenburg, 4 März 1781.
Stats= und Landwirtschaftliche Nachrichten von Nassau=Siegen:
eine Verteidigung gegen Hrn. Prof. Jung.
Der Hr. Prof. Jung bei der Cameral=HohenSchule
zu Lautern, hat eine "Geschichte des Nassau=Siegen=
"schen Stal= und EisenGewerbes, und Statswirtschaftliche
"Anmerkungen über das HammerschmiedsEisen= und Stal=
"Gewerbe des Siegerlandes, mit einer Beschreibung der
"Methode des Stabschmiedens", in die Bemerkungen
der Kurpfälzischen physikalisch=ökonomischen Gesell=
schaft von den Jaren 1777 und 78, und zwar die Ge=
schichte &. in den 1sten Jargang S. 106-225, die
Statswirtschaftlichen Anmerkungen aber in den 2ten, von
S. 321 bis Schluß desselben, einrücken lassen. Es erfo=
dern diese um so mer eine Anzeige und genaue und unpar=
teiische Beurteilung, als sie durch die darinn vorkommende
zuversichtliche Raisonnements, den freien Tadel, den Schein
von Gründlichkeit, und das Air von SachKenntnis, das
sich der Hr. Verf. – mit großer Selbstgefälligkeit – zu
geben weiß, bei Lesern, die keine genaue Kenntniße und Ein=
sichten in Berg= und HüttenwerksWissenschaften, vornäm=
lich aber in das individuelle und lokale des Siegenschen
Berg=, Hütten=, und HammerBetriebs, haben, falsche
und unvorteilhafte Begriffe der abgehandelten Gegenstände
erzeugen können. Man wird hierin mit der größten Unpar=
          VIII. Heft 47.          T          tei=
Neue Seite:
724          Th. VIII. Heft XLVII
teilichkeit und aller WarheitsLiebe zu Werk gehen, und den
wirklichen Verdiensten des Verf. in allen Stücken Gerech=
tigkeit widerfaren lassen. Ueberhaupt wird man nur die in
diesen Piecen befindliche offenbare Feler, Unrichtigkeiten, und
die daraus hergeleitete falsche Folgerungen, aus Achtung für
das Publicum berichtigen, damit dieses nicht unrichtige
Kenntnisse sammlen, und durch den guten Vortrag hinge=
rissen werden möge, die Bemerkungen des Verf. als Tatsa=
chen zu glauben, und die Grundsätze dieses wichtigen Gewer=
bes nach dessen Daten zu beurteilen.
Zuvor nur noch einige ganz kurze Bemerkungen über
die durchlebte Situation des Hrn. Verf., und denn zur
Sache selbst: jene mer zur Entschuldigung der in diesen Ab=
handlungen begangenen Feler, als seine Fähigkeiten zu be=
zweifeln, und ihm an seinen sonstigen gerechten Prätensionen
auf Verdienst, den mindesten Abbruch zu tun. – Der Hr.
Prof. Jung ist einer von den außerordentlichen Menschen,
Würdigung, Charakterisierung.
welche zu Lob und Tadel gleich vielen Stoff geben; den man
erheben und verachten kan, ohne die Gerechtigkeit zu belei=
digen; der sich auf so verschiedenen Seiten gezeigt hat, daß
er bald mit Ruhm, bald mit Spott, aufgenommen worden.
Man durchgehe seine Schriften, von Davids Schleuder an,
 
Die Schleuder / eines / Hirtenknaben / gegen den / hohnsprechenden Philister / den Verfasser / des / Sebaldus Nothanker / von / Johann Heinrich Jung, / Doktor der Arzneygelehrtheit in Elberfeld. / [Vignette] / - [Linie fett/mager 69 mm] / Frankfurt am Mayn / bey den Eichenbergischen Erben / 1775. – Der Text findet sich hier. [Text Schleuder]
 
bis auf diese Aufsätze in den Schriften der ökonomischen Ge=
sellschaft: und man wird diese Bemerkung durchaus begrün=
det finden. Er gab sich von je her einen großen, zu viel=
fachen WirkungsKreis, und mischte sich in Fächer, die nicht
die seinigen waren: daher rüren denn größtenteils seine Fe=
ler. Alles was dem Verf. nicht goutirt, oder was er seinen I=
deen nicht angemessen findet, die er sich von Sachen schaffet, deren
ganzen Zusammenhang und Verbindung er, aus Mangel der Ge=
legenheit, und vielleicht auch aus unzureichender Kenntniß, nicht
einzusehen vermag: darüber verbreitet er gar gern seinen
ganzen Tadel. – Dieses ist wirklich etwas charakteristisches
an ihm; und zur Beurkundung dessen, beziehet man sich
auf die Schleuder eines HirtenKnaben und die Ro=
mane
Neue Seite:
47. Nassau=Siegen.          275
mane des Verfassers. Er hat eine lebhafte Empfindungs=
Kraft, ziemlichen BeobachtungsGeist, und viele Wißbe=
gierde. Er besitzt die Gabe, sich naiv und kernhaft auszu=
drücken. – Allein zu einigem Grad von Gründlichkeit in
den Wissenschaften, haben die öftere Abwechslungen seines
Standes und Berufs, ihm nicht erlaubt zu gelangen. Es
haben alle Teile der Wissenschaften, worinn er sich Kennt=
niße anmaßet, nicht mit der behörigen Muße von ihm studirt,
noch die erfoderliche Vollkommenheit darinn erlangt werden
können. Er ist über die Oberfläche derselben weggeschlüpft,
und glaubt nun mit großer Selbstgenügsamkeit (die man
nur gar zu oft bei sogenannten Autodidakten findet), ein
UniversalGenie, ein Licht seines Jahrhunderts, zu seyn. An
Lektüre in BergwerksWissenschaft fehlt es ihm, wie aus dem
Verfolg erhellen wird, fast gänzlich. Er weiß nicht, was
andre in dieser Wissenschaft schon beobachtet und erfunden
haben; er kennt diese weder in der Theorie, noch viel weni=
ger in der Anwendung.   Aus diesem GesichtsPunct den
Hrn. Verf. betrachtet, wird das Publicum schon vorher be=
stimmen können, was er in diesen Wissenschaften leisten,
und man von ihm erwarten möge.
S. 167 nennt er sich den ersten Schriftsteller seines
Vaterlands. Es wird sich dieses nur, wie ich vermute, auf
diese Berg= und HüttenWerksBeschreibung, also blos
auf das mineralogische Fach, beziehen sollen: sonst zeigt er
hier eine große Blöße in der vaterländischen, oder überhaupt
in der gelerten Geschichte. Denn allerdings hat das Sie=
gensche Schriftsteller gehabt: Monachus Erswidensis
 
Evtl. Anton Monachus: Tractatus de executione in vestibus. Coloniae 1626.
 
Knuttelius, Naurath, Heeser, Ravensberg, Heidfeld,
 
Johannes Knüttel: Hymnus de resurectione domini nostri Iesu Christi es morte, scriptus ad venerandum virum eruditione & virtute prestantem … Leonhardum Wagnerum, Pastorem Ecclesiae Sigenis, dominum suum reventer colendum A Iohannes Cnütelio Sigensi. [o. O.] 1559.
Martin Naurath: Tractatus duo singulares : quorum primus est de rationariis von berechneten Dienern, alter iuris subditorum hypotyposis. Ed. 3. Giessa Hassorum 1676. – Henricus Zoesius: Commentarius ad digestorum seu pandectarum iuris civilis libros L. redditus Mart. Naurath. Colobiae Agrippinae: Off. Metternichiana sub signo Gryphi 1745, 8°, Bd. 1-2 1745, mit Kupfern = Henr. Zoesii Amersfortii commentarius ad digestorum …
Heidfeld: Quartum renata, renovata ac aliquanto ornatius etiam, quam nuper, exculta sphinx theologico-philosophica : promens et proponens pia, erudita ac arguta aenigmata sive scrupos ex variis & quamplurimis, tum sacris tum profanis authoribus sedulò comportatos ... adornavit & in theatrum iterum produxit Johannes Heidfeldius. Herbornae Nassoviorum 1604; 652 S.
De actis iudicialibus Johann Heinrich Heeser. Herbornae: Andreae 1689, 244 S.
Hermann Ravensperger: De libro ... Hvgonis Grotii ... cvi titvlvs est: Defensio fidei catholicaede satisfactione Christi adversus Faustum Socinum Senensem / Herman. Ravenspergeri. Groningae: Sassius 1617, [17] Bl. - _Jo. Justi Ravensbergii opusculum de contitionibus conventionum etultimarum voluntatum. Jenau 1752, 538 S.
 
und Irlen, unter den Alten; Coing, Hampe, und Dres=
 
Evtl. Johann Franz Coing: Dissertatio philosophica_ de veritate religionis christianae, ad legescertitudinis moralis evicta. Herborn 1752.
Neben den nachweisbaren Gallus und Dietrich Dresler hier wahrscheinlich: Johann Christian Dresler: De varia illustriorum sectarum inter modernos iureconsultos causa et indole meditatio : qua simul consultissimo viro domino Joanni Danieli Stippero ... in utroque iure doctoratum capessenti gratulatur Joannes Christianus Dresler. Lipsia 1724, [4] Bl. - Sphinx theologico-philosophica. 3. edition Herborna, 1602.
 
ler unter den Neuern. Hampe war LeibMedicus der letzt=
 
Bis auf die ersten drei Namen finden sich die anderen in Lothar Irle: Siegerländer Persönlichkeiten- und Geschlech-Lexikon Siegen 1974, jedoch ist nicht immer von mir zu bestimmen, wer jeweils gemeint ist: Monachus Erswidensis, Knuttelius (Knüttel), Naurath (), Heeser (), Ravensberg (), Heidfeld (), und Irlen (), unter den Alten: Coing (), Hampe (Johann Henrich Hampe geb. Siegen 19. Oktober 1693, gest. 1777), und Dresler ().
Johann Heinrich Hampen's praktisches System der Metallurgie mit dessen Anmerkungen und Erklärungen. Dresden: Walter 1778, 364 S.; a. d. Engl.: John Henry Hampe: An experimental system of metallurgy, with general remarks an explanations. London 1777. – Ders.: Disputatio medico-chirurgica inauguralis de scarificatione oculari hippocratica, ejusque in plurimis oculorum affectibus insigni utilitate Quam … publico ac solemni examini submittit Joannes Henricus Hampe. Duisburgia ad Rhenum: Sas 1721, 32 S. = Duisburg, Univ., Diss., 1721; [enthält: Withof, Johann Hildebrand: Elegia. 1721]; vorh.: UB Siegen.
 
verstorbenen Prinzessin von Wales, und ist erst vor einigen
Jaren in London gestorben.
S. 169 soll der weisse StalStein noch nicht genug
nach seinen Eigenschaften untersucht seyn. Freilich! Ins
          T 2          Innre
Neue Seite:
276          Th. VIII. Heft XLVII.
Innre der Natur dringt kein erschaffner Geist, sagt Haller.
Doch hat der nunmerige Hr. Geheime KammerRat Kar=
theuser, der jetzt ohnweit Idstein im Nassau=Usingschen
in philosophischer Ruhe lebt, diesen chymisch untersucht, und
in seinen mineralogischen Abhandlungen Th. I, S.
1-28, alle damit angestellten Versuche präcis beschrieben.
Ich habe sie alle nachgemacht, und sie auf das allergenaueste
zutreffend gefunden.
Von S. 170-179 wird der Müsener Stalberg
mit der dasigen FörderungsMaschine beschrieben. –
Eine der magersten und unvollständigsten mineralogischen Be=
schreibungen, die man sich denken kan! Wenige Zeilen ent=
halten einiges Befriedigende für den Mineralogen. Es wäre
zu wünschen, daß der Verf. Charpentier, Ferber, von
Born, und die Schriften anderer Mineralogen, gelesen, und
sich daraus, wie man Gegenden mineralogisirt, bekannt ge=
 
Johann Friedrich Wilhelm Toussaint von Charpentier geb. Dresden 24. Juni 1738, gest. Freiberg 27. Juli 1805. – Z. B.: Mineralogische Geographie der Chursächsischen Lande : mit Kupfern von Johann Friedrich Willhelm Charpentier, Churfürstlich Sächsischen Bergcommissionsrath und Oberbergamtsassessor, Prof. der Bergakad. zu Freyberg ... Leipzig: Crusius, 1778; XLIV, XVI, 432 S., [7] gef. Bl.; Ill., Kt.
Johann Jacob Ferber: Lettres sur la minéralogie et sur divers autres objets de l'histoire naturelle de l'Italie écrites par Mr. Ferber à Mr. ... de Born. Ouvr. trad. de l'allemand ... par Mr. le B. de Dietrich. Strasbourg: Bauer & Treuttel 1776 ; 507 S. – Beyträge zur Mineral-Geschichte von Böhmen. Berlin: Himburg 1774. 162 S.; Ill. und Karten. - Bergmännische Nachrichten von den merkwürdigsten mineralogischen Gegenden der Herzoglich-Zweibrückischen Churpfälzischen, Wild- und Rheingräflichen und Nassauischen Länder. Mietau 1776. – Oder sicher nicht Rudolf/Rudolph Ferber (?), nach dem das Ferberit benannt ist.
Ignaz Edler von Born geb. Karlsburg in Siebenbürgen 26. Dezember 1742, gest. Wien 24. Juli 1791. – Z. B.: Index fossilium / quae collegit et in classes ac ordines disposuit Ignatius a Born. Praga 1772, 1775, 2 Vol.; S. 1 m. d. Vortitel: Lithophylacium Bornianum. - Kurzgefaßte Beschreibung der, bey dem Bergbau zu Schemnitz in Nieder-Hungarn, errichteten Maschinen: nebst XXII. Tafeln zu derselben Berechnung; zum Gebrauch der, bey der Schemnitzer Bergschule, errichteten mechanischen Vorlesungen verf. von Nicolaus Poda, der Ges. Jesu Priestern, öffentl. Königl. Lehrern der math. Wiss. bey der Bergakad. zu Schemnitz. Hrsg. von Ignatz Edlen von Born, des Heil. Röm. Reichs Rittern, Sr. Kaiserl. Königl. Apostolischen Majestät würklichen Bergrath ... Prag: Walther 1771; [6] Bl., 84 S., [22] Bl.; Ill.
 
macht hätte, er der eine Beschreibung von dem Müsener
StalBergwerk zu liefern wagte, und das Publikum in seiner
Erwartung täuschte. Ein Haufen uneigentlicher Ausdrücke
kommen darinn vor, und der Verf. hält sich mit uninteres=
santen Sachen und größtenteils mit Kleinigkeiten auf. Kurz,
er signalisirt sich hier, daß er weder Mineralog noch Berg=
mann sei. Zur Probe will ich nur folgendes einrücken. Er
sagt S. 171 bei der Beschreibung des Müsener Stalbergs:
"man könne sich leicht einbilden, welch eine ungeheure Höle
"daselbst in der Erde seyn müße; ein Dorf von 100 Häu=
"ßern könnte räumlich darinn stehen. Die ganze Höle sei noch
"immer lauter StalErz, wovon man weder Anfang noch En=
"de sehen könne; und denn ferner, der Stoln werde wasser=
"pas getrieben, und wenn die BergLampe nicht mer brennen
"wolle, so werde ein Schacht abgesunken". Wer vermisst
hier nicht ganz die Sprache des Mineralogen? Und solche Klei=
nigkeiten, die zum Teil nicht einmal richtig sind, werden me=
rere angefürt, die man aber zur Vermeidung der Weitläuf=
tigkeit übergehet. – Der Verf. hätte hier die Beschaffen=
          heit
Neue Seite:
47. Nassau=Siegen.          277
heit und Bestandteile der GebirgsArten, ob diese einfach
oder zusammengesetzt seien? die GangArten, das Streichen
und Fallen des Stalberger Gangs, dessen verschiedentliches
Verhalten in Ansehung der ab= und zunemenden Mächtig=
keit seiner Anbrüche, die äußere Situation des Gebirgs,
die außer dem Spatförmigen Eisenstein hierin brechende
Mineralien, beschreiben sollen; wohin die Schwabenkuler
und St. FriedrichsGänge gehören, wovon der erstere dem
Stalberger Gang im Hangenden, der andre aber im Lie=
genden liegt. Jener verflächt sich wie der Stalberger Gang
gegen Morgen, der leztere aber gegen Abend: beide füren
reichhaltige FahlErze. Auch hätte die Beschreibung des in
diesem Gebirge noch liegenden Brücherwerks, welches Stal=
stein, Glaskopf, und BleiErze fördert, nicht übergangen
werden dürfen. – Interessanter Stoff für den NaturFor=
scher und Mineralogen, bot sich ihm im Ueberfluß dar; und
seine Beschreibung auf diese Weise eingerichtet, wäre ein wich=
tiger Beitrag zur NaturGeschichte, und jedem Mineralogen
willkommen, gewesen.
Richtig ist es, daß in dem Dorfe Müsen viele Witt=
wen sind: allein ganz unrichtig, daß diese durch ihre bei den
BergArbeiten verunglückte Männer entstanden sind. Die
Aerzte legen das frühe Absterben der Männer ganz andern
Ursachen bei. In vielen Jaren, und man kan fast ein Vier=
telJarhundert nemen, sind außer etlichen auf den dortigen
Gruben keine verunglückt oder todt geblieben.
Nun macht der Verf. sehr viel Aufhebens von der Stal=
berger FörderMaschine. Sie ist gut, tut an dem Ort,
wo sie stehet, ihre Wirkungen und macht ihrem Erfinder Eh=
re. Allein mit den FörderungsMaschinen der Harzer, Ung=
rischen, und KurSächsischen ErzGebirge, von Pferde und
WasserGöpeln, kan sie, in Ansehung der Wirkung, gar in
keine Parallele gesezt werden. Ueberdem ist diese Ma=
schine gar nicht einfach, sondern zusammengesetzter wie die
TriebKünste [geändert durch S. 391 in "TreibKünste"] in bemerkten ErzGebirgen. Diese bringen in
          T 3          einer
Neue Seite:
278          Th. VIII. Heft XLVII.
Einer Tonne jedesmal 6 Centner zu Tage, und haben da=
bei eine ungleich stärkere Friction zu überwinden, der
Schwere der Tonnen und des Seils nicht zu gedenken; da
die Jungische Maschine nur 1 ½ Centner über die HängBank
fördert. Also ist auch die Kenntnis des Verf. vom Ma=
schinenWesen ein bloßes Bruchstück. Und doch verspricht
er eine MaschinenBaukunst zu schreiben. Welcher Mut!
Sähe er die Maschinen bei Marienberg auf den Gruben
Fabian Sebastian und St. Georg: er würde staunen, und
in Ansehung derselben könnte man ihm dann eher den mysti=
schen und sehr unpassenden Ausdruck von Geheimnissen
des Hebels zu gut halten. – Das Erfindungsreichste bei
der ganzen Stalberger Maschine ist wo nicht ganz vergessen,
doch sehr unvollständig beschrieben. Es ist dieses nämlich
die Art, wie der Haspel bald an das eine bald an das andre
KronRad geführt wird. Dann ist auch der Sparsamkeit der
AufschlagWasser nicht gedacht, die so eingerichtet ist, daß
sobald die beede Kübel den Wechsel vorbei sind, folglich die
größte Last überwunden ist, das Wasser abgeschüzet wird;
indes das nicht übrige in den Schaufeln des Rads befindliche
Wasser und die CentrifugalKraft desselben den Kübel völlig
zu Tage bringt. Auch ist nicht bemerkt, daß hier statt
Tonnen geflochtene Körbe zur Förderung gebraucht werden.
Ueberall rechnet auch der Verf. nach Rheinländischem Maas,
ohne solches auf das im Siegenschen übliche eigene LandMaas
zu reduciren; wovon sich der Fus zu einem Rheinländischen
verhält wie 13 : 12. Auf 1 Lachter werden 7 Siegen=
sche Fus gerechnet.
Nach S. 177 soll der Stalberger Tiefe Stollen erst in
10 bis 12 Jaren durchschlägig werden. Ist sehr geirrt, und
zu weit hinausgesetzt, indem dieser bereits vor einem halben
Jar, wo nicht zum wirklichen Durchschlag, doch so weit ge=
bracht ist, daß der Stein damit angehauen, und die Wasser
gelöset worden. Der wirkliche Durchschlag wird indes bald
erfolgen.
          Warum
Neue Seite:
47. Nassau=Siegen.          S. 279
Warum soll der EisenzecherGang, nach S. 180, nur
80 Lachter zu Feld setzen? Es ist dieses ein Beweis von der
Eile und Flüchtigkeit, mit der der Verf. seine Beobachtun=
gen gesammlet hat. Dieser mächtige Gang setzt viel weiter
zu Feld, und es kan dieses auf 200 und merere Lachte ge=
rechnet werden. Ueberhaupt läßt sich die Weite des Strei=
chens der Gänge nicht mit Präcision bis auf einige Lachter
bestimmen.
Nicht alle Hütten sind auf gleiche und nur auf Eine
Reise, wie hier erzält wird, privilegirt; sondern einige ha=
ben die Befugnis, 1 ½, 2, bis 3 Campagnen im Jar zu
machen, wovon eine im FrühJar, die andre im Herbst,
gehüttet wird. – Das EisenAusbringen sämtlicher Hütten
läßt sich nicht mit Genauigkeit bis auf einige Centner be=
stimmen.
Nun kommt der Verf. auf die politischen und Stats=
wirtschaftlichen Raisonnements, indem er auf dieser
und er folgenden Seite die Frage aufwirft: Ist es politisch=
klug gehandelt, daß man das Commercium einschrenke, und
nicht so viel Eisen und Stal mache, wie möglich sei? Die
Gründe, welche ihm die BergBediente davon angegeben,
es sei allerdings klug gehandelt, daß Ordnung im Betrieb
eingefürt, und den Hüten sowol als den Hämmern eine ge=
wisse Zeit zum Betrieb festgesetzt sei, überzeugen ihn nicht,
scheinen ihm nicht evident genug zu seyn, sie sind ihm sogar
lächerlich. - In diesem und einigen andern Stücken ist
dem Verf. bereits durch einen seiner Landsleute sein Irrtum
gezeigt worden. Indes wird man einiges aus diesem Schrei=
ben eines Siegerländers an Hrn. Prof. Jung (ge=
druckt bei J. Chr. Krieger, Giesen 1780) hier widerho=
 
Siehe diesen Text vollständig [Text Becher]!
 
len. "Das Land ist sehr arm: warum? man legt den Ein=
wohnern Abgaben auf, die sie nicht erschwingen können; und
die Summe der Erwerbungen schrenkt man auf die Weise
ein, daß ein jeder kümmerlich so eben sein Brod hat".
          T 4          Die
Neue Seite:
280          Th. VIII. Heft XLVII.
Dieses sind die eigenen Worte des Verf. S. 187, wo er
denn weiter bemerkt, "die Regierung sähe dieses ein, und
suche deswegen auf alle nur mögliche Weise die Bevölke=
rung zu hintern". Größere und offenbarere Unwarheiten
hat nie ein Schriftsteller sagen können!
Zur Widerlegung dieser durchaus falschen Bemerkung
und schiefen Urteils fürt man an, daß 11 Eisen= und 6 Stal=
Hütten, 18 EisenHämmer, 13 StalHämmer, und 8 bis
10 RekHämmer, im Siegenschen betrieben werden. Hie=
zu rechne man nun noch den Betrieb der Bergwerken der an=
senlichen Siamoisen=, Tuch=, Strumpf=, und LederFa=
briken: so fällt gewiß das Warheitswidrige der Behauptung
des Verf. in die Augen. - Sämmtliche Hütten und Ge=
werbe, bis auf 1e Hütte und 3 Hämmer, sind gewerkschaft=
lich; also ist das Land gewiß nicht arm, sondern jeder fast,
der dabei interessirt ist, hat Gelegenheit sich Vermögen zu
erwerben. Und diejenige, welche weder bei dem einen noch
andern Gewerbe Anteile haben, erhalten doch auf mancher=
lei Weise Verdienst, und ihr - sehr reichliches Auskommen
dabei. Denn wie viel Hände werden nicht durch ein so an=
senliches Commerz beschäftiget? Auf welche Weise sollten
also die Erwerbungen eingeschrenkt seyn? Ich gestehe, daß
ich dieses nicht einsehen kann. - Zudem ist der Wolstand
des Fürstentums Siegen, und die Industrie der Einwoner,
die der Verf. an einem andern Ort selbst eingesteht, indem er
dieses einen blühenden Stat nennt, bekannter, als daß dieser
hier zu beweisen nötig wäre. Keine neue Abgaben drücken den
Untertanen,es sind dieser keine gemacht worden: und die
jetzigen gibt jeder gern ohne Beschwerden und ohne alles Mur=
ren; sie sind aber auch gewiß nicht drückend, da der Erwerb
und die Narung durch die angelegte Fabriken sich sehr ver=
größert hat. Keiner sucht daher sein Brod kümmerlich.
Weiter auf eben dieser und der folg. Seite, verbreitet
der Verf. sein ferneres Raisonnement, wenn er sagt, wie
schon
Neue Seite:
47. Nassau=Siegen.          281
schon bemerkt: die Regierung suche auf alle mögliche Weise
die Bevölkerung zu hintern. Zwei Verliebte dürften sich
ohne Obrigkeitliche Erlaubnis nicht heiraten u. s. w. –
Hätte man es sich nicht zum Gesetz gemacht, allen Glimpf
bei diesem Aufsatze gegen den Verf. zu erschöpfen: so möchte
man wol hier nicht den kalten und gelassenen Recensenten=
Ton beibehalten. Es ist nicht war, daß Bevölkerung
behintert werde, und je gehintert worden sei. Die Regie=
rung sieht sehr wol ein, daß VolksMenge das Glück und
den Flor des Landes ausmache; suchet diese daher immer zu
vermeren, und die Heiraten zu begünstigen. Hiefür spre=
chen Tatsachen: denn man suchet fremde Professionisten und
Bergleute im Lande zu behalten; verstattet ihnen, Wonun=
gen zu erbauen, und sich zu etabliren; und es ist dieses auch
nötig, da wegen der vielen Gewerbe nicht genug arbeitende
Hände im Land seyn können. - Bei den Heiraten der Un=
tertanen, und bei der Aufname fremder Personen, ist die
Obrigkeitliche Obsorge wirksam; aber gewiß nicht, um die
Bevölkerung zu verhintern. Keinem Untertan wird der Co=
pulationsSchein verweigert, wenn keine gesetzliche Hinter=
nisse der Heirat im Weg stehen: allein der öffentliche Wol=
stand erfodert es, über die Ordnung der Ehen zu wachen.
Fremde werden nicht, ohne genaue Kundschaft von ihnen
einzuziehen, aufgenommen. Sie müßen der Regel nach
ein gewisses Vermögen einbringen; allein ein nützliches Ge=
werbe, Kunst, Handwerk, gesunde Arme, Fleiß und gute
Sitten, werden für das vorzüglichste Einbringen gehalten,
und gerne in Anschlag gebracht. Bei Berg= und andern
Arbeitern wird auf kein Vermögen gesehen. – Grundsätze
dieser Art bedürfen keiner Apologie. Und gehäßige Verdre=
hungen derselben sind Lästerung.
S. 182 wieder eine sehr schiefe und falsche Bemerkung,
daß die Anzal unehlicher Kinder hier verhältnißmäßig grös=
ser wie in andern Ländern sei. Die GeburtsListen beweisen
just das Gegenteil. Auch sind Gesetze und Strafe, wie fer=
T 5 ner
Neue Seite:
282          Th. VIII. Heft XLVII.
ner bemerkt wird, nicht geschärft, sondern sehr gemildert; wie
denn die öffentlichen KichenBußen abgeschaft sind. – Fer=
ner sagt der Verf. auf dieser Seite: Sehr selten darf man im
Siegenschen ein neues Haus auf eine neue Stelle bauen.
Daß unnötiger Weise kein neues Haus gebaut werden dürfe:
davon werden dem Verf. die Gründe ohne Erinnern, insbeson=
dere als einem Forstverständigen, bekannt seyn. Jedem
Einwoner aber, der ein Haus nötig hat, wird dessen Erbau=
ung gestattet; ihm das dazu erfoderliche Holz verabfolgt; u.
nicht selten wird er, wenn er es bedarf, mit Geld dazu aus
der Herrschaftlichen Casse unterstützt. Ueberhaupt aber wird
bei der Anlage eines neuen Hauses, und Auswahl des Platzes
dazu, darauf gesehen, daß das Ganze dadurch merere Sym=
metrie erhalte. Der BauLust Schranken setzen; verhüten,
daß nicht die Zal der Gebäude dergestalt überhand neme, daß
ein Teil derselben wieder einstürze; sorgen, daß die Größe der
Dörfer mit der DorfsGemarkung, und mit den Erwerb=
Mitteln sich zu nären, übereinstimme; in Verteilung der Un=
tertanen und ihrem Anwachs nicht alles dem Zufall und Will=
kür überlassen, sondern Verhältniß, Ebenmaaß, und Gleich=
heit beobachten: hat noch nie die Bevölkerung gestört, sondern
sind die sichersten BeförderungsMittel derselben. – Neue
Kolonien anzulegen; Leute dazu durch große Promessen von
Freiheiten und Vorzügen ins Land zu ziehen; diese zu nemen,
wie man sie erhalten kan, wovon gewönlich die Hälfte verdirbt,
und wieder durchgeht: dies hat man im Siegenschen nicht
nötig, und ein solcher VolksMangel ist nicht da, sondern da=
zu ist es zu bevölkert.
Endlich sagt der Verf.: "Mit Einem Wort, man hin=
tert die Bevölkerung auf alle nur mögliche Weise", - Kein
Wort hierüber, als nur eine Verweisung auf das 38ste Heft
dieses Briefwechsels S. 71, wo eine Geburts= und Sterb=
Liste der privativen Oranien=Nassauischen Lande eingerückt ist,
und woraus man die VolksMenge für das Siegensche berech=
nen kan. Diese wird den Verf. über diese wirklich injurieuse
Be=
Neue Seite:
47. Nassau=Siegen.          283
Bemerkung schamrot machen. - Es ist diese gewiß für die
Größe des Lands beträchtlich; insbesondre wenn sie mit größe=
ren und weit fruchtbareren Gegenden Deutschlands vergli=
chen wird. Selbst in den teuren Jaren 1771 bis 1774,
wo Hunger die besten Kreise Deutschlands drückte, ihre Ge=
werbe hemmte, und Künstler und Handwerker zum Auswan=
dern zwang, nimmt die Anzal der Gebornen im Siegenschen
zu; einem Lande, dessen Lage dem Verf. auf das traurigste,
ja zum Bedauren, zu schildern, und Gefüle des Mitleids viel=
leicht bei einem oder dem andern dadurch rege zu machen, ge=
fallen hat. Närt man sich in einem Lande mit Kummer?
hat da jeder nur eben so kümmerlich sein Brod? wird da Be=
völkerung gehintert? kurz, wird ein solches Land nach Ma=
chiavellistischen Grundsätzen regiert? - welches in den trau=
rigsten Perioden an der VolksMenge zunimmt, und blühen=
der wird? ... Diese Frage lege ich dem Verf. vor, und
das Publicum wird sie mit mir tun. Man reise in das Sie=
gensche, und überzeuge sich von der Industrie und dem unge=
kränkten Wolstande seiner Bewoner. Dieser Beweis gilt
mer als Declamation! Der Preis der Grundstücke ist
der sicherste Barometer vom Wolstand eines Landes, und die=
se sind nicht nur jetzt schon im Siegenschen in einem sehr ho=
hen Preise, sondern steigen immer mer. Und wer weiß nicht,
daß die Oranien=Nassauischen Lande, unter dem erleuchteten
Einflusse der heutigen Regierung, mit von den blühendsten
Provinzen Deutschlands sind? und daß hier Narung, Sitten,
und Ordnung, für die größten Angelegenheiten des Menschen
betrachtet werden?
S. 183 setzt der Verf. nun sein Raisonnement, über
den Betrieb der Berg= und HüttenWerke, fort, und bemerkt,
daß die ihm von den BergBedienten gemachte Einwürfe in
seinen Augen ganz wegfielen. - Um die schwache Seite
des Verf. im Berg= und HüttenWerksBetrieb, und dem da=
von abhangenden Commerz, zu zeigen, will ich diese Grün=
de nur etwas zergliedern.
          Der
Neue Seite:
284          Th. VIII. Heft XLVII.
Der erste Grund: Die Erschöpfung der Bergwerke kann
nur von einem Sachverständigen eingesehen werden, welcher
die Schwierigkeiten beim Bergbau kennt, und der weiß, wel=
che Vorsicht nöthig sei, um die entdeckten Anbrüche sicher, vor=
teilhaft, und auf die wirtschaftlichste Weise zu gewinnen; da=
bei aber zur Dauer des Werks neue aufzusuchen. - Er ist
indes einer von den wichtigsten, und ganz allein hinreichend,
die Beibehaltung des jetzigen BetriebPlans zu empfehlen;
denn von dem Zustande der Bergwerke, ihrer Ergiebigkeit und
Bestand, hängt der Betrieb der HüttenWerke lediglich ab.
Es kan einer große Kenntnisse in der Mineralogie und Chy=
mie besitzen, ohne ein Bergmann zu seyn, und die Regeln der
GrubenBaukunst, die mancherlei Arbeiten derselben, und
die Hinterungen, die beim GrubenBetrieb eintreten, zu ken=
nen. Alle Anstalten müßen dabei mit einander concertiren:
Treibung tiefer Stolln; Absinkung neuer Schächte; Fürung
der VersuchOerter so wol zu Feld als als [sic] niederwärts mit
Abteufen; ordentlichter Bau auf den Anbrüchen mit Strossen
oder Firsten, Anbringung dauerhafter Zimmerung, und die
zu Sumpfhaltung der Wasser, teils mit mit Menschenhänden, teils mit Maschinen [korr. durch S. 391; ursprgl. nur "teils mit Maschinen"] und de=
ren sehr kostbaren Erbauung, durch Anlegung neuer Teiche
und Wasserleitungen, müssen projectirt und ausgefürt werden.
Dieses aber erfodert Jahre, und ist nicht entworfen und gleich
volfürt. Ein einziges Lachter herauszuschlagen, erfodert
bei sehr festen Oertern eine Zeit von 4 und merern Wochen.
Nun erwege man noch die Hinterungen, die bei allen diesen
Anstalten außerdem überwunden werden müssen: Wetter und
WasserNot erschweren die ohnedem mühsame Arbeiten der
Bergleute, die sie vertraut mit der Gefahr verrichten, indem
sie nicht den Tod fürchten, den ihnen oft jedes Element mit
Schrecken zu drohen scheint. Und dieses alles bei einem sehr
geringen Lon, und nicht selten ganz unerkannten Verdienst!
- Außerachtlassung einer dieser erzälten Erfodernisse, oder
daß damit gesäumt, und nicht zu der gehörigen Zeit dazu ge
          Schrit=
Neue Seite:
47. Nassau=Siegen.          285
schritten worden, hat große und ergiebige Werke zum Erlie=
gen gebracht.
Es kan daher die Dauer und merere Aufnahme der Berg=
werke nur durch kluge BetriebsVeranstaltungen, und eine
gute Wirtschaft – die die Seele davon ist – erhalten
werden. Sind die Gruben niedergetrieben; sind diese zum
Erliegen gebracht: so hört der HüttenBetrieb von selbst auf.
Es ist daher nichts nötiger, wie für deren Erhaltung zu
sorgen. Sie, die Bergwerke aber, würden nach dem Vor=
schlag des Verf. gewiß ihr Ende erreichen. Gesetzt, es wür=
de nun durch einen starken Betrieb eine Zeitlang mer, und
noch einmal so viel wie jetzt, gewonnen; die Werke aber da=
bei niedergetrieben, und ein großer Teil der Anbrüche in dem
mütterlichen Schoose der Erde stecken gelassen: wäre dieses
dann reeller Vorteil? stünde dieses mit einer gesunden Politik
zu vereinbaren? wenn selbst der pflügende Landmann keine
Spur des vormaligen Daseyns der Bergwerke entdecken wür=
de, oder es nur ein bloser Wunsch seyn und bleiben könnte,
zum Besitz der in den Nassauischen Gebirgen verschlossenen
Reichtümer zu gelangen. Denn einem ganz versunkenen Berg=
bau ist schwer, sehr schwer, und nicht ohne große Kosten, wo=
zu selten gewerkschaftliche Cassen hinreichen, wieder aufzuhel=
fen. Dann möchte der Verf. wol raisonniren und sagen kön=
nen: die Siegerländer werden arm, und ihre Berge bleiben
reich! - Dieser einzige Grund ist hinreichend, die mit keiner
SachKenntniß getane Vorschläge des Verf. zu widerlegen, u.
zu zeigen, wie sehr man sich in seinem Urteil irren könne, wenn
von einem Individus auf das Ganze geschloßen wird.
Man erwirbt in dem Siegenschen bei dem HüttenWe=
sen allerdings so viel, wie man kan, doch so wie dieses mit ei=
nem Bergmännischen, und nach den Regeln der GrubenBau=
kunst gefürt werdenden GrubenBetrieb, bestehen kan. Man
macht jetzt auf den Hütten 1/3 Rohhammer= und Rohstaleisen
mer, und auf den Hammern, besonders EisenHammern, schmie=
det man in gleicher Zeit noch einmal soviel, wie vor 80 und
          100
Neue Seite:
286          Th. VII. Heft XLVII.
100 Jaren. Und alles dieses durch das Raffinement der Ein=
woner, und die bei den Werken angebrachte Verbesserungen.
- Die Besorgnis, "was man im Siegenschen, wenn die
Bergwerke eingingen, ohne Geld und Industrie anfangen
werde"? glaube ich, daß ihm solche seine Landsleute erlassen
und darüber lachen werden. - Daß ehedessen im Bergischen
ein beträchtlicher Berg= und HüttenBetrieb gewesen seyn sol=
le; wünsche ich, daß davon die historischen Quellen, woraus
solche geschöpft, angegeben worden wären: es sind solche mir,
wie auch vermutlich den Lesern, nicht bekannt.
S. 185 meint der Verf., die SiegerLänder wären nicht
außer ihrem Lande bekannt. Aber gar wol sind sie dieses, u.
kennen diejenige, die ihre Waren haben müssen. Es ist falsch,
wenn er ferner auf dieser Seite behauptet, daß rohes Eisen u.
Stal von den Westfälinger und Märkischen Einwonern aus=
gefaren werde. Die Ausfur des Rohhammer= und StalEi=
sens ist bei Strafe der Confiscation verboten. Ein reiner Be=
weis, wie flüchtig der Verf. alles beobachtet habe! sonst hät=
te er doch wol dieses LandesGesetz kennen müssen. – Den
Bergischen EisenFabricanten wird das Siegensche Eisen und
Stal nie weniger nöthig werden, sondern dieses immer der nö=
tigste Stoff ihrer Fabriken bleiben. Ueber die andern Raison=
nements, daß sich die Holänder andre EisenQuellen aufsuchen
würden, will man, um nicht zu weitläuftig zu werden, hin=
gehen. Genug, daß der SiegerLänder für ferneren Absatz
seiner Waren, so lange Schiffart und Handel bleibt, nicht
besorgt ist.
S. 187 empfielt der Verf. eine bessere ForstWirtschaft,
und vermeint dadurch den dritten Einwurf in Ansehung
des KolenMangels zu heben. Es ist dieses ganz das Geprä=
ge mangelnder Kenntnis von den mancherlei Holzbedürfnissen
des Landes. Er meint, man solle die Herrschaftl. Waldun=
gen in 32 gleiche Teile teilen, und järlich jeden Teil verkolen,
und eben so damit verfaren, wie die Siegerländer mit ihren
eingentümlichen Bergen &. Wenn dieses nun geschähe: braucht
          man
Neue Seite:
47. Nassau=Siegen.          287
man denn im Siegenschen weiter nichts wie Kolen? Hat man
kein Hochgewäld nötig? Woher sollten denn in diesem Fall
dies starken Hölzer, die zu den Hütten= und HammerBauun=
gen erforderlich sind, und deren bei so vielen Werken im Ja=
re viele vorfallen, erhalten werden? Und braucht man zu den
übrigen Bauungen kein starkes Holz, das in Haubergen nicht
zu ziehen stehet? - Ganz unüberdacht war dieser Vorschlag.
Wollte der Verf. aber hier vielleicht eine Anweisung geben,
daß man die Waldungen in Schläge einteilen solle: so füget
man nachrichtlich an, daß dieses längstens ohne sein Erinnern
geschehen, die beste Ordnung bei den Siegenschen Forsten
eingefürt, und sie in järliche Gehaue eingeteilt seien. – Nicht
alle Kolen, die in den Herrschaftl. Forsten gebrannt werden,
verhüttet man aufm Herrschaftl. Werk zum Lohn [korr. durch S. 391 zu:] Lohe; sondern ein
Teil von diesen wird an Gewerke der Hütten und Hammer
verkauft.
S. 188 tut der Verf. noch einige Seufzer über die
Verfassung seines Vaterlandes, und geht denn zur Beschrei=
bung der Siegenschen EisenSteine über. Ehe man demsel=
ben dahin folgt, geht man noch einmal zurück. Der Verf.
scheint S. 183, bei Befolgung seines Vorschlags, die Er=
schöpfung der Bergwerke nicht ganz in Abrede zu stellen;
meint aber, daß man in dem Fall andre Fabriken und Manu=
facturen, statt der Hütten= und HammerWerke, etabli=
ren könnte. Es wäre aber wol lächerlich, und wider
allen - gemeinen MenschenVerstand, ein Gewerbe, dem
das Land Jarhunderte seinen Flor zu verdanken ge=
habt, - das dem Genie der Nation angemessen ist,
zu vernichten, und ein andres zu errichten, dessen Fort=
gang ungewiß, und das immer unsicher und schwan=
kend bleiben würde, weil warscheinlich die dazu nötigen Ma=
terialien im Lande nicht alle erzeugt, sondern von auswärti=
gen angeschaft werden müßten. Die Gründe des Verf.
sind glänzend: allein nach dem heutigen Laufe der irdischen
Dinge, bleibt es so wol in der bürgerlichen als in der politi=
          schen
Neue Seite:
288          Th. VIII. Heft XLVII.
schen Haushaltung ein Grundsatz, daß der gegenwärtige sie=
chere Besitz besser, als ein entfernter ungewisser, sei. –
Die Niedertreibung der Bergwerke, und der damit unwi=
dersprechlich verbundene Eingang von Hütten und Häm=
mern, wäre demnach ein warer Abderitismus, worüber die
ganze Welt lachen würde. Ja ich vermute nicht, daß man
in Abdera selbst, wo man, wie Wieland erzält, immer
das Schlechteste wälte, und Feler nicht eher, als bis sie
begangen ware, einsah, dieses Project gut geheissen haben
würde.
S. 193 folgg. werden die Siegenschen Eisensteine
beschrieben. Bei der Einteilung der EisenMinern nach
Cronstedt, hätte wenigstens erinnert werden sollen, daß die
 
Axel Frederik Freiherr von Cronstedt geb. Ströpsta (Södermannland) 23.12.1722, gest. Stockholm 19.08.1765; schwed. Mineraloge und Chremiker.
 
durch Schwefel und Arsenik mineralisirte, sich zum Eisen=
schmelzen nicht schicken, und ein untaugliches Metall geben;
daher man auch die zum Verblasen oder Ausschmelzen dien=
liche nicht Erze, sondern gemeiniglich Eisensteine und Stal=
steine, zu nennen pflegt. - Man kan sich nicht in alle bis
Ende dieses Stücks fortdauernde Raisonnements des Verf.
stückweise einlassen, und alle noch ferner begangene Feler an=
zeigen: dieses wäre Mißbrauch der LeserGedult! Kenner
und SachVerständige werden sie ohnedies finden, und zu
berichtigen wissen.
Cronstedt nennt den weissen Eisenspat (§. 39 seiner
Mineralogie, nach der neuen deutschen Uebersetzung des Hrn.
Prof. Werners in Freiberg) Eisen mit der KalkErde ge=
 
Abraham Gottlob Werner geb. Wehrau (Oberlausitz) 25.09.1750, gest. Dresden 30.06.1817.
Axel von Cronstedts Versuch einer Mineralogie ... aus dem Schwedischen übers. und ... mit äussern Beschreibungen der Fossilien verm. von Abraham Gottlob Werner, Leipzig: Crusius
 
mischt, T. C. marte intime mixta. Der Verf. commen=
tirt diese Beschreibung S. 194, und sagt: es sei dieses
warscheinlich, ob sie gleich das Stal mer in metallischer
Form, als in kalkartiger Gestalt, enthalte. Durch den
Versuch mit der VitriolSäure, wo nach der Auflösung des
Stalsteins ein schöner EisenVitriol entstehet, welches dem
Verf. auch bekannt ist, ist es ganz ausgemacht, und beruht
nicht mer auf Warscheinlichkeit, daß der Stalstein der Deut=
schen ein wirkliches Eisen enthalte, und dieses verneint auch
Cron=
Neue Seite:
47. Nassau=Siegen.          289
Cronstedt nicht, sondern behauptet solches. Mithin hätte der
Verf., der doch nur ein Dilettant der Mineralogie ist, seine
Erklärung ganz füglich sparen können, die auch nur in dem
Fall Statt finden mögen, wenn sich Cronstedt so ausgedruckt
hätte: der weisse StalStein wäre eine Miner, die mit Kalk=
Erde vereinigtes Eisen nebst einem EisenKalk in der Erde ent=
halte. - Vielleicht hat sich aber der Verf. selbst corrigiren
wollen, weil er auf der vorhergehenden Seite sagt: die Sie=
genschen EisenMinern enthielten das Metall in kalkartiger
Form in großer Menge.
S. 195. "Alle Eisensteine brechen im Siegenschen
in ordentlichen Gängen. Man hat hier weder Stock noch
Flözwerke; auch finden sich hier keine See= oder Sumpf=
Erze". Vermutlich wollte der Verf. durch den Ausdruck
"man fände sie nicht, wie wol sonst zu geschehen pflege, im
wilden Gebirge", hievon einen Wink geben, weil er dieses
nicht verständlicher und der Sache angemeßner auszudrü=
cken wußte.
S. 196. Die Halde, womit die RöstHaufen bedeckt
werden, ist nicht die Erde, sondern ein zum Zuschlag schickliches
Gebirge, welches auf dem StalBerg gefunden und zuge=
setzt wird. - Der Eisenstein wird gegenwärtig auf den
wenigsten Hütten geröstet, sondern vorher ordentlich geschie=
den, klein geschlagen, und denn ungeröstet durch den hohen
Ofen gesetzt. Dieser Proceß war auch bei den Siegenschen
ganz überflüßig; und aus den Gründen, die Hr. Kartheu=
ser, in den erwänten mineralogischen Abhandlungen Th. I,
S. 46, wegen Entberlichkeit des Röstens der Eisensteine
angegeben hat, völlig zu entberen. - Ich entsinne mich
nicht, wie S. 198 behauptet wird, daß zum Rösten der
Erze, um diese Operation zu befördern, jetzt noch auf gut
eingerichteten Werken Kalksteine zugeschlagen werden. Es
geschieht zwar bei Schliechen, die geröstet werden, daß man
sie, um solche zusammen zu halten, mit gelöschtem Kalk
vermenge. In dieser Absicht wird auch zu Breidenbach
          VIII. Heft 47.          U          im
Neue Seite:
290          Th. VIII. Heft XLVII.
im Hessen=Darmstädtischen, der KupferSchlich mit Kalk
und Wasser versetzt, und so in den RöstOfen gebracht. Sie=
he Schlütter von HüttenW. S. 198. Aber dieses trägt
 
Christoph Andreas Schlüter: Gründlicher Unterricht Von Hüttte-Werken, Worin gezeigt wird, Wie man Hütten-Werke, auch alle dazu gehörige Gebäude und Oefen … anlegen solle, auch wie sie am Hartz [Harz] und andern Orten angeleget sind … nebst einem vollständigen Probier-Buch, darin enthalten wie allerley Ertze auf alle Metalle zu probieren … Mit Registern hrsg. v. Christoph Andreas Schlüter. Braunschweig: Meyer 1738. – Ders.: De la fonte, des mines, des fonderies. Paris 1750, 2 Bd.
 
zu Wegtreibung des Arseniks und Schwefels nichts bei;
wie denn überhaupt die mancherlei Absichten des Röstens
durch Zusetzung der Kalksteine nicht befördert werden mö=
gen. - Dieses ist ein Proceß, der nur in einer so betitel=
ten Piece: Philosophische Unterredung zwischen dem
fliegenden Mercurium und einem gemeinen Schmel=
zer, noch empfolen werden kan, und wo man solcher, nach
 
Johann Gottfried Jugel: Philosophische Unterredung zwischen dem fliegenden Mercurium und einem gemeinen Schmelzer. Berlin 1743.
 
Belieben, merere lesen kan. Man behauptet, daß die Zu=
schläge beim Rösten, sie mögen kalk= oder laugenartig seyn,
mer schädlich als nützlich sind, indem der Schwefel und Ar=
senik dadurch mer figirt als fortgejagt wird, wie solches aus
Versuchen bekannt ist.
S. 199 meint der Verf., es wäre dich sonderbar,
daß die geröstete KalkErde die Verschlackung nicht verhintere,
welches doch der ungelöschte Kalk täte. Es ist bekannt, daß
die KalkSteine bei Verhüttung tonartiger Eisensteine vor=
trefliche Dienste tun, und dabei als Zuschläge gebraucht
werden. Selbst bei Verblasung des Stalsteins sind Kalk=
steine mit vielem Vorteil zugesezt worden, haben aber die
Reduction nicht verhintert, und solche auch bei der Natur
und Beschaffenheit des Stalsteins nicht zurücksetzen mögen.
- Es ist dieses kein besondres Phänomen. Fürte der Sie=
gensche Stalstein Schwefel oder andre schädliche flüchtige
Teile, so im RöstFeuer nicht alle davon zu treiben wären:
so glaube ich, daß die Verschlackung, oder die Ausschmel=
zung des RohStalEisens, durch den Zuschlag der Kalkstei=
ne, verhintert werden würde. Ungelöschter Kalk wird auf
keine, oder doch sehr wenigen HüttenWerken, so viel ich
weiß, zugeschlagen werden.
S. 203 sind die Teile des hohen Ofens nicht recht be=
nennt: sie heissen im Siegenschen von oben an gerechnet,
Gicht, Schacht, Rost, und Heerd.
          S.
Neue Seite:
Nassau=Siegen          291
S. 209. Man braucht im hohen Ofen weder kup=
ferne, noch eiserne, sondern steinerne Formen, und bläset
also hier, wie auf mereren Werken, durch den Stein.
Nach S. 223 ist der Verf. geneigt zu glauben, daß
der ware Unterschied des natürlichen Stals von dem Eisen
blos in einer feinen glasichten Substanz beruhe. – Am
Ende wird man hierüber nicht einiges zu bemerken und zu
untersuchen Gelegenheit nehmen: ob der wesentliche Unter=
schied zwischen Stal und Eisen in den Elementen oder ur=
anfänglichen Teilen des Lechts - welches der Verf. mit
seiner feinen glasichten Substanz hat sagen wol=
len - gesucht werden könne? S. 224 sagt der Verf.
wieder, ein Teil des RohEisens werde ins Märkische
gefaren &. Es ist dieses, wie schon bemerkt, ganz falsch,
da weder RohEisen noch RohStalEisen ins Ausland ver=
kauft, sondern erst zu Stäben im Lande geschmiedet wird.
Der Vorsatz des Verf., das Siegensche Berg=, Hüt=
ten=, und HammerWesen zu beschreiben, verdient schon
Lob; und das wirkliche Unternemen, bei allen seinen Män=
geln, Dank. Einiges Brauchbares wird sich immer aus
dieser Beschreibung ziehen lassen. – - Ich mache es mir
zur Pflicht, bei dieser Gelegenheit anzufüren, daß die von
Hrn. Prof. Jung gelieferte Beschreibung des Siegenschen
Kolenbrennens, welche in den Bemerkungen von 1776
am Schluß derselben eingerückt ist, alles enthalte, was man
über diesen Gegenstand sagen mußte, mithin vollständig sei. Man
stattet ihm hiermit vollen herzlichen Dank dafür ab. Der
Verf. ist hier in seinem Fache; - Erzälungen, Eindrü=
cke der Natur, dadurch erregte Empfindungen, - weiß nie=
mand besser als er vorzutragen. Wer kann die Schilderun=
gen seiner ehemaligen Situation ohne Rürung lesen! Die
Beschreibung des Gewitters - ist furchtbar majestätisch –.
Der angenehme Aufenthalt im Walde, wie malerisch, wie
reizend ist solcher nicht geschildert! Ja man empfand
          U 2          selbst
Neue Seite:
292          Th. VIII. Heft XLVII
selbst das genossene Vergnügen des Verf. in den stillen, fried=
fertigen Hütten der Köler. Denn, Natur! nichts über=
trift deine kunstlose Schönheiten, und die Allgewalt deiner
Reize; und glücklich ist derjenige, der sie zu genießen weiß!
Man dachte dich so ganz den frommen Eberhard Jung,
wie er sein AbendLied sang, seine Milch mit SeelenRuh
aß, noch einmal um seine einsame Hütte ging, die lezten
Tritte des rauschenden Wildes hörte, und dann auf seinem
MoosLager entschlief.
Wie sehr wäre zu wünsche, daß man von den übri=
gen Abhandlungen ein gleiches Urteil hätte fällen können!
Volles Lob, voller Beifall, sollte dem Verf. gewiß nicht
vorenthalten werden. Allein bei seiner Beschreibung des
Siegenschen Berg= Hütten= und CommerzWesens, hat er
diesen nicht erndten mögen. Es felte ihm hier an Kentnis=
sen, und an Ueberblick des Ganzen. Denn ist auch gewiß –
Drang zu schreiben, auf den Schriftsteller vom schädlichsten
Erfolg; und nichts schadet der Gründlichkeit und der völli=
gen Erschöpfung einer Abhandlung mer, wie dieser. Und in
dieser Lage mag sich Hr. Jung wol finden. Er muß –
er soll, bei vielen BerufsGeschäften, schreiben, und das Pu=
blicum unterrichten. An Musse muß es ihm also wol, um
seine Urteile zu prüfen, sie mit der nötigen Vorsicht einzu=
leiten, und seinen Abhandlungen die möglichste Vollständig=
keit und Präcision zu geben, wie leicht zu ermessen, felen.
Er beurteilt das Siegensche Commerz einseitig, nach
der Aeußerung oder Convenienz der Käufer. Nur von die=
ser Seite hat er seine Kenntnis beim Johannes Peter
Flender, auf der Krewinkler Brücke, eingezogen. Der
LandesVorteil, das Interesse der Verkäufer, ist ihm ganz
unbekannt. Und wie wäre es möglich gewesen, daß er in die
deshalb etablirte Grundsätze eindringen können? da er hierzu
nie Gelegenheit gehabt hat, und das Ganze im Zusammen=
hange nicht einsehen können, welches doch bei Beurteilung
jedes Gegenstandes nötig ist.
          Gleich=
Neue Seite:
Nassau=Siegen.          293
Gleichwol schreibt er mit Zuversicht, und urteilt mit
Dreistigkeit. - Die Pflicht, die Regierungen der Länder
zu schonen, weil ihre Tadel meistenteils unbillig, allemal
schädlich ist, scheint er, dem Kitzel, ihnen Vorwürfe zu
machen und Leren zu geben, aufgeopfert zu haben. Ein
Weiser, dem das Glück einer jeden Verfassung am Herzen
liegt, verfärt, wenn von öffentlichen Anstalten die Rede ist,
mit der äußersten Behutsamkeit, selbst da, wo Warheit und
Ueberzeugung ihm zur Seite stehen. Der Hr. Prof Jung
glaubt nicht nötig zu haben, so viele Umstände zu machen.
Seine Einbildungen sind ihm hinreichende Anläße, in be=
leidigende Declamationen auszubrechen.
Eine LandesAdministration ist blos dem LandesHerrn
von ihren Verfügungen und Anordnungen Rechenschaft zu
geben schuldig; höchstselten aber, und in ganz außerordentli=
chen Fällen, dem Publico solche vorzulegen im Stande.
Wie schwer es sei, über Verordnungen und Einrichtun0
gen zu urteilen, es sei zu ihrem Vorteil oder Nachteil, dafern
man nicht an den LandesGeschäften Anteil hat, die Verfas=
sung und Bedürfnisse des Landes kennet, die Kette von Um=
ständen und Vorfällen, die darauf wirken, weiß, und das
ware Interesse vom ScheinGut unterscheiden kan: bedarf gar
keines Erörterns.
Unverantwortlich ist daher das Unternemen derjenigen,
welche aus mangelhaften Kenntnissen, durch falsche Andich=
tungen, schiefe Betrachtungen, die Regierungen der Länder
lästern, ihr machiavellistische Grundsätze andichten, und das
durch nicht allein weise Anstalten schmähen und verkleinern
- welches noch zu übersehen wäre -, sondern sie auch den
Untertanen verdächtig zu machen, und auf diese Weise den
besten und wolwollendsten Verordnungen Hinterung entgegen
zu setzen suchen. Verachtung verdient derjenige, der sich hier
des Felers des Leichtsinns schuldig macht. Er stört dadurch
das Zutrauen der Untertanen gegen ihre Obere, und raubt
auf solche Art ein wesentliches Glück dem Lande, da er ihm
          U 3          die
Neue Seite:
294          Th. VIII. Heft XLVII.
die Zufriedenheit und Liebe der Regierung benimmt, und
Mißtrauen und Unzufriedenheit an deren Stelle pflanzt.
 
-----------------------------
 
Die beiden Textteile sind nur durch die Linie von einander getrennt!
 
Man kommt nun zu der zwoten Abhandlung, der
Beschreibung des Hammerschmieds=Eisen und
StalGewerbes.
Wenn das angegebene Verhältnis der Preise von Os=
mundsEisen gegen das Siegensche Stab= oder RekEisen, wie
4:3, seine Richtigkeit hat: so muß das OsmundsSchmie=
den einen weit stärkeren Kolen Aufwand wie das Siegen=
sche erfodern; denn der Abgang des Eisens kan solchen nicht
allein ausmachen.
Beim Siegenschen RekEisenSchmieden ist ungefer 1/7,
bei dem OsmundsSchmieden aber nach Hrn. Gerhard 1/8 Ab=
gang. Man wird in der Folge noch Gelegenheit finden, zu
zeigen, daß die Siegenschen HammerSchmiede mit den Ko=
len sehr wirtschaftlich umzugehen und die nützliche Kunst,
solche zu ersparen, wissen.
S. 323 ist die Einteilung der HammerZeit sehr un=
deutlich. Um zu wissen, wie viel ein Tag oder Stunde vom
Ganzen ausmache, hätte angegeben werden müßen: in wie
viel Teile das Ganze eingeteilt sei? Man bemerkt daher, daß
der Hammer in 24 Teile oder Tage, oder jeder Heerd in 12
Tage, geteilt sei, weil jeder Hammer 2 Heerde oder Feuer
hat. Auf der folg. Seite ist die Hammermüßige Zeit nicht
recht und präcis beschrieben. Es ist eingefürt, daß mit den
Hämmern 2mal des Jars gefeiert werde: die Wintermüßige
Zeit tritt ein auf das ChristFest, und dauert bis Lichtmeß;
die Sommermüßige Zeit aber fängt auf Jacobi an, und en=
diget sich auf Mariä Geburt.
S. 325 hat der Verf. recht, daß kein neuer Eisen=
Hammer erbaut werden dürfe. Dies gründet sich auf einen
alten Vertrag zwischen dem Landesherrn und den Gewerben [korr. S. 391 zu:] Gewerken:
          und
Neue Seite:
Nassau=Siegen.          295
und jeder, der die Beschaffenheit des Landes und alle hierbei
einschlagende Ursachen kennt, die sich zum Teil aus dem Vor=
hergehenden folgern lassen, ist überzeugt, daß dieses dem
Wol des Landes durchaus angemessen sei. - Jedes Ge=
werbe muß nach einem auf wolgeprüfte Sätze gebauten Plan
regiert werden, wenn es von Dauer seyn, und den Interes=
senten den möglichsten Vorteil bringen soll. Und ein solcher
Plan ist auch bei dem Siegenschen Berg= Hütten= und Ham=
merWesen etablirt. Wenn der Hammer von Mitternacht
bis zwischen 9 und 10 Uhr des Abends betrieben wird; so ist
solches gewiß sehr lange: denn man muß erwägen, daß wenn
das HammerFeuer zu heiß wird, man eine Zeit ruhen müße,
weil sonst die Arbeit nicht gut geht, und das Geräte zu sehr
abgenutzt und verdorben wird. Dieses ist aber dem Verf.
vermutlich nicht beifällig gewesen,
Daß die HammerTeile kleiner worden, ist richtig; und
dieses beweiset die zugenommene Bevölkerung, die der Verf.
im Vorhergehenden auf alle Weise zweifelhaft zu machen such=
te. Aber ungeachtet der kleinen HammerTeile, stehen sich
die HammerSchmiede gut, da die Schmiederei verbessert
ist, und jetzt in Einem Feur mer Eisen verfertiget wird, wie
ehedem in zwei. - Es erfodert diess freilich mer RohEisen:
allein der KolenVerbrauch hat in diesem Verhältnis nicht zu=
genommen: denn die Siegensche HammerSchmiede wissen
die - ihnen eigene Kunst, solche zu ersparen.
De Raisonnements über die ZunftEinrichtungen will
man übergehen. Genug, daß die bei den beobachteten Maxi=
men das Siegensche Commerz Jarhunderte geblüht, das Land
reicher geworden ist, und die Vorteile des Handels auf sei=
ner Seite gehabt hat, auch die Aussichten auf die Zukunft
noch immer sehr vorteilhaft sind. Man ist daher ganz ohne
Sorgen, daß die Weissagungen des Verf. S. 326 in Erfüllung
kommen, und die Fabrike zu Grunde gehen werde. Sie ist
zu fest begründet, als daß sie so leicht erschüttert werden
          U 4          könne.
Neue Seite:
296          Th. VIII. Heft XLVII.
könne. Erfarung hat dieses bis itzt außer allen Zweifel
gesezt.
S. 327. Vortrefflicher KüchenZettel des Verf.!
Kein HammerSchmied wird auch jetzt etwas dagegen ein=
wenden, sondern sich gern damit begnügen - Die Klei=
derPracht ist nach dem Verhältnis andrer Länder hier nicht
gestiegen; sondern, zum Rum der braven Siegerländer sei
es gesagt, sie sind der Mode ihrer Väter bis izt ziemlich
treu geblieben.
S. 330. Ganz recht, daß gegenwärtig das Eisen in
schwereren Stäben wie ehemals geschmiedet werde: und ob
es vielleicht nicht besser sei, wenn leichtere Waren gemacht
würden, will ich in soweit nicht in Abrede stellen. Allein
man kann versichern, daß dieses dem Absatz bis izt nicht im
mindestesten geschadet. Das RekEisen geht warm weg;
mithin ist der Bergische Fabricant mit der dasigen Schmie=
derei zufrieden. - Daß das Siegensche RekEisen nicht mer
die vormalige Reinigkeit und Güte haben solle, ist zu erwei=
sen. Der immer gleich gute Abgang, und der ansenliche
Preis, versichern das Gegenteil. Und so lange sich der Ber=
gische Fabricant das jetzige Modell des RekEisens gefallen läßt,
wobei der Hammer Schmied gut besteht: so ist kein Grund
zur Abänderung vorhanden.
S. 331. Ob der EisenPreis in Beziehung auf andre
Waren nicht gestiegen sei, ist so leicht nicht zu bestimmen. Seit
dem J. 1740 ist das Eisen in den Nassauischen Landen von 5
zu 6, oder noch näher von 10 zu 13, gestiegen; welches doch
wol ein allgemeines Verhältnis gegen andre Waren seyn möch=
te. Die WarenPreise verändern sich öfters aus sehr zu=
fälligen Ursachen, und die eine steigt, die andre aber fällt. –
Daß die Furleute Eisen im Siegenschen kaufen, und dies
den Bergischen Fabricanten zufüren; ist ein Handel, der
schon lange besteht, und wobei beide Teile ihren Vorteil fin=
den. Doch ist er nicht allgemein: sondern es werden auch
mit vielen Bergischen Kaufleuten ordentliche Contracte ge=
          schlossen
Neue Seite:
Nassau=Siegen.          297
schlossen. Allein der Verf. hat sich hier wieder sehr geirrt:
warum nutzt die Handlung mit den Furleuten nichts? worinn
soll der Vorteil des Contracts gegen den kürzeren Umschlag
bestehen? Bei jedem Contract müssen beide Teile gleiches
wagen, und es darf der Vorteil auf einer Seite nicht allein
seyn; mithin gewinnt bald der Käufer bald der Verkäufer dabei:
jener, wenn die Ware in der ContractZeit abschlägt, dieser
aber, wenn sie steigt. Bei dem Contract ist also ein Risico
für beide Teile, das bei dem Verkauf aus der Hand wegfällt.
Der Streitigkeiten, die manchmal aus Contracten entstehen,
nicht zu gedenken.
S. 332 macht der Verf. seinem mitleidsvollen Herzen
Luft, in der er sich auf folgende Weise ausdrückt: "Ich be=
daure, daß ich hier eine Decke über mein Vaterland ziehen
muß, um es nicht blos zu stellen, sonst könnte ich einen und
andern wichtigen Feler bemerken". - Des Verf. Worte
in Ehren; allein dieses glaubt man nicht: denn er hat, diese
ganze Abhandlung durch, so viele Dreistigkeit und so gar
wenige Bescheidenheit in seinen Raisonnements bewiesen, daß
man sich wundert, wie er auf einmal so zurückhaltend werden,
und den Heimlichen machen kan, da es doch überhaupt, wie
 fast aus jeder Zeile erhellet, seine Absicht nicht gewesen zu seyn
scheint, die vermeintlichen Feler seines Vaterlandes zu ver=
bergen. Aber vielleicht soll dieses ein Kunstgrif seyn, um sich
beim Publico wichtig zu machen, dessen Neugierde zu reizen,
und dies auf Fortsetzung verlangend zu machen. Warlich so
unwarscheinlich nicht! Doch hofft der Verf. dieses? denn ir=
ret er sich sehr; das Publicum ist mit seinem Ton allzubekannt
geworden, und glaubt festiglich, daß er das ärgste, was er
gewußt, gesagt, und gewiß nicht aufm Herzen behalten ha=
ben würde. - Und im Grunde, wie konnte er mer lästern!
- Also wird diese Art der Bescheidenheit, - die an dem
Verf. auffallend ist -, gewiß nicht den gehoften Erfolg ha=
ben. Sie kan, sie wird, nie die gemachten Eindrücke auslö=
schen.
          U 5          S.
Neue Seite:
298          Th. VIII. Heft XLVII.
S. 332. Wer wollte, und wie konnte man, den Benach=
barten weren, Rekhämmer zu bauen, da sie Kolen um Ue=
berfluß hatten? Eben so, als wenn Sachsen, das die ersten u.
alleinigen guten Fabriken hatte, hintern wollen, daß solcher kei=
ne in den angränzenden Ländern etablirt wären? – Wer
wollte dieses aber auch den Nachbarn mißgönnen? da dies
dem Siegenschen Eisenhandel vorteilhaft ist. Denn durch
die Betreibung mererer Rekhämmer wird demselben das
Siegensche RekEisen immer nötiger und unentberlicher. Auf
diese Weise bringen diese auswärtigen Hämmer dem Siegen=
schen Commerz keinen Schaden, sondern vielmer den Vor=
teil, daß sie den Absatz des RohEisens vermeren.
S. 335. Vollkommen Recht hat der HammerSchmied,
wenn er behauptet, daß der Bergische Kaufmann sein Eisen
haben müße. Es ist dies die Basis seiner Fabrike; und
diese würde erliegen, wenn ihm solches entzogen werden soll=
te. - Eine vortrefliche Verbesserung, wenn durch das leich=
tere Schmieden die mersten HammerSchmiede in Armut ge=
raten würden. Gegenwärtig findet, wie schon bemerkt, das
RohEisen [korr. durch S. 391 zu:] RekEisen nach dem jetzigen Modell geschmiedet, seinen guten
Abgang. Sollte es aber dereinst in leichteren Stäben ver=
langt werden; so wird sich dieses bewerkstelligen lassen, ohne
daß die geweissagte Katastrophe erfolge.
S. 336 Eine sehr melancholische Laune des Verf.! Er
denkt sich sein Vaterland am Rande seines Umsturzes
Wie schmerzhaft muß ihm dieses seyn! Er, der es so gerne
rettete, der Fingerzeige zu seiner Rettung gibt, und es an
Myriaden von Vorschlägen und Projecten nicht felen lassen
würde! - Ein Land am Rande des Umsturzes sich den=
ken, worinnen ein solches Gewerbe blüht; das die erzälten man
cherlei Zweige der Narung hat; das durch eine sanfte und
überaus glückliche Regierung beherrschet wird: kommt mir
just so vor, als wenn man, bei einer gut geratenen Erndte,
und ohnedem vollen Speichern, einer HungersNot befürchtete.
          S.
Neue Seite:
Nassau=Siegen.          299
S. 337 hätte man nicht vermutete, daß der Verf. die
Erbauung der Rekhämmer tadeln würde, da er S. 185 der
Bemerk. vom J. 1777 empfielt, daß alle Producten im Lan=
de selbst, so weit nur möglich, verarbeitet werden möchten,
wozu denn doch Rekhämmer nötig sind. Wie widersprechend
ist dieses also! Die Rekhämmer werden allerdings mit Vorteil
betrieben, weil sich sonst ihre Zal von Jar zu Jar nicht ver=
meren würde. Und dieses gibt denn doch keinen Anschein,
daß sie, wie sich der Verf. zu bemerken erlaubt, wieder ein=
gehen würden. – Was hier über die weitre Entfernung
der aus der Grafschaft Mark zuzufürenden SteinKolen gesagt
wird, hat in soweit seine Richtigkeit: doch wird diese durch
andre Vorteile, z. B. daß man das RohEisen näher habe,
mithin dessen Transport erspare, ersetzt.
S. 341. Es ist allerdings das StalGewerbe dem
Siegenschen Land mer eigentümlich, wie das des Eisens.
Sein Stal ist dem Steiermärkischen gleich. Im benach=
barten Märkischen und Kölnischen wird auch Stal verferti=
get: er besitzt aber lange nicht die Güte des Siegenschen.
Der Grund hiervon liegt in den vorzüglich guten Eigenschaf=
ten des Müsener StalSteins, und in der bekannten Geschick=
lichkeit der Siegenschen StalSchmiede in Zubereitung des
Stals. - Der Verf. urteilt daher hier ganz unrichtig, wenn
er den bessern Zustand des StalGewerbes daraus herzuleiten
sucht, daß die StalHämmer nicht in solche kleine Teile wie
die EisenHämmer verteilet seien: denn die Anteile bei jenen
sind öfters eben so klein, wie bei diesen; die Teile der Stal=
Hütten aber weit kleiner, wie bei den EisenHütten.
S. 343. Die Vorschläge, die Werkzeuge kleiner und
leichter zu machen, sind oft geschehen, geprüft, und verworfen
worden. - Freilich siehet der Bergische EisenFabrikant
gern, wenn die Stäbe des RekEisens dünner und leichter sind,
weil er denn mit dem erhauen und Reken weniger Mühe
hätte. Vielleicht möchte er auch in diesem Falle etwas mer
bezalen: aber dieser Zusatz des Preises würde mit dem stär=
          keren
Neue Seite:
300          Th. VIII. Heft XLVII.
keren Abgange von RohEisen und größern KolenVerbrauch
in keinem Verhältnis stehen; mithin dieses einzig und allein
den Vorteil des Käufers bezwecken. - Mit 8 Stäben auf
einen Karren von 1000 lb ist der Bergische Fabricant zufrie=
den.
S. 344. Die Hammer Schmiede sind nicht arm, son=
dern merenteils bemittelte Leute. diejenige, welche keine ei=
genen Tage haben, können solche entweder pachten; oder sie kön=
nen als SchmiedKnechte arbeiten, da sie in diesem Falle täg=
lich 20 bis 40 Xr, nebst voller Kost, bekommen. – Und
welch schiefes und unüberdachtes Raisonnent, "die Ham=
merSchmiede mästeten sich auf Kosten des Stats"!
Gesetzt, es lebten diese besser, wie ihnen gebüre, welches aber
nicht geschieht: so belästigen sie den Stat nicht, und zeren
keineswegs auf seine Rechnung. - Nein, eine gewönliche
BaurenNarung ist für einen Hammer= oder StalSchmied bei
seiner schweren, angreifenden Arbeit, nicht hinreichend; er
würde es dabei nicht aushalten. Er muß starke narhafte
Speise geniesen, und wird sich aufs schönste für des Verf. vor=
geschriebener Diät bedanken.
S. 344. Die Beschreibung des StalSchmiedens wird
jeder Sachvertändiger, in wie fern der Verf. hierin seinen Ge=
genstand erschöpft, beurteilen können. Man begnügt sich
daher, nur die hiebei begangnen wesentlichen Feler anzuzei=
gen. - Der HammerSchmied hat gewiß keinen unnötigen
Schwall von Handgriffen bei seiner Arbeit: denn das Müh=
same derselben gebietet ihm, den kürzesten Weg zu wälen. Er
kennt auch gewiß die Gründe seiner Operation, und weiß, die
sich ergebende Erscheinungen bei seinen Arbeiten gut zu erklä=
ren. - Ausgebreitete Theorie, Thesen und Systeme, mag
er wol nicht in seiner Gewalt haben. Er folgt seinen aus Er=
farungen gezogenen Sätzen, und färt wol dabei, und vielleicht
besser, als wenn ihn der ganze Wust bekannt wäre. – Ob=
gleich der Verf. das Wesentliche der Schmiederei zu kennen
sich rühmt: so zweifle ich doch sehr, ob er zur Einschmelzung
          einer
Neue Seite:
Nassau=Siegen.          301
einer einzigen Luppe die Stellung und Regierung des Feuers
werde anweisen können.
S. 350. Viele Hämmer sind höher, wie sie der
Verf. hier angibt. Das Gefälle, die Lage des Grund und
Bodens, bestimmt die Höhe. "Ich habe so oft und so viel=
mal zugesehen, daß ich glaube, das Wesentliche des Stab=
Schmiedens zu kennen", sagt der Verf. S. 345. Welcher
zuversichtliche Stolz! Und doch kennt er den Bau der Heerde
nicht: denn er bemerkt S. 353, der Heer der Hammer=
Schmiede wäre mit gehauenen Platten von SandSteinen
belegt. - Ganz falsch. Der HammerSchmiedsHeerd ist
aus gegossenen eisernen Platten zusammengesetzt, wovon die
unteren BodenZacken, die andern aber SeitenZacken, genannt
werden. So viel mir bekannt ist, sind die Heerde der Hammer=
Schmiede nicht nur in Deutschland, sondern auch in Schweden
und Rußland, auf diese Weise gebaut. Bei Wallerius und
Gerhard hätte der Verf. hievon Nachricht finden können. –
 
Elementa Metallurgiae Speciatim Chemicae conscripta atqve observationibus, experimentis et figuris aeneis ill. à Johan. Gotsch. Wallerio. Holmiae: Askergren 1768, [9] Bl., 440 S., [1] gef. Bl. : Ill. = Anfangsgründe der Metallurgie, besonders der Chymischen. Aus dem Lateinischen des Herrn Joh. Gottsch. Wallers übersetzt. Leipzig: Crusius 1770. – Vond en 7 halben und den 7 ganzen Metallen, und den Produkten derselben. … Aus dem Schwedischen überetzt und mit Anmerkungen vershen von D. Christian Ehrenfried Weigel. … Leipzig, bey Siegfried Lebrecht Crusius 1776 = Der physischen Chemie … Theil. Aus dem Schwedischen ins Lat. übers. u. verm. hrsg. v. Joh. ottschalk Wallerius … und nunmehr ins Dt. übers. und mit einigen nöthigen Anm. vers. von Chrsit. Andr. Mangold. Thiel 2, 3. und 4. Abtheilung. Aus dem Schwed. ins Lat. übers. und verm. hrsg. v. J. G. Wallerius und nunmehr ins Dt. übers. undmit einigen Anm. vers. v. C. A. Mangold.
Carl Abraham Gerhard: Beyträge zur Chymie und Geschichte des Mineralreichs. C. Abr[aham] Gerhard. 2 Bde. Berlin 1773-1776. – Anonym: Beobachtungen und Muthmassungen über den Granit und über den Gneiß. Berlin: Himburg 1779, 55 S.Gabriel Jars, Mitglied der königl. Akademie zu London, Paris und Lyon, Metallurgische Reisen zur Untersuchung und Beobachtung der vornehmsten Berg- und Hüttenwerke in Schweden, Norwegen, Ungarn, Deutschland, Engelland und Schottland vom Jahr 1757 bis 1769. Aus dem Franz. übers. und mit Anm. begleitet von Carl Abraham Gerhard. Berlin: Himburg Bd. 1-2 1777, Bd. 3-4 1785; a. d. Franz.: Voyages métallurgiques …
 
Auf die Stellung dieses Heerdes, der Form, und der Bälge,
kommt gar vieles an. Eine geringe Abweichung macht einen gros=
sen Unterschied in dem Kolen Gebrauch, Güte des Eisens, und
der Zeit, solches zur erforderlichen Gare zu bringen. Hier
hätte der Verf. seine Kenntnisse zeigen, und viel lehrreiches
und nützliches sagen können.
S. 354. Uebertriebene Schilderung des Hammers!
Riesenmäßige Maschine! Schauer erregend! sehr poetisch.
Es wird auch hier der Hammer 1200 lb schwer angegeben;
seine Schwere beträgt aber nur 600 lb, und einige Hämmer
sind noch leichter. Indeß ist dieses schwer genug, indem
sie auf andern Werken nur 350 bis 400 lb schwer sind.
S. 356. Nicht alle HammerRäder sind oberschlächtig; son=
dern es gibt auch Hämmer, die unterschlächtige haben. Die=
ses richtet sich nach dem Gefälle. Wie gleichgiltig ist dieses
indeß zu wissen!
S. 358 bemerkt man zur Erläuterung und Ergänzung,
daß die erste Säule oder Posten die WasserSäule, die andre
     die
Neue Seite:
302          Th. VIII. Heft XLVII.
die TromSäule, und der darüber liegende Balke der Trom=
Balke, genennt werde. Vor der WasserSäule und unter
dem TromBalken steht noch eine Säule, die die Reidel=
Säule heißt, weil der SchlagReidel darin befestigt ist, wel=
che vom Verf. aber ganz vergessen worden: die andern beiden
nennt man BüchsenSäulen, worin die Büchsen befestigt
sind, in welchen sich die Hülfe mit darin befestigtem Helm
und Hammer bewegt.
S. 366 kommt der Feler wieder vor, den man vorhin
schon berichtiget hat, daß in den Heerden der HammerSchmie=
de keine Feuerbeständige StellSteine gebraucht werden. Hät=
te der Verf. den Bau derselben genau betrachtet, und ihn
gekannt: so würde er im Vorhergehenden die Bemerkung nicht
gemacht haben, die Luppe backe auf den Boden an, wenn
sie kalt würde. Just beim Gegenteil erfolget dieses, wenn
nämlich die Luppe aus einem Versehen, oder aus Beschaffen=
heit des RohEisens, zu hitzig einschmilzt. - S. 368 wird
wieder geklagt, daß das Lecht nicht flüßig seyn dürfe. Es ist
aber dieses allerdings flüßig, indem dieses sond von Eisen
nicht ausfließen könnte.
S. 372 wieder eine Probe von den richtigen Beobach=
tungen unsers Verf.: "der StalHammer ist gerade in allen
Teilen so beschaffen, wie auch der EisenHammer". Keines=
wegs hat jener eine völlige gleiche Beschaffenheit, wie dieser.
Die Heerde der StalSchmiede sind mit Feuerbeständigen
SandSteinen gefüttert, und die Form ist von Eisen; dahin=
gegen, wie schon angefürt, die Heerde der HammerSchmiede
mit eisernen Platten belegt, ihre Formen aber von Kupfer,
sind. Gewiß ein sehr wesentlicher Unterschied. - S. 373.
Das RohStalEisen ist dünnflüßiger oder hitziger, wie das
RohHammerEisen; doch ist dieses nicht pechflüßig. Der
Unterschied des geschmiedeten Stals und Eisens hätte präci=
ser beschrieben, und wenn man bei den äußern Kennzeichen
stehen bleiben wollen, genauer angegeben werden können. -
          Beim
Neue Seite:
Nassau=Siegen.          303
Beim Siegenschen Stal wird weder altes zerstückeltes Eisen,
noch Nägel, zugesetzt.
S. 374 bis Schluß, trägt der Verf. seine ganz neue
und besondre Theorie des Stals und Eisens vor. Daß
dieses ein Metall sei, bezweifelt niemand. Der Stal hat fast
eben die Eigenschaft, wie das Eisen; nur in einigen Stü=
cken ist er von demselben unterschieden. Jener besteht aus
feineren Teilen, die fester mit einander verbunden sind; da=
her er auch aufm Bruch fester und derber aussieht. Der
Stal hat eine größere eigentümliche Schwere, als das Eisen.
Er ist härter wie dieses; daher auch Eisen mit Stal gefeilt
werden kan: und ferner ist ein wol gereinigter Stal elastischer,
biegsamer, und zäher, wie Eisen &. &. - Aus dem, was
der Verf. im Vorhergehenden sagt, folgt, er glaube, daß in
dem Stal mer von den Schlacken oder glasartigen Teilen zu=
rückbleibe, und diese zurückgebliebene glasichte Substanz dem
Stal seine Härte und SchnellKraft gebe: kurz, dieses den
wesentlichen Unterschied zwischen Stal und Eisen ausmache.
Dies ist aber weit gefelt; indem bei den StalSchmieden die
Schlacken oder das Lecht weit sorgfältiger abgeschieden wer=
den, wie bei den EisenSchmieden: weswegen jenes auch ei=
nen weit stärkern Abgang leidet, ohngeachtet das RohStabEisen [korr. S. 391 zu:] RohStalEisen
reiner wie RohHammerEisen ist. Diese Theorie des
Verf. streitet also wieder die ErfarungsSätze.
S [.] 377 fürt der Verf. zur Unterstützung seiner Hypo=
these an: "das Schrai wird nicht lange geschlagen; denn es
gibt sehr wenig Lecht ab. Die Luppe sprüzt eine große Menge
Lecht aus, das Schrai aber nicht". Dieses hat seine völlige
Richtigkeit: denn das RohStalEisen hat weit weniger Schla=
cken oder glasartige Teile, wie das RohEisen, bei sich. Und
dieses ist die ganz natürliche Ursache, warum das Schrai
nicht so lange unter dem Hammer wie die Kuppe [korr. S. 391 zu:] Luppe gelassen
wird, und weit weniger Lecht wie diese aussprützen kan. Zur
Unterstützung der Hypothese des Verf. trägt dieses also gar
nichts bei, wie jedem, der nur die AnfangsGründe der Me=
          tal=
Neue Seite:
304          Th. VIII. Heft XLVII.
tallurgie weiß, bekannt ist. - Ist eine gegebene Theorie
richtig und vollständig genug: so muß sie auf jeden besondern
Fall sich anwenden lassen. Können aber die Phänomene nicht
gründlich daraus hergeleitet werden: so ist sie ent=
weder falsch, oder unvollkommen, oder beides zu=
gleich. Die Meinung des Verf. hat wirklich die Phä=
nomene der StalArbeiten ganz gegen sich. Wallerius sagt
in seinen AnfangsGründen der Metallurgie (bei Zubereitung
des Stals §. 5 folg.): zum Stal muß man Eisen nehmen, wel=
ches die wenigsten Schlacken enthält. Unser Verf. glaubt,
die Zähigkeit des Eisens, insbesondere des Osmunds, rüre
daher, weil das Glas besser davon abgesondert worden; ge=
reinigter Stal aber ist zäher wie das Eisen, und es werden
aus diesem Degen und Federn und andre sehr biegsame und
elastische Geräte gemacht. Wenn Eisen in Stal verwandelt
werden soll: so ist eine HauptRegel, daß dazu kein kaltbrü=
chiges, welches doch, nach der Meinung des Verf. viel Glas=
teile enthalten soll, und also vorzüglich dazu geschickt seyn
müßte, genommen werde. - Aus dem Eisen kan Stal, u.
hingegn aus dem Stal ein weiches Eisen, bereitet werden: sie=
he Wallerius an angeführtem Ort §. 3. Nach der Theorie
des Verf. aber würde dieses bei zähem Eisen, welches doch
nach der Meinung des Wallerius am geschicktesten zum
Stalmachen ist, nicht statt finden können.
Ueberhaupt siehet man nicht ab, weswegen der Verf.
eine neue Theorie anzugeben sich bewogen gefunden habe, zu=
mal seine metallurgische Kenntnisse nicht die ausgebreitetsten sind,
und man auch wirklich Systeme hat, woraus sich die Phäno=
mene dieser Operation erklären lassen, welche in den Schrif=
ten eines Cramers, Gellerts, und andrer, gelesen werden
 
Johann Andreas Cramer: Anfangsgründe der Metallurgie, darinnen die Operationen so wohl im kleinen als grossen Feuer ausführlich beschrieben und mit deutlichen Gründen und Erläuterungen und 43 Kupf. tab. begleitet sind, in dreyen Theilen verfasset. Blankenburg und Quedlinburg: Reußner 1774 – 1777, Th. I – III.
Christlieb Ehregott Gellert: Anfangsgründe zur Metallurgischen Chemie. 2. Ausg. Leipzig, 1776. - Anfangsgründe zur Probierkunst: als der 2te. Theil der practischen metallurg. Chymie. C. E[hregott] Gellert. Leipzig 1772; Teil 1 m. d. T.: Anfangsgründe zur metallurgischen Chimie. - Anfangsgründe zur Probierkunst : Als der Zweyte Theil der practischen Metallurgischen Chymie, worinnen verschiedene neue Arten zuverläßig zu probieren, gezeiget werden. Christlieb Ehregott Gellert. - Neue mit einigen Zusätzen von dem Verfasser vermehrte Auflage. - Leipzig : Fritsch, 1772. – Metallurgic chymistry. Being a system of mineralogy in general, and of all the arts arising from this science … In two parts. Translated from the original German of C. E. Gellert, by I. S. With plates. London: printed for T. Becket 1776; Mikrofilm-Ausg.: Woodbridge, Conn.: Research Publications Inc. 1983 = The Eighteenth Century, reel 452, no. 4.
 
können. Die Scheidekünstler haben von dem wesentlichen
Unterscheid [sic] des Stals und Eisens nicht einerlei Meinung, u.
es gibt einige Hypothesen, die ihre berühmte Verteidiger ha=
ben. Daß der Verf. bemerkt, die LechtTeile stünden beim
Eisen blos in einer Zusammensetzung: ist sehr unpassend. Das
          Ver=
Neue Seite:
Nassau=Siegen.          305
Verhältnis derselben siehet hier so gut wie beim Stal in der
Mischung; wie denn überhaupt die Verhältniße der in Metal=
len und Mineralien befindlichen fremden Teile, durchgängig
mit diesen in einer Mixtion, und nicht in einer Aggregation
bestehen.
Der Verf. trägt in diesen Abhandlungen seine Sätze
durchgängig mit vielem Stolz u. sehr positiv vor. Man ver=
mißt bei seinen VerbeßerungsVorschlägen ganz die Vorsich=
tigkeit und bescheidene Zurückhaltung, die Hr. Medicus, bei
Uebername des Dekanats vom Verf. am 9 Decemb. 1779,
in seiner Rede - sehr weislich empfal: und die dieser hier
um so weniger aus den Augen setzen sollen, als ihm bei eini=
gem Nachdenken einleuchten mußte, daß er diese nicht außer
Acht lassen durfte, ohne die seitherige LanesAdministration
in einem nachteiligen Lichte darzustellen, und das Zutrauen
der Untertanen gegen diese zu schwächen.
Die Nassauischen Lande erkennen die Verdienste des je=
tzigen Hrn. GeheimenRats und RegierungsPräsidenten von
Preuschen, die der Verf. S. 339 der lezten Abhandlung
 
Georg Ernst Ludwig (I.) Freiherr von Preuschen von und zu Liebenstein, geb. Diethardt 26.02.1727, gest. Bad Ems 1.09.1794; seit 1778 nass. Regierungspräs. und Geh.-Rat in Dillenburg.
 
erhebt, und die ihn der Huld ihres Fürsten empfolen. Allein
Derselbe besitzt zu viele ware Verdienste, und schäzt diejenige
der würdigen Männer allzuhoch, die vor und mit ihm am
Wolstand des Siegenschen Landes gearbeitet haben; als daß
ihm ein Weihrauch nicht aneckeln sollte, der auf Kosten der
Warheit, und zur Verkleinerung ruhmvoller Männer, mit
einer sichtbaren Sucht zum Loben, ihm gestreuet wirken. –
Man könnte hiebei vielleicht einige Flecken in dem Charakter
und den Absichten des Verf. zeigen. Doch man reciprocirt
die Höflichkeit desselben S. 332, und läßt den Vorhang dar=
über fallen.
Man überläßt dem Publico zu beurteilen, ob und in
wie fern der Verf. bei seinen Raisonnements von Vorurteilen, viel=
leicht auch von Passion und Unzufriedenheit, frei zu sprechen
sei? und welche Giltig= und Glaubwürdigkeit seine Erzälun=
gen in diesem Betracht haben mögen. - Seine Feler bittet
          VIII. Heft 47.          X          man
Neue Seite:
306          Th. VIII. Heft XLVII.
man nach diesem Aufsatze zu verbessern; ihm aber empfielt
man für die Zukunft merere Behutsamkeit, Ueberlegung,
und reiferes Nachdenken, auch allenfällig zuverläßigere Cor=
respondenz. In welchem Fall das Publicum seine Verdienste
niemals verkennen, sondern sie rümen, und sein Vaterland
stolz auf ihn seyn wird.          **"
==
 
 
 
 
Die Korrektur durch "F."
68. 69 NachBerichte.          391
68.
Dillenburg, 18 Apr. 1781.
Zu oben S. 273-306 *.
Der hiesigen LandesRegierung war es viel zu ge=
ringfügig, und ist solche mit wichtigeren Arbeiten beschäf=
tiget, als daß sie die .... Jungischen Schriften hätte re=
censiren, geschweige den Verfassere bei der Regierung zu
Mannheim verklagen, und MinisterialGenugtuung
{z. Ex. daß diese Schriften mit Feuer sollten verbrannt wer=
den &. &. &.} verlangen sollen. Und es würde dieses Ge=
wäsche ganz unbeantwortet liegen geblieben seyn, wenn sich
nicht ein Privatus, der die nötigen Kenntnisse davon hatte,
daran gemacht hätte.
Uebrigens hatte sich der Hr. Prof. Jung, ob er gleich
ein hiesiges LandesKind ist, viel zu wenig LandesKenntnis
erworben, als daß er so entscheidend davon sprechen könnte.
Und da er als ein ganz junger Mensch außer Landes gieng,
wie selbst Stillings Leben beweiset: so ist leicht zu vermuten,
daß er sich damals noch sehr wenig um dieses Fach, da es be=
kanntlich seine Umstände nicht zuliessen, bekümmert hatte.
Der hier rückgehende Aufsatz ist sehr correct gedruckt,
außer folgenden wenigen Felern, welche ich zu bemerken bitte.
S.          Zeile         für                    lies
277        letzte         Triebkünste          Treibkünste
284          29          lies: teils mit MenschenHänden, teils mit
                          Maschinen
287          14          Lohn                 Lohe
294          letzte       Gewerben            Gewerken
298          12          RohEisen             RekEisen
-             20          RohEisen             RekEisen
303          22          RohStabEisen         RohStalEisen
-             32          Kuppe                Luppe
                                                        F."
 
 

Jung-Stillings Entgegnung

 
August Ludwig Schlözer's
Professors in Göttingen
der kaiserl. Rußischen Akademie der Wissenschaften in St.
Petersburg, der königl. Schwedischen in Stockholm,
und der kurfürstl. Bayrischen in München, Mitglieds
Briefwechsel
meist historischen und politischen Inhalts
-
Zehender Theil, Heft LV-LX.
Nebst vollständigen Registern über das ganze Werk.
[Vignette]
Göttingen,
im Verlage der Vandenhoekschen Buchhandlung
1782.
 
56     Th. X. Heft LV.
==
9.
Antwort auf die Stats= und Landwirtschaftliche
Nachrichten von Nassau=Siegen, welche von einem
Dillenburger Ungenannten oben Heft XLVII S. 273. als eine
Verteidigung eingerückt worden:
von Johann Heinrich Jung, Prof. zu Lautern.
Einem Manne, dem es nie einfiel, jemand zu be=
leidigen, vielweniger irgend einem Regierungs=Collegio in der
Welt zu nahe zu tretten; sondern der auf nichts anders
dachte, als dasjenige, was er hie und da beobachtet hatte,
gemeinnützig zu machen: muß es höchst schmerzlich fal=
len, wenn er seine gute Meinung so ganz in ein schiefes
Licht gesetzt siehet, wie es im gegenwärtigen Aufsatze ge=
schehen.
Ich fodre alle Leser des beliebten Schlözerischen Brief=
wechsels, vorzüglich aber diejenige auf, die meine Schrif=
     ten
 
Neue Seite.
 
9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     57
ten gern lesen, und vielleicht eine gute Meinung von mei=
nem Charakter gefaßt haben. Beide Gattungen Leser bit=
te ich, die Nachrichten meines Gegners, und nun auch
diese meine Antwort, mit unbefangenem Gemüte und
menschenfreundlichem Herzen zu lesen und zu beurteilen:
denn es kann ihnen doch nicht gleichgiltig seyn, mit so vie=
lem Scheine der Warheit, einen Mann als seicht, un=
wichtig, falschschließend, selbstgefällig u. s. w. geschil=
dert zu sehen, der als öffentlicher Lehrer gerad in einem
Teile der Wissenschaften angestellt ist, in welchem er obiger
unverzeilichen Feler beschuldiget wird. Ja was noch mer
ist: dies Beschuldigen geschieht von einem Landsmanne, der
in diesem Falle Glauben erwarten kan, indem er den Vor=
teil für sich hat, daß man von ihm vermutet, mich viel=
leicht persönlich zu kennen, und von Jugend auf beobach=
tet zu haben; oder, daß er unter allen am besten wissen
könne, ob ich in meinen angegriffenen Abhandlungen die
Warheit geschrieben.
Diese Betrachtungen müssen mich vollkommen recht=
fertigen, wenn ich es jetzt für meine Pflicht halten, mich
gründlich zu verantworten; so sehr es auch einem ehrlichen
Manne anständig ist, Lästerungen mit Stillschweigen zu
übergehen, besonders wenn sie von einem Manne vorge=
bracht werden, der das Licht scheut, sich ins Verborgene
hinstellt, und solchergestalt sein Schießgewehr ungeahndet
auf einen richten kan, der vor dem Angesichte der Welt
wandelt. Denn ein Ungenannter verdient in den meresten
Fällen keine Antwort; und diese Maxime beobachtete ich
auch, als vor mer als einem Jahre, ebenfalls von meinem
jetzigen Gegner, wenn ich nicht sehr irre, ein Broschürgen
wider mich, mit dem Titel: Schreiben eines Sieger=
länders an Hrn. Prof. Jung in Lautern, in Giesen
 
Siehe den vollständigen Text des Büchleins [Text Becher]!
 
gedruckt, heraus kam. Dergleichen fliegende Blätter sind
Schneeschauer des Aprils, die so geschwind unsichtbar wer=
den, als sie erscheinen, und daher nicht verdienen, daß
     ihrent=
 
Neue Seite.
 
58     Th. X. Heft LV.
ihrentwillen man eine Wildschur anziehe. Wäre der jetzi=
ge Aufsatz auf eben die Art ans Licht getretten, so hätte ich
abermals keine Feder angesetzt. Jetzt aber, da mein Gegner
in der so ansenlichen Gesellschaft der Correspondenten des
Hrn. Prof. Schlözers auftritt, jezt erforderts meine
Pflicht, diesen zudringlichen und zuversichtlichen Mann
öffentlich dem Publico in seiner ganzen Armseligkeit dahin
zu stellen.
Der Herr Gegner zeigt S. 273 folg. gleich Anfangs
seiner Nachrichten die Ursachen an, die ihn bewogen haben
sollen, gegen mich zu schreiben Sie bestehen kürzlich dar=
in: Da meine Abhandlungen vom NassauSiegen=
schen Eisen= und StalGewerbe, zuversichtliche Rä=
sonnements, freien Tadel, Schein von Gründlichkeit,
und Air von Sachkänntniß, so ich mir mit
grosser Selbstgefälligkeit zu geben wüßte, enthiel=
ten; so sei es seine Pflicht, dem Publiko meine
offenbare Feler, Unrichtigkeiten, und daraus her=
geleitete falsche Folgerungen, zu zeigen, damit es
nicht durch falsche Nachrichten hinters Licht ge=
füret werde.
Diese Ursache, und dieser Vorsatz, ist allemal löblich,
sobald die Hypothese wahr ist. Der Verfasser setzt sich
dadurch gleich Anfangs bei dem Leser in ein gutes Vorur=
teil. Kommt aber nun noch dazu, was er zugleich mit an=
fürt, daß er nämlich mit Unparteilichkeit und Warheits=
liebe zu Werke gehen, und meinen wirklichen Verdiensten
Gerechtigkeit widerfaren lassen wolle; ja wenn er mich so
gar noch erhebt, mir lebhafte Einbildungskraft, ziemli=
chen Beobachtungsgeist, viele Wißbegierde, und die Ga=
be mich naiv und kernhaft auszudrücken, zugesteht: so ists
fast unmöglich, daß nicht ein Leser, der von mir gar
nicht weiß, ihm Glauben beimessen, und mich für den
Mann halten muß, wie mich mein Landsmann geschildert
hat; ja sogar derjenige, der mich nicht aufs genaueste
     kennt,
 
Neue Seite.
 
9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     59
kennt, muß dabei zweifelhaft werden, ob er sich nicht an
mir versehe; und ob ich nicht der seichte Gelerte wirklich
seyn möchte, wozu mich dieser Anonymus so gern ma=
chen will.
Wie so sehr boshaft hat also mein Landsmann die
Mittel geordnet, die mich zu Grund richten sollen? Denn
ein solches Lob ist der höchste Grad des Tadels, weilen es
niemand so leicht für Tadel ansieht, und daher desto gifti=
ger wirken muß.
Jeder Leser bedenke nur unparteiisch die positiv nieder=
geschriebene, und sehr schiefe Züge, die mein Gegner von
meinem Charakter macht, und das gerad mit der Mine
eines Mannes, der mich Jahre lang ganz in der Nähe be=
obachtet hat: 'Jung (sagt er) ist einer von den ausser=
ordentlichen Menschen, die zu Lob und Tadel gleich vie=
len Stoff geben, den man erheben und verachten kan, ohne
die Gerechtigkeit zu beleidigen, der sich so gezeigt hat,
daß er bald mit Rum, bald mit Spott, aufgenommen
worden. - [']
Wo, Herr Gegner! wo mit Spott? Hat man mich
zu Dillenburg verspottet: so heist das nichts, denn die=
se Stadt hat eben sowenig wie jede andere, Anspruch auf
das Recht, dem Publiko den Ton anzugeben. Spott
habe ich nie erdultet, im Gegenteile von jeher als Ge=
lehrter die Freundschaft und Achtung der würdigsten deut=
schen Gelerten genossen. Schon zu Straßburg waren
Herder und Göthe [Goethe] meine waren Freunde; und so könnte
ich ein grosses NamensVerzeichniß berümter Männer
hieher setzen, wenn ich auf diese Art meinen im Dunkeln
schleichenden Gegner beschämen möchte. Was mich von
jeher drückte, war Armut. Diese gereicht mir aber bei allen,
die meinen Stilling gelesen haben, zu keiner Schande,
vielweniger zu seiner Verspottung.
Wäre es nun nicht billig gewesen, daß mir mein
Gegner hätte Gerechtigkeit widerfaren lassen sollen! Er
     hatte
 
Neue Seite.
 
60     Th. X. Heft LV.
hatte es versprochen, hütet sich aber sehr für allem, was
mir etwa rümlich seyn könte. Ich bitte alle meine Leser
diesen Punct wol zu bemerken: mein Landsmann schreibt
mir Eigenschaften zu, die, wenn ich sie wirklich hätte, mich
zu meinem Amte sehr unbrauchbar, und überhaupt zu
einem schlechten Mann machen würden; und was er zu
meinem Lob sagt, das betrift nur natürliche Geschicklich=
keiten, die der gröste Bösewicht eben so gut haben kann,
wie ich. Von den CharakterZügen des rechtschaffenen Man=
nes, der sichs zur Pflicht macht, auch seinem Feinde nütz=
lich zu seyn, und seine Kräfte, oft auf Unkosten seines
Glücks, im Dienste des NebenMenschen verzert, davon
sagt er kein Wort. Er spricht zwar von gerechten Prä=
tensionen auf Verdienst: aber wenn er all das Verhaßte,
und meinen guten Ruf tödende, von mir daher specificiren
wollte: so war es seine gröste Pflicht,, auch das rümliche
von mir mit eben der Lebhaftigkeit und Pünktlichkeit anzu=
zeigen. Wußte ers nicht: so wars impertinent, daß er
mich zu schildern versuchte; und wuste ers, so ist Schan=
de, es verschwiegen zu haben.
Ferner sagt der Verf.: "Jung gab sich von jeher
"einen zu grossen, einen zu vielfachen Wirkungs=Kreiß,
"und mischte sich in Fächer, die nicht die seinigen waren.
"Daher rüren dann größtenteils seine Feler; alles, was
"er nicht goutirt, oder was er seinen Ideen nicht angemes=
"sen findet, die er sich von Sachen schafft, deren ganzen
"Zusammenhang und Verbindung er, aus Mangel der Ge=
"legenheit, und vielleicht auch aus unzureichender Kenntniß,
"nicht einzusehen vermag: darüber verbreitet er gar gern
"seinen Tadel. – Dies ist wirklich etwas charakteristi=
"sches an ihm: und zur Beurkundung dessen beziehet man
"sich auf die Schleuder seines Hirtenknaben, und die Ro=
mane des Verfassers."
Herr Landsmann! Herr Landsmann das ist – das ist –
ich wag es nicht mit seinem rechten Namen zu
nennen, das ist abscheulich! –
     So
 
Neue Seite.
 
9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     61
So genau ich mich in allen meinen Gedanken, Wor=
ten, und Werken, zu prüfen pflege, und so gut ich mich
kenne: so darf ich ungeachtet meiner Feler, die ich,
wo es nötig ist, gern und öffentlich gestehe, getrost be=
haupten, daß von allem dem, was sie da sagen, nicht ein
Wort war sei: sondern es ist, teils vom Zaune gebro=
chen, teils vermutet, teils dazu gedichtet. Da diese
Stelle aus der Schrift meines Gegners eigentlich die giftig=
ste ist, weilen sie in einem glänzenden, unparteiisch und
noch zugleich liebvoll scheinenden Lichte da steht, und also
am allergeschicktesten ist, mir einen tödlichen Stoß beyzu=
bringen; so will ich mich nach der Warheit verant=
worten:
Erstlich soll ich mich in einen so grossen Wir=
kungskreiß, und in Fächer eingelassen haben, die nicht
die meinigen waren: daher sollen gröstenteils meine Fe=
ler rüren. - Ich berufe mich auf Gott, auf mein Ge=
wissen, auf alle meine Freunde, und auf meine gedruck=
te Lebensgeschichte, und fodre alle Menschen, die mich
von jeher gekannt haben, auf, mir zu zeugen, ob folgen=
des nicht wahr sei?
Ich wurde als der einzige Sohn eines Handwerks=
manns, im Hauße meiner GroßEltern, sehr sorgfältig, und
zugleich zu dem Handwerke meines Vaters, angefüret;
nebenher aber fühlte ich schon früh einen unwiderstehlichen
Trieb nach Wissenschaften. Dieser lenkte sich zu dem Fach,
wozu er Gelegenheit hatte. Mein Vater war zugleich
Schulmeister und Landmesser; ich lernte also gut rechnen
und schreiben, und seine geometrischen und mathematischen
Bücher gaben jenem Triebe Stoff genug zum Forschen.
Dies dauerte bis in mein zehntes Jar, als ich noch dazu
in die lateinische Schule geschickt wurde.
Von dieser Zeit an, bis in mein drey und zwanzigstes
Jar, blieb ich immer in einerlei Wirkungskreiße. Neben
     mei=
 
Neue Seite.
 
62     Th. X. Heft LV.
meinem BrodVerdienste verbrachte ich meine Nebenstunden
alle mit Mathematik, und Beobachtungen der Eisen= und
Stalhütten, wie auch der Eisen= und Stalhämmer.
Alles was Oekonomie heißt, zog mich an; und ich erin=
nere mich noch mit Vergnügen an die Tage, in welchen
ich Coleri Landwirtschaft, etwa im zwölften Jahre
 
Johannes Coler/Colerus gest. 23. Oktober 1639; Sein Werk war das erste in Deutschland erschienene umfassende ökonomische Werk, das Breitenwirkung hatte. Jung-Stilling wird es in der Ausgabe von 1711 gelesen haben. – Oeconomia Oder Haußbuch M. Iohannis Coleri, … Theil …, Darinnen bergiffen … ist, Wie ein jeder Haußwirt … seine Nahrung, nechst Gott anstellen sol, auch fruchtbarlich geniessen und gebrauchen … - Neu verbesserter Colerus oder neues Land- und Hauß-Wirtschaftsbuch worinnen alles, was ein Haußwirth und Landmann in seiner Haushaltung bey dem Ackrbau … zu wissen von nöthen hat, … enthalten ist, nebst einem bewährten Artzeney-Bucher --- Leipzig: Fritsch 1711, 892 S., [23] Bl. : Ill. ; 8°. - Coler, Johannes: Calendarium oeconomicum & perpetuum. Vor die Hau?wirt Ackerleut Apotecker vnd andere gemeine Handwercksleut/ Kauffleut/ Wanderßleut/ Weinherrn/ Gertner und alle diejenige so mit Wirtschafft vmbgehen (...). Wittenberg 1591. Nachdruck Leipzig 1988
 
meines Alters, ganz durchlas. Sonst lenkte sich mein
Trieb besonders auf die Erforschung sämtlicher Gewerbe;
so viel Zeit ich mir nur abmüssigen konnte, war ich zum
Loh auf der herrschaftlichen Eisenhütte, oder zur Allen= [Allenbach]
bach, oder in den Eisen= und Stalhämmern. Ueberall
waren meine Freunde und Verwandte entweder Schmelzer
oder Arbeiter in diesen Werkstätten; und mein Trieb nach
Wissenschaften war unermüdet, sie um alles auszufragen.
Sehen Sie, werteste Leser! so verbrachte ich mer
als die Hälfte meines Lebens; und ich weiß gewiß, daß
hier kein Mensch mich dessen beschuldigen kan, was mir
mein Gegner aufbürdet. Armer Wirkungskreiß eines
Bauernknaben, dem sein Brodverdienst, und andere
schwere Schicksale, schon sauer genug machten, so daß ihm
die Lust vergeht, sich von jeher in einen zu vielfachen
Wirkungskreis, und in fremde Fächer, einzulassen. Oder
waren Mathematik und Gewerbe jene Fächer, die mir
nicht zukommen? Wars meines Vaters Handwerk viel=
leicht, zu welchem ich blos allein bestimmt war? hätte ich
mich vielleicht nicht höher schwingen sollen? – Wer auf
diese Fragen ja sagen kann, der ist nicht wert, Mensch zu
heissen.
Als ich nun aus meinem Vaterlande ins Bergische
ging: so ernärte ich mich noch etwa ein Jahr auf meine
gewönliche Art, und kam darauf als Informator und
HandlungsAssistent zu dem berühmten Kaufmanne, Hr. Pe=
ter Johann Flender. Bei diesem vortrefflichen Haus=
wirte, der nicht allein grosse Landgüter, sondern auch eine
sehr starke EisenFabrik, hatte, (denn er betrieb für sich al=
     lein
 
Neue Seite.
 
9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     63
lein sieben Reckhämmer), lernte ich nun das praktische [sic] der
Landwirtschaft, Fabriken, und Handlung, durchaus kennen:
ich war in beiden Gewerben von Jugend auf erzogen, hat=
te neben her gute mathematische und mechanische Känntnisse
gesammelt, und mich also zur Guts= und Fabriken=Ver=
waltung fähig gemacht. Hr. Flender wußte das, er wußte
meinen Fleiß und meine Treue: daher vertraute er mir
sein etwas entlegenes Landgut mit zween Hämmern zur
Verwaltung. Diese bediente ich 7 Jare lang, lern=
te mittlerweile die HandlungsWissenschaft, und das Buch=
halten, aus dem Grunde: folglich war und blieb ich noch
immer in meinem anfänglichen Wirkungskreiße, und ich
wagte mich ganz und gar nicht in andere Fächer. Herr
Flender kann gefragt werden, wie ich mich bei ihm aufge=
führt habe; doch man lese meinen Stilling, so wird sich
das alles so finden.
Nun aber komm ich auf einen Punct, wo der Herr
Landsmann recht zu haben scheint; nämlich daß ich die Arz=
neikunde studirte: die ganze Geschichte steht abermals in
Stillings Wanderschaft. Ich muste ein BrodGewerb
haben; denn ich nahete mich dem Alter, wo ein jeder jun=
ge Mann darauf denken soll, eine eigene Haushaltung an=
zufangen. Zu meinem väterlichen Handwerk war ich nun
verdorben; Schulmeister zu seyn, war auch meine Sache
nicht; zur Handlung, Fabriken, und Landwirtschaft, gehör=
ten Geld und Güter; die hatte ich aber nicht: folglich blieb
mir nichts mer übrig, als zu studiren, und ich wandte mich
also zur Medicin. Mit welchem Fleiße, Mühe, und Eifer
ich dies Studium betrieb: dies können mir meine verehrungs=
würdige Lehrer, ein Lobstein und Spielmann, u. a. m.
bezeugen. Physik und Chemie waren aber eigentlich die
Wissenschaften, die ich mit vorzüglichem Fleiße studirte.
Nach geendigten Studien mußte ich, wie gewönlich,
um den DoktorGrad zu erlangen, eine Probschrift schreiben.
Hr. Prof. Spielmann, mit dem ich oft vom Siegenschen
     Stal
 
Neue Seite.
 
64     Th. X. Heft LV.
Stal geredet, und behauptet hatte, daß es natürlicher Stal
sei, munterte mich auf, diese Materie zu meiner Disputation
zu nehmen. Ich schrieb also eine Dissertation unter dem Ti=
tel: Specimen Historiae Martis Nassovico-Siegenensis,
 
Der vollständigen Text dieser Arbeit findet sich [Text der Prom]!
 
ließ auch besagtem Hrn. Prof. Spielmann einige Stalber=
ger Stufen, nebst einem Stückelgen rohen und geschmie=
deten Stales kommen, damit er die Sache untersuchen
möchte. Daher nam ich nun meine Hypothese von dem
vermutlichen Unterschiede des Stales und Eisens, wie auch
des natürlichen Stales vom künstlichen; eine Hypothese,
die ausser meinem Gegner noch kein Mensch angegriffen
hat: im Gegenteil ist diese meine Dissertation in den be=
rühmten Göttingischen gelerten Anzeigen zu seiner Zeit sehr
 
Der Text dieser Rezension findet sich Text [Prom Rez dazu]!
 
erhoben worden. In der Vorrede zu meiner oft gedachten
Abhandlung, versprach ich auch, eine ausführliche Geschichte
von dem Nassau=Siegenschen Stal= und EisenGewerbe zu
liefern, welches aber bis daher aus vielerlei Ursachen noch
nicht hat geschehen können.
Darauf lies ich mich in Elberfeld häuslich nieder,
und übte nun meinen Beruf nach bestem Vermögen
aus. Indessen war ich doch immerfort auf mein Lieblings=
fach der Landwirtschaft, Fabriken, und Handlung, aufmerk=
sam: und so sammlete ich mir nebenher noch immer Kennt=
nisse von dieser Art, als wozu ich dort die schönste Gele=
genheit hatte. Indessen wagte ich mich wieder in weiter
nichts, spannte meinen Wirkungskreis nicht jenseits mei=
ner Sphäre aus, sondern ich lebte still und meinem Beru=
fe getreu.
Endlich wurde ich mit der hiesigen Physikalisch=
Oekonomischen Gesellschaft bekannt. Ich bekam An=
laß, Abhandlungen für sie zu schreiben; einige verfertigte
ich noch in Elberfeld, und die folgenden hier. Eben
aus dem Trieb meines Charakters, nam ich den Ruf nach
Lautern als Lerer meine Lieblingswissenschaften an;
denn ich fand, daß mir die Medicin weniger angemessen
     war
 
Neue Seite.
 
9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     65
war, und daß ich weniger mein Glück damit würde ma=
chen können.
Wenn nun der unparteiische Leser diese meine ware
und notorische Geschichte, die mir ja von hundert Men=
 
notorisch: hier = offenkundig, allbekannt.
 
schen, die mich kennen, widerlegt werden könnte, wenn
sie falsch wäre, aufmerksam durchliest, so wird er finden,
daß mein Charakter gerad das Gegenteil von dem sei, was
mein Gegner so positiv, und so ganz ungegründet von mir
behauptet: denn ich blieb meinem natürlichen Fache immer
getreu; ich war von jeher theoretischer und praktischer Oeko=
nom, und würde gar nichts anders jemals versucht ha=
ben, wenn ich Vermögen, und also nicht nötig gehabt
hätte, für ein BrodGewerbe zu sorgen. Was ich also als
Knabe, als Jüngling, als Mann war, das bin ich noch,
ich bin noch in meinem natürlichen Fache und in meinem
natürlichen Wirkungskreise.
Mein Gegner sagt weiter sehr lieblos: "Alles was
"der Verfasser nicht goutirt, seinen Ideen nicht ange=
"mesen findet, oder nicht einsieht, das tadelt er gar
"gern, das ist etwas charakteristisches an ihm, und
"zur Beurkundung dessen bezieht man sich auf die
"Schleuder eines Hirtenknaben, und auf die Romane
"des Verfassers. ["] – Gütiger Himmel! das soll ein
Hauptzug meines Charakters seyn! Ich, der ich von Ju=
gend auf die schwersten Leiden und Ungerechtigkeiten der
Menschen still und gedultig ertragen habe; so sehr oft auch
dann, wann ich mich hätte rächen können, mich nicht räch=
te. - Doch das Declamiren hilft hier nicht, damit lässt
sich mein so ganz feindseliger Landsmann nicht abspei=
sen. Einmal in meinem Lebe schrieb ich eine Streitschrift,
nämlich die Schleuder, darüber habe ich mich anderwärts
gedruckt erklärt, und diesen Schritt selbst gemisbilligt.
Und meine Romane, was zeugen sie dann wider mich,
und was tadle ich? - ich beurteile Tugend und Laster
nach meinen moralischen Begriffen, und ich berufe mich
auf alle Leser meiner Schriften, deren gewiß eine beträcht=
     X. Heft 56.     E     liche
 
Neue Seite.
 
66     Th. X. Heft LV.
liche Menge ist, ob sie das darin finden, war mein Gegner
darinn sehen will. Hat denn ein jeder rechtschaffener
Mann nicht die Pflicht auf sich, nach seinem besten Wis=
sen und Gewissen den Weg der Tugend zu leren, und vor
den Lastern zu warnen? wo habe ich je etwas getadelt, je
etwas beurteilt, das ausser meine Sphäre liegt? – bin ich
nicht Mensch, nicht Christ? - habe ich nicht als Gelerter
die Pflicht auf mir, Erkenntniß auszubreiten, wo ich kann?
Wenn ein Gelerter in seinen Schriften Sätze behauptet, die
anerkannt falsch sind, die dem gesunden MenschenVerstande
widersprechen, und nach diesen dann andere rechtschaffene
Leute hofmeistert und herunter macht: dann erst verdient
er den Nemen eines eigensinnigen Schiefkopfes und allen=
falls eine gründliche Widerlegung; doch aber keine solche
Verhandlung: denn die Warheit hat solche Waffen nicht
nötig. Daß ich aber so in meinen Romanen nicht ver=
faren, das zeugt mir die Stimme des Publicums: Stil=
ling verbreitet keinen Tadel, Morgenthau keinen, und
Florentin von Fahlendorn, auch keinen über Sachen,
die ich nicht verstehe, und die mir nicht zu beurteilen zu=
kommen. Ueberall rede ich von allgemein anerkannten
Lastern dreist die Warheit; sonst findet man nirgends Ta=
del dessen, was nicht Tadelnswert ist. Kein Mensch in
der Welt sagt das anders, als mein Gegner: der aber hat
noch keine Stimme im Publicum; denn er hat sich weder ge=
nannt, noch sonst als ein glaubwürdiger Mensch legitimirt.
Er hätte Beispiele aus meinen Romanen anfüren sollen:
so würde ein jeder Vernünftiger sogleich imersten Augen=
blicke gesehen haben, daß er mir Gewalt und Unrecht tut;
davor hat er sich aber sehr gehütet. Will er aber in gegen=
wärtiger giftigen Schrift Beispiele von der Art anbringen,
so wollen wir nun bald sehen, wo das hinaus läuft. Alle
meine Freunde wissen, wie gern ich mich beleren lasse,
und wie wenig ich auf einem Satze beharre, den ich nun
besser erkannt und eingesehen habe. Ich neme Sie zu Zeu=
gen, welche Mühe ich darauf verwende, in meinen Wissen=
     schaf=
 
Neue Seite.
 
9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     67
schaften meine Kenntnisse zu berichtigen und sie geläutert
vorzutragen. Dies, Herr Landsmann! dies ist mein Cha=
rakter: und ein Mann mit solcher Lernbegierde und Hun=
ger nach Warheit, die so sehr die Unvollkommenheit aller
menschlichen Wissenschaften einsieht, kan unmöglich jenen
abscheulichen Charakterzug haben: alles, was er nicht gou=
tirt, zu tadeln; das kan nur der, welcher glaubt, ausge=
lernt zu haben. Doch weiter!
Es verriete nicht blos Unwissenheit in meiner vater=
ländischen Geschichte, sondern Stolz, wenn ich behaupten
wollte: der erste Siegerländer zu seyn, der etwas
hätte drucken lassen; Ich wollte einem Gebirge einen
Namen geben, weil ich der erste Schriftsteller bin,
der etwas von der Lage, und geographischen Be=
schaffenheit des Vaterlandes geschrieben hat.
S. 276 bis 277 werde ich wegen der Beschreibung
des Müsener Stalbergs, und seiner FörderungsMaschi=
ne, bitter hergenommen. Damit aber ein jeder sehe, wie ganz
ohne Grund das geschieht, so bitte nur folgenden Umstand
wol zu beherzigen. Denn was ich jetzt sagen will, wird
die ganze hämische Schrift meines Gegners größtenteils
und fast durchaus entkräften.
Wo habe ich wol nur Anlaß gegeben, daran zu denken,
viel weniger gesagt, daß meine sämtliche Abhandlung so
wol, als nur eine einzige derselben, eine mineralogische
Beschreibung der Siegenschen Bergwerke seyn soll? Mein
Zweck war nur, Bemerkungen über den NarungsZustand
meines Vaterlandes zu schreiben: folglich war er nur po=
litisch und Statswirtschaftlich. Ist es denn nun
redlich gehandelt, wenn mein Gegner sich so kün und bos=
haft hinstellt, und mich von oben herab unter die Füsse
tritt, und mir dictatorisch befielt, ich sollte in Stats=
wirtschaftlichen Bemerkungen die mineralogische Ter=
minologie beobachten, jedes einzelne Bergwerk umständlich
und bis auf die kleinste Kleinigkeit beschreiben, und eben so
mit Hütten und Hämmern verfaren? – Bemerkun=
     E 2     gen
 
Neue Seite.
 
68     Th. X. Heft LV.
gen schrieb ich, und das sind Abhandlungen, in welchen
man nicht mer sagt, als der Zweck erfodert. Weitläuf=
tige Gegenstände behandelt man da summarisch, und nur
in so fern, damit der vorhabende Gegenstand kenntbar ge=
nug werde, um das sagen zu können, was man sagen will;
und Statswirtschaftlich sind sie: denn ein jeder nur halb
Vernünftiger sieht gleich, so bald er nur eine einzige dersel=
ben aufmerksam durchliest, daß mein ganzer Zweck kein an=
derer war, als den NarungsZustand des SiegerLandes
zu schildern. Noch viel deutlicher aber muß es demjenigen
einleuchten, welcher alle meine Abhandlungen in unsern Be=
merkungen der Reihe nach durchliest. Wo bleibt nun der
größte Teil der so bittern Recension meines Gegners,
in gegenwärtiger Schrift? - Denn seine meresten und
bittersten Vorwürfe sind die, daß ich bei Bergwerken nicht
bergmännisch, bei Hütten und Hämmern nicht Sieger=
ländisch Kunstmäßig, oder kurz zu sagen, ihm nicht weit=
läuftig genug geschrieben habe. Wäre es nicht von einem
Statswirtschaftlichen Schriftsteller äusserst lächerlich, wenn
er die Bergwerke eines Landes in bergmännischen Kunstwör=
tern, und mit aller nur möglichen mineralogischen Genauig=
keit beschreiben wollte, indem er sie ja nur als Narungs=
Quellen angeben will? – Charpentier, Ferber, und
Born sind freilich wackere Männer für den Mineralogen:
aber als solcher schrieb ich nicht; ich bin Landwirt, Tech=
nologe, Stadtwirt, oder überhaupt Oekonom; und in diese
Fächer meines Lerstules schränke ich mich jetzt ganz ein. Das
Fach der Mineralogie ist meinem würdigen Collegen, dem
Herrn Professor Sukow [Suckow] anvertrauet, der solche mit der
größten Gründlichkeit als Professor lert, und als Schrift=
steller erweitert. Dann erst würde ich den Vorwurf mei=
nes Gegners warhaft verdienen, meinen Wirkungskreis
zu sehr auszudenen, wenn ich nach dem gelert schei=
nenden, aber warhaft lächerlichen Ansinnen meines Geg=
ners, gegenwärtig eine Gegend mineralisiren wollte. Wo
bleibt nun die ganze Schulmeistermäßige Recension von 276
und 277?
     Fer=
 
Neue Seite.
 
9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     69
Ferner soll ich viel Aufhebens von der Stalberger För=
derMaschine machen. Ich bitte doch meine Leser, aus Liebe
zur Warheit nur die Stelle aufzuschlagen; sie steht in den
Bemerkungen der Physikalisch=Oekonomischen Gesellschaft
vom Jahre 1777. S. 172. Der Verfasser sagt: sie sei mit
den FörderungsMaschinen der Harzer, Ungrischen, und
Kursächsischen gar nicht zu vergleichen. Aber mein Herz
hat auch gar nicht daran gedacht, diese Parallele anzustellen. Ich
habe so viel von den obigen künstlichen Maschinen, desgleichen
von den Zinn= und KolenBergwerken in England gele=
sen, die herrlichsten Kupfer derselben durchstudirt und be=
trachtet, ja ich habe Kunstwerke genug in ihrem Bau und
Gange gesehen, die meines Oheims Stalberger Förderungs=
maschine weit übertreffen, daß es mir nie einfallen konnte,
diese mit jenen zu vergleichen. - Hier schildert er mich
als einen Mann, dessen mechanische Kenntnisse nur Bruch=
stücke seien, gerad als wenn er mich über die Mechanik exa=
minirt hätte, oder gar aus seiner Behauptung aus guter Hand
gewiß wäre. Herr Landsmann! Sie handeln sehr unhöf=
lich und unbescheiden. Wenn ich eine GewerbGeschich=
te zu statswirtschaftlichen Bemerkungen schreibe, so ists
wieder nicht nötig, einen so weit von meinem Zwecke ent=
fernten Punkt, als eine solche Maschine ist, bis aufs
kleinste Stück, und aufs genaueste zu beschreiben, viel we=
niger, wie mein Gegner fordert, Rheinländische und Sie=
gensche Schuhe gegen einander zu vergleichen. Wäre mein
Zweck technologisch gewesen: so hätte der Verfaser noch
etwas Grund, aber so war er statswirtschaftlich. Doch
was weiß er, was zur Anordnung einer guten Schrift ge=
hört, er, der bald will, das ich mineralisiren, bald,
daß ich technologisch schreiben soll? Und noch ist es eine
grosse Frage, ob er von beiden das mindeste versteht? Denn
seine gegenwärtige Schrift beweist dies nicht.
Mein Landsmann sollte sich also billig schämen, daß
er, durch diesen ganz unzeitigen Aufsatz so wol, als auch
besonders durch diese Stelle, den bescheidenen ehrwürdigen
     E 3     Greis
 
Neue Seite.
 
70     Th. X. Heft LV.
Greis kränkt und drückt, der die Stalberger Förderungs=
Maschine baute, und der mein Oheim ist. Einen solchen
Mann, dessen Asche noch die spätesten Enkel segnen müssen.
Denn was hat Er nicht gutes gestiftet, wie manchem Ar=
men Brod und Narung gegeben; wie sehr verdient Er
die Liebe seines Volkes, und wie wenig hat Er bei dem al=
lem je auf Ehre und Belonung gesehen? – So un=
schuldig und unverdient muß also der rechtschaffene Johann
Stilling durch mich leiden. Die hohe LandesRegierung
zu Dillenburg hat seine Verdienste auch von je her er=
kannt, und läßt ihm Gerechtigkeit widerfaren. Und wer
sind Sie, dunkler unbekannter Mann! daß Sie's wa=
gen dürfen, seine SilberHaare noch grauer zu machen?
Denn wollen Sie's wol glauben, daß Ihre impertinente,
durch und durch gleißnerische, und mit giftiger Schminke
übertünchte Schrift, meinen vortrefflichen Oheim Tränen
gekostet hat? - Und ich frage Sie: hat Er das ver=
dient? - Ein Mann, der blos durch eigene Kraft,
Nachdenken und Bücherlesen sich aus dem dürftigsten Bau=
ernstande erhob, mit unsäglicher Arbeit sich durch alle Kennt=
nisse des Bergbaues durchkämpfte; ein Mann, der mit
einem warhaft grossen Genie, das vortrefflichste Herz ver=
bindet, und überall, so weit er nur wirken kann, Liebe
und Woltun verbreitet, der muß am Ende seiner Tage se=
hen, daß man seine Werke im öffentlichen Drucke herunter
setzt. Rede du, mein ganzes Vaterland, wo Greise und
Kinder den Bergmeister Jung segnen, und sich bei langen
Winterabenden von seinen Talenten, und noch mer von
seinem vortrefflichen Herzen unterhalten. Dies ist kein
poetischer Prunk, keine Hyperbel. Nein, es ist reine
Warheit. O edle deutsche Leser! ich darf, darf nicht
sagen, was jetzt mein Herz denkt.
War es denn nicht viel, undankbarer Landsmann!
daß ein Bauer die Stalberger FörderungsMaschine er=
fand, und ist sie in dieser Rücksicht nicht ein Meisterstück;
und hat sie nicht jeder, so gar Harzer BergBeamte, dafür
      er=
 
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9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     71
erkannt? Die hohe LandesRegierung selbst gab ihm das
gebürende Lob.
Und dann sagen Sie: Geheimniß des Hebels sei
ein unpassender Ausdruck. Es ist freilich kein terminus
technicus, aber doch eine sehr erlaubte rednerische Figur,
die darum wol anzuwenden ist, weil sie von dem Begriffe,
den sie erzeugen soll, angemessen ist. Daß ich eine Ma=
schinenBaukunst heraus geben wollte, kommt meinem Geg=
ner sonderbar vor. Ich schrieb diese Abhandlung in El=
berfeld, ehe ich daran dachte, Professor in Lautern zu
werden. Damals hatte ich wirklich im Sinne, die be=
rümtesten Maschinen zu analysiren, ihre Kräfte zu berech=
nen, und so das Geheimniß des Hebels zu entwickeln, dar=
nach wollte ich dann diese einzelnen Teile wieder zusammen
verbinden, und so ein LerGebäude daraus bilden. Dies
Unternemen war meinem in mich gelegten Triebe Mechanik
zu treiben, und dem ich so viele Stunden meiner Jugend
und JünglingsJare gewidmet hatte, gänzlich angemessen;
jetzt aber fällt dies bei meiner Berufs= und AmtsVerän=
derung ganz weg, weil ein sehr würdiger Mann an mei=
ner Seite steht, dessen Fach die Mechanik ist.
S. 278. So ist denn der Stalberger tiefe Stol=
len schon so weit fertig! - Ists denn der Rede wert,
nur darum die Feder anzusetzen? Im Jahre 1776, da ich
diese Abhandlung verfaßte, schrieb ich, der Stollen werde
seit 40 Jaren bearbeitet, und könne nun in 10 bis 12 Ja=
ren fertig seyn. So glaubten die Siegenschen Bergleute selbst.
Nun frage ich einen jeden Vernünftigen, ob das rügens
wert sey? Kann sich denn das Gebirge wärend der Zeit von 4
bis 5 Jaren nicht geändert haben, so daß es sich bessere schies=
sen und bearbeiten ließ? Ja nach dem eigenen Geständnisse
meines Gegners ist er nicht zum wirklichen Durchschlage
gebracht, sondern nur der Stein angehauen, und die Was=
ser gelöst. Folglich kann es immer noch lange dauern, so
daß meine ohnehin nur beiläufig angestzte Zeit so weit nicht
gefelt seyn wird.
     E 4     S. 279.
 
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72     Th. X. Heft LV.
 
Ziffer 7 steht auf dem Kopf.
 
S. 279. Daß der Eisenzecher Gang mer als 80
Lachter halten soll, glaube ich nicht. Ich habe diese Nach=
richt aus meiner InauguralDissertation genommen; und
dazu gab mir mein Oheim den Stoff. Dieser ehrliche Mann,
der dort Bergmeister ist, und diese Grube so oft und viel=
fältig befaren hat, muß es doch wissen.*
Herr Gegner, Sie sind impertinent, Sie schrei=
ben da Sachen hin, die Sie nur blos von hören sagen ha=
ben, und beschuldigen mich doch der Eile und Flüchtigkeit.
Sollte das der Bergmeister nicht besser wissen, als Sie!
Welche Hütten, ausser der Lohischen oder herrschaftli=
chen, haben denn die Erlaubniß 1 ½, 2 bis 3 HüttenReisen
zu machen? - Alle Hütten, die ich kenne, haben die
Erlaubniß nicht, und ich kenne sie doch fast alle. Gesetzt
aber auch, einige hätten diese Erlaubniß: so weiß ich
doch kein Beispiel, daß man, ausser auf dem Loh, im
Frühjare, und Herbste, gehüttet, d. i. geschmolzen habe,
und wenn es denn auch auf einer oder andern Hütte erlaubt
wäre, so tut das meiner Abhandlung wieder nichts. Auf
den meresten darf doch nur im Herbste ein ViertelJar lang
gehüttet werden. Und das ists, was ich sagen wollte:
man schränke dadurch das Commercium ein. In=
dessen behaupte ich nicht, daß man ohne Unterlaß hütten
müsse; alles soll durch eine weise Oekonomie verwaltet
werden. Man vermere erst die järliche KolenMasse, und
schmelze dann so viel, als die Bergwerke an Stal= und Eisen
=Stein unter dem fleißigsten und kunstmäßigen Betriebe nur
ausgeben können.
Ueber diese Sätze greift mich nun mein Gegner sehr hart
an. In meiner Abhandlung, die wir jetzt vor uns haben,
von S. 180 bis 188 habe ich nach meiner Einsicht und mei=
     nem
---
* Aus gewissen Ursachen finde ichs nötig, hier zu erin=
nern, daß meine Siegenschen Freunde, keinen ausgenommen,
an meinen Abhandlungen samt und sonders nicht den entfern=
testen Anteil haben, ausser was mir mein Oheim, auf mein
Ansuchen, an Nachrichten zu meiner Probeschrift lieferte.
 
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9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     73
nem Zwecke gemäß, statswirtschaftliche Bemerkungen aus
der vorhergehenden GewerbsGeschichte gefolgert.
Notorisch und gewiß ists, daß keine SchmelzHütten
mer gebaut werden, und daß die jetzigen nur einen kleinen
Teil des Jars schmelzen dürfen, eine oder die andere ma=
chen jeher keine Ausname. Eben so gewiß ists, daß keine
Eisen= und Stalhämmer mer gebaut werden dürfen: daher
theilen sich die Erben der Hütten und Hämmer so klein ein,
daß mancher nur eine Stunde in einem Umgange zu hütten
und zu schmieden hat. Ist das nun nicht Einschränkung?
Aber weder die Regierung noch die Berg= und HüttenCom=
mission können da etwas so leicht ändern; und es ist freilich
Ihre Schuld nicht. Ein jeder weiß, wie schwer und un=
möglich es oft ist, alte Zünfte, ich will nicht sagen, auf=
zuheben, sondern nur etwas in ihrer Verfassung abzuän=
dern. Ich weiß auch, daß dort rechtschaffene Patrioten
über diese verhaßte ZunftEinrichtungen seufzen und weh=
klagen. Denn mein Gegner mag sagen, was er will, so
ist die HammerschmiedsZunft sehr gesunken; und das blos
durch ihre eigene, gewissermaßen geschlossene ZunftVerfassung.
Jetzt bitte ich meine Leser, folgendes wol zu bemerken.
Im Siegenschen leidet die Zunft nicht, daß merere Häm=
mer gebaut werden; der benachbarte Westfälinger, der zum
Absatze ins Bergische eben so bequem liegt, selbst Kolen
genug, aber keine EisenBergwerke, oder doch sehr wenige, hat,
baut sie indessen nach Belieben, geht und holt den Sieger=
ländern das rohe GußEisen vor der Nase weg, verschmie=
det und verkauft es den Bergischen Fabrikanten bey guter
Muse. Weil nun im Siegenschen, eben durch jene Einschrän=
kung, der HammerHerren so viel sind, und ihre Zeit so
ungemein klein eingeteilt ist, so eilen sie in der kurzen Zeit
eine Menge auf die Wage zu schmieden. Das StabEisen
wird nun weder gar, noch klein genug; der Bergische Fa=
brikant muß so viel merere Mühe darauf verwenden, mit=
hin zalt er weniger. Mein Gegner redet von dieser Sa=
che, so wie er es versteht. Er behauptet, das Siegensche
     E 5     Eisen
 
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74     Th. X. Heft LV.
Eisen ging ja warm weg, mithin sei der Bergische Fabri=
kant damit zufrieden. O armseliger Handlungskundiger!
Wie kommen Sie doch dazu, mich zu hofmeistern, da Sie
nicht einmal die AnfangsGründe der HandlungsWissenschaft
wissen? - Freilich muß der Fabrikant solche verdorbene
rohe Waren haben, wenn er guten Abgang hat, und sie
anderwärts her nicht in hinlänglicher Menge haben kann.
Gehen Sie doch bei dem StrumpfWirker in die Schule:
denn der weiß schon, daß er, um sein Handwerk fortzu=
setzen, schlechte Wolle nehmen muß, wenn er keine gute
haben kann. Es ist ja einer von den ersten Grundsätzen der
HandlungsPolizei: daß man mit allem Fleisse dafür
sorgen müsse, damit die ausgehende Waren Gut
seien. Und daß das Siegensche Eisen durchgehends zu roh
und zu dick sei, und daher weniger gelte, als es tun kön=
ne, das wissen ja alle Sauerländer Furleute. Die können
meinen Gegner unterrichten, wenn er anders keine Lere an=
nemen will. Was will dich ein Dillenburger StubenGe=
lerter, mit vielem geschmierten Hokus=pokus, und warschein=
lichem Gewäsche, der Welt einen blauen Dunst vormalen,
um einen ehrlichen Mann zu unterdrücken. Seine gan=
ze Abhandlung zeugt, daß er nicht die allermindeste
praktische SachKenntniß hat, und doch stellt er sich hin, und
hofmeistert einen Mann, der bei dem Gewerbe erzogen ist;
und hernach sieben Jahre lang aufs genaueste, und praktisch
damit umging, und der, aus lauter patriotischer Liebe für
sein Vaterland, die Feler, die dort im Gewerbe vorgingen,
zeigen wollte. Es ist ja die größte Frechheit, die man sich
nur denken kann, meine Sätze für die offenbarste Unwar=
heit auszuschreien.
Ferner bedenke nur ein jeder Vernünftiger: Ich ha=
be selbst viele hundert Karren Eisen den Westfälingern ab=
gekauft, und für jede einen ReichsTaler mer bezalt, als
für eine Nassauische, welche, bei eben dem Gewicht, und
eben dem Stoffe, zween bis drei Stäbe weniger hat also we=
niger bearbeitet und weniger Gar ist. Diese hält bei einem
     Ge=
 
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9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     75
Gewichte von tausend Pfunden höchstens 8 Stäbe, hinge=
gen die Westfälische 9 bis 11. Wie viele Tausend Taler
gehen also das Siegerland verloren, und das blos durch
die Einschränkung des Gewerbes. Sollte mich das nun
nicht schmerzen, daß ich mit Augen sehen mußte, wie mein
Vaterland durch seine Zunftfeler sein herrliches Gewerbe
ausser Land trieb? - Mein Gegner sagt, es sei nicht
war, daß rohes Eisen ausgeführt werde. Aber man sage
mir nur, woher bekommen denn doch immermer die West=
fälinger das rohe Eisen auf ihre Hämmer? und woher nimmt
die beträchtliche Menge OsemundHämmer in der Grafschaft
Mark ihr rohes Eisen her? Ich weiß es so gewiß, als ich
lebe, daß alles dieses Eisen von den Gränzen des Sieger=
landes abgeholt, und innerhalb derselben heraus gefaren
wird. Hat das Anspach Saynsche so viele EisenHütten,
um jene Werker alle zu besorgen? oder in welchem Lande
sind sie? Wäre es nicht viel klüger, wenn die Sieger=
länder noch so viele Hämmer bauten, um auch jenes Eisen
zu vernutzen? Ist das auch unreif raisonnirt?
Ich sage, das Land sei arm, und das ist war, aber
nur in Beziehung auf seinen natürlichen Reichtum. An
sich mag es wolhabender seyn, als alle Länder, die an das=
selbe anstossen. Wenn ich behaupte, ein Fürst sei arm,
so verstehe ich das nicht so, als wenn er kein Brod hätte.
Die Siegerländer ernären sich alle, aber kümmerlich, das
weiß ich unwidersprechlich gewiß, ich habe selbsten auf
alle Weise Erfarung davon. Denn es sind gewiß über 500
Bauern dort, an deren Tische ich oft und vielfältig gespeist
habe. Das Land ist in dem Verhältnisse nach nicht auf die
gehörige Weise beschäftiget: denn was auch mein Gegner
dort von Fabriken und Manufakturen sagt, so reicht das
noch lange nicht zu, die ganze Bevölkerung in geschäfftigen
Wolstand zu setzen. Zum unwidersprechlichen Beweise
dessen füre ich nur die bis in die kleinsten Läppchen zerteilte
BauernGüter an. Die MenschenMenge wächst fort, die
HauptNarungsQuelle, die Eisen= und StalFabrike, ist auf
      ge=
 
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76     Th. X. Heft LV.
gewisse Familien eingeschränkt *. Die Leute müssen doch le=
ben; daher setzen sie sich auf ihre kleine LapenGutes, hal=
ten ein Par Stück Rindvieh, und durch die größte Indu=
strie und Sparsamkeit bringen sie's dahin, daß sie kümmer=
lich fortleben können. So ist durchgehends der Bauern=
Stand beschaffen. Daß es aber auch wohlhabende Leute dort
gibt, das ist war. Denn die Hütten= und HammerGe=
werke sind Bauern, weil aber die andern, die keinen Teil
an der Fabrike haben, auf so kleinen Gütern sitzen, so kön=
nen sie nichts verkaufen, mithin kommt ihnen der Segen
des Landes sehr wenig zu statten.
Was mein Gegner von Fabriken und Manufakturen
daher pralt, das wollen wir näher beleuchten. Er gibt
neben der Haupt=Eisen= und StalFabrike 8 bis 19 Reck=
hämmer an. Wenn er doch diese nur weggelassen hätte;
sie sind lauter Schaden und Verderben für die Besitzer und
das Land.. Hätte er sich nur die Mühe geben wollen, sich
genau nach dem Betriebe der Siegenschen Reckhämmer zu
erkundigen, so würde ers so gefunden haben, wie ich sage;
das war aber nicht nötig, er glaubt, es sei genug zum
Ehr abschneiden, wenn man nur so etwas auf geratewol
dahin schmiert, und ihm dann so einen mineralogischge=
lerten, und etwas modischen Anstrich gibt; besonders wenn
man dabei die Impertinenz hat, sich ganz vollkommen Sach=
kundig anzustellen, und mit erhaschten KunstWörtern um
sich zu werfen. Man bedenke nur: die Reckhämmer müs=
sen mit Steinkolen getrieben werden, diese hat das Sieger=
land nicht, sondern sie müssen aus der Nachbarschaft der
Bergischen Fabrikanten geholt werden. Die Waren der
Reckhämmer gehen nach Holland, den Rhein hinab. Den
     hat
---
* Ich muß mich sehr in Acht nehmen, daß mir mein Geg=
ner die Worte nicht wieder verdreht, wie ers gewohnt ist. Ich
sage nicht, daß niemand Teil an Hütten und Hämmern ha=
ben könne, als wer aus einer von jenen Familien ist. Wer
die Zunft gewinnt, das Handwerk lernt, und dann noch Geld
genug hat, einige hundert Taler an ein kleines Stücklein
Hammer= oder HüttenZeit zu verwenden, der kann dazu kom=
men; aber welcher Siegerländer kann das?
 
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9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     77
hat nun der Bergische Fabrikant wieder vor der Türe, der
Siegerländer aber ist 12 bis 20 Stunden davon entfernt.
Wie ist es nun möglich, daß der Siegerländer mit dem
Bergischen Fabrikanten verkaufen kan? besonders da auch
im letztern Lande die Menge der Reckhämmer schon zu groß,
und die Ware unter dem Preise ist. Als meine Verwand=
ten einen Reckhammer bauen wollten,. da riet ichs ihnen
ernstlich ab; sie bauten doch, und jetzt beklagen sie's im
höchsten Grade, daß sie mir nicht gefolgt haben.
Die Dreslerische Siamois Manufaktur in Siegen
 
Adolf Albert Dresler geb. Siegen 27. September 1713, begr. ebd. 27. Juni 1787; gründete 1754 eine Leinen- und Baumwollfabrik mit einer Siamosenweberei, Kappen- und Strumpfweberei; Erfinder des künstlichen Wiesenbaums. – Irle: Siegerländer Persönlichkeiten … S. 75 mit Lit.
 
ist recht brav, und Herr Dresler verdient den wärmsten
Dank aller Patrioten; aber auch drei solcher Manufak=
turen sind bei weitem nicht im Stande, auch nur die einzige
Stadt Siegen zu beschäftigen. Da wimmelt es ja noch
von armen arbeitslosen Händen! Und was will denn doch
die WollenManufaktur in Siegen sagen? sie müßte sich
seit kurzem erstaunlich vergrössert haben, und davon habe
ich nichts gehört. Zu meiner Zeit waren dort etliche brave
WollenTuchWeber, jeder hatte einen oder höchstens zween
Webstüle bei sich im Hause und seine Kinder und Gesinde
sponnen zum Teil die Wolle selbst. Eben so gibt's dort
auch verschiedene StrumpfWeber und Hutmacher. Alle
diese guten Bürger verarbeiten die LandWolle, und kaufen
sich noch sonstige Wolle gewönlich in der Leipziger Messe
dazu. Kurz, diese Manufaktur ist recht bieder und gut,
sie gibt dem Siegerländer gute brauchbare Kleidung, denn
überhaupt hat die Siegensche WollenManufaktur die wie=
sesten Gesetze, die auch recht treu gehalten werden. Allein
sie kann weder das ganze Land notdürftig versehen, noch die
Stadt Siegen hinlänglich beschäfftigen. Die grosse Men=
ge Krämer in Siegen ist ein sehr sicheres Zeichen der man=
gelnden StadtBeschäftigung: eine übermäßige Anzal dieser
Erwerber in einer Stadt ist kein Merkmal eines blühenden
Landes. Wenn daher die Manufakturen, womit mein
Gegner pralt, nur etwas beträchtlich wären, so würde sich
nicht nur die Zal der Krämer bald vermindern, sondern der
Trupp lebender Skelete, die zu meiner Zeit noch auf den
      Stras=
 
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78     Th. X. Heft LV.
Strassen bettelten, würde auch kleiner werden. Und dann
endlich: was tragen 20 auch 50 Lohgerber zur Beschäffti=
gung bei? - Sie nären sich selbst, und wenn sie ausser
Land handeln, so bringen sie fremdes Geld ein; mit einem
Wort: sie sind herrlich, und auch das kleinste Ländchen
sollte seine Gerberei haben. Aber davon ist ja hier gar die
Rede nicht, unsre Streitsache betrifft nur bloß die Beschäff=
tigung des Siegerlandes. Meisterlich versteht mein Lands=
mann die Kunst, den Rabulisten zu machen. Er springt
und tanzt vor mir herum, und macht Luftstreiche, daß es
saust. Was machen die Lohgerber in seiner Verteidigung?
Mein ganzer Zweck in meinen Abhandlungen ging
nur blos dahin, meinem Vaterlande zu sagen: daß es sei=
ne Schätze besser benutzen solle. Die Obrigkeit möchte doch
aufmerksam auf die ZunftVerfassung der Eisen= und
StalFabriken seyn, sie so viel, als möglich, erweitern,
Stalfabriken, die Beschäfftigung auf dem Lande weiter aus=
breiten, u. s. w., damit die Zal der HandwerksLeute da=
durch vermeret, die Güter wieder vergrössert, und zusam=
mengebracht, und also das gehörige Verhältniß zwischen
Producenten und Abnemen wieder hergestellt werden möch=
te. Alles, was ich gesagt habe, ist so notorisch, und jedem
Bauern so bekannt, daß es mich ewig wundern muß, wie
ein Dillenburger Gelerter, oder was er sonst ist, wenn
er in seiner vaterländischen StatsVerfassung nicht ganz blind
ist, nur die Feder gegen mich ansetzen kann. Aber wenn
Unwissenheit, Stolz, und noch andere geheime Ursachen
die Feder füren, dann erscheinen solche Produkte.
Jetzt kommen wir nun auf die Verhinderung der Be=
völkerung, und auf andere PolizeiAnstalten. Ich habe auf der
188sten Seite der vor uns liegenden Abhandlung gesagt, daß
es fern von mir seyn solle, die Dillenburger hohe LandesRe=
gierung beleidigen zu wollen, und das wiederhole ich noch ein=
mal. Es gibt keine Collegien, die ohne Feler sind, sie bestehen
alle aus Menschen, und verdienen dem allem ungeachtet Ehr=
furcht und Gehorsam. Aber wo stehets denn geschrieben, und
     auf
 
Neue Seite.
 
9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     79
auf welch Gesetz gründet es sich, daß ein freier deutscher Mann,
dessen Beruf und Amt es ist, die NarungsVerfassung der
Staaten zu studiren, nicht mucksen soll, wenn er Feler findet? –
Die Mitglieder der höhern RegierungsCollegien sind gewöhn=
lich so in Geschäffte verwickelt, und haben noch dazu das Un=
glück, daß man ihnen, von Seiten der Untergerichte und Be=
amten, so oft aus mancherlei Ursachen die Warheit verhelt,
oder in falschem Lichte vorstellt, daß es ihnen selten möglich ist,
auf die rechte Spur zu kommen. Daher sollten ihnen alle Män=
ner willkommen seyn, denen es gegeben ist, solche Feler einzuse=
hen, und zu entdecken. Vorzüglich muß das aber einem öffent=
lichen Lerer erlaubt seyn. Wo in aller Welt soll er Erkennt=
niß und Erfarung hernemen, wenn er die Natur nicht studi=
ren, Feler und gute Einrichtungen nicht öffentlich sagen darf?
Ferner, welch Collegium in der Welt ist wohl so kün zu behaup=
ten, es mache keine Feler? - Was müssen sich andere Re=
gierungen heutiges Tages nicht sagen lassen? Sind nicht unsere
jetzige periodischen Schriften voller künen Bemerkungen, bald
über diese, bald über jene noch weit grössere StatsVerfassun=
gen, als die Nassauische ist? - Und mir will mans verargen,
ja so garahnden [sic], (S. die 391 Seite des gegenwärtigen Stückes
des Schlözerischen Briefwechsels) daß ich mich der gebürenden
PreßFreiheit bediente. Noch neulich hat der erste deutsche Re=
gent, unser allgemeiner Vater Josef, überzeugt von dem gros=
 
Joseph II., röm.-dt. Kaiser, geb. 13. März 1741, gest. Wien 20. Februar 1790.
 
sen Nutzen solcher gedruckten Bemerkungen, die Pressfreiheit
in seinen Staten eingefürt.
Daß nun die hohe LandesRegierung ehe als und zu
meiner Zeit die Bevölkerung gehintert habe, und dadurch und
durch übertriebene Strafe die Zal unehelicher Kinder ver=
grössert worden sei ist Warheit. In den funfziger Jaren er=
schien eine Verordnung, daß alle HandwerksBurschen durch=
aus nicht ehe heiraten sollten, bis sie zwei Jare gewandert hät=
ten. Da war nun keine Ausnahme, auch die allerunbedeutendste
Handwerker waren nicht davon ausgeschlossen*. Eine grosse
     Menge
---
* Nur die Eisen= und Stalschmelzer und Schmiede waren aus=
genommen, denn die müssen einen Eid schwören, nie ausser Land
zu ziehen.
 
Neue Seite.
 
80     Th. X. Heft LV.
Menge Jünglinge war gerad im Begriffe zu heiraten, viele
waren schon wirklich verlobt, aber das alles half nichts;
mußten wandern. Ich habe Nagelschmiede, Wagner und an=
dere dergleichen Handwerksleute gekannt, die doch vom Wan=
dern wenig oder keinen Nutzen haben, einzige Söhne ihrer El=
tern. - Doch ich will mich darüber nicht weiter erklären,
Beispiele sind verhaßt; genug, jene Leute konnten nicht heira=
ten; sie mußten vorher wandern. Dieses WanderungsGesetz
trieb nun viele junge wackere Leute fort, die aus Verdruß, oder
daß sie in der Fremde ihr Glück besser fanden, nie wieder kamen.
Das Wandern ist für solche Handwerker vortrefflich, die
noch nicht vollkommen genug im Lande betrieben werden, nie=
mals aber muß der Zwang so groß dabei seyn, daß es den Un=
tertan drückt und das Land entvölkert. – Ein Haus auf einen
neuen Platz zu bauen, wurde sehr schwer gemacht, oder vielmer
man erschwerte die Vermerung der Häuser. Wenn auch kein öf=
fentliches Gesetz dagegen gemacht worden, so weiß ich doch Bei=
spiele aus der Erfarung. Mädchen waren mit Jünglingen ver=
lobt und versprochen, konnten aber mit aller Mühe, die sie zu
Siegen anwandten, nicht Erlaubniß zum Heiraten bekom=
men. Eine von diesen ist mir bekannt, welche ein Par Kinder
von ihren Verlobten bekam, und die Schande tragen mußte.
Traurige Beispiele von der Art hatten mein Herz so ver=
wundet, weil sie vor meinen Augen geschahen, daß ich daher
aus Wehmut in meinen Abhandlungen hier und da, meinem be=
drängten Herzen Luft machte. Sind nun die Zeiten vorbei, so
will ich mich freuen, daß es jetzt besser ist, und daß die jetzige Re=
gierung das alles auf bessern Fuß zu setzen sucht. Und wie lang
ist es denn überhaupt, daß man in deutschen Staten anders
denkt? Hätten nicht einige würdige Männer mit MannesKraft
gegen diese Grundsätze in öffentlichen Schriften gestritten,
noch wären sie die Maximen jeder LandesRegierung Sind
nicht die meisten PolizeiGesetze, ja viele Zünfte selbst ein klarer
Beweis, wie sehr man ehemals die Bevölkerung hinterte? Und
wo würde Amerika den größten Teil seiner Einwohner herge=
nommen haben, wenn nicht diese strengen Gesetze das Auswan=
dern begünstigt hätten? - Ich weiß auch viele Siegerländi=
sche Familien, die nach und nach dorthin gezogen sind.      Daß
 
Neue Seite.
 
9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     81
Daß die Zal der unehlichen Kinder ungemein groß war:
da lasse man nur die Geistlichen reden; ja man erkundige
sich nur kün darnach. In dem Kirchspiele, in welchem
mein Vater wont, und das höchstens nur 200 BauernFa=
milien enthalten mag, gabs Jahre, wo man zwischen 20 bis
30 unehliche Kinder zälen konnte. Ist das nun nicht viel
für Bauersleute, als bei welchen das Laster der unehlichen
Schwängerung bisher noch am seltensten war? - So lau=
teten zu meiner Zeit im Siegenschen überhaupt die Klagen
rechtschaffener Aeltern; sie bedauerten ihre Kinder mit größtem
Schmerze, und mußten oft jenes Herzeleid an ihnen erleben.
Hingegen waren im Bergischen, bei alle dem großen Flore,
so gar in der Stadt Elberfeld, die unehelichen Kinder etwas
sehr seltenes. Dort heiratete aber ein jeder, ohne die Obrig=
keit und Beamten zu fragen, so wie ers für gut fin=
det; und hat Gelegenheit, wenn er nur will, sein Brod reich=
lich zu verdienen. Daß nun die so sehr harte öffentliche Kir=
chenBuße im Siegenschen abgeschafft ist, wie mein Gegner
sagt; ist ein Beweis für mich, daß sie da war: und wo die
KirchenBuße so scharf war, da mußte man Ursache dazu
haben.
S. 282. Daß das Siegerland noch immer stärker, un=
geachtet des kümmerlichen NahrungsStandes der Bauersleute,
bevölkert werde, und wo mich die Geburts= und SterbListe
schamrot machen soll: das schadet mir gar nichts. Denn
ob man jetzt die Bevölkerung noch hintere, das ist eine ganz
andere Sache. Eben so wenig beweist der Anwachs der Volks=
Menge in ein par teuren Jaren, was es hier beweisen soll.
Daß das Siegerland vor vielen andern Ländern natürliche
große Vorzüge habe, und daß seine Einwohner noch aus an=
dern Ursachen nicht gern auswandern: das habe ich immer
eingestanden; ja daß man Blüte und Wolstand sieht, so bald
man nur über die Gränze ins Siegensche tritt, das weis ich
alles, und gestehe es. Aber ich frage einen jeden dortigen
rechtschaffenen Patrioten: ob der gemeine Mann bei dem all=
     Heft 56.     F     lem
 
Neue Seite.
 
82     Th. X. Heft LV.
len glücklich sei? - Wenn ein Bauer mit einem Haufen
Kinder gesegnet ist, wie es denn die meresten sind, dabei aber
nur etliche wenige Morgen Aecker und Wiesen besitzen; wenn
seine Läppgen Aecker und Wiesen, wie ein Paradies, blühen:
ist er darum glücklich? - Er zerbricht Jar aus Jar ein, vom
Morgen bis an den Abend, seine Knochen, und findet bei
weitem sein Brod nicht. Denn sehr selten langt der Sieger=
Ländische Bauer über die Ostern mit seiner BrodFrucht: nun
muß er das teure Wetterauische oder Rheinische Korn kau=
fen; wo nimmt er aber Geld her? Mit dem allergrößten Fleiße
erwirbt er sich durch eine kleine NebenHandtierung noch et=
was; aber kümmerlich langt es zu: und so waren ihm die
Abgaben unerschwinglich.
So ist die ware Liegenheit der Sache; und so ist das
blühende SiegerLand im Allgemeinen reich, und im Einzel=
nen arm. Der Bauer sitzt immer, bei allem Flore, auf küm=
merlicher Narung: drum wünscht er sich noch merere Fa=
briken, und nicht die Einschränkung der dem Lan=
de eigentümlichen Beschäfftigung.
Ich bitte Sie also, Herr Gegner! nie wieder gegen die
klare Warheit Ihre Feder anzusetzen, und eben so wenig ei=
nen Mann, ders mit Gott und aller Welt gut meint, von
oben her durch gleißnerischen und scheinbaren Prunk herunter
zu hunzen. Sie gehen gerad mit mir um, als wenn Sie
Alter, Stand, und Würde, weit über mich hingesetzt hätten;
geben mir Lectionen mit dictatorischem Uebermute; sagen
denn doch, um Ihre wolmeinende Gesinnung an den Tag zu
legen: Guck, liebes deutsches Publicum! aus dem Knaben,
kann wirklich noch etwas werden, er kann noch seinem Va=
terland Ehre machen! Gehen Sie erst, Herr Landsmann!
und studiren Sie die Natur! arbeiten Sie sich erst durch das
Labyrinth der Gewerbe, und durch ihre verborgenen Getriebe
durch! setzen Sie sich erst in Credit, daß Sie wirklich eine
Stimme im Publicum bekommen: dann werden Sie de=
mütiger und geschmeidiger seyn. So lang Sie aber noch im
     Schlaf=
 
Neue Seite.
 
9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     83
Schlafrocke oder Frack am Pulte sitzen, und den Zustand Ich=
res Vaterlandes aus Berichten und Protokollen erforschen;
so lang Sie noch nicht die Haushaltungen der Bauern und
Handwerksleute durchstudirt haben: so lang, bitte ich Sie, zu
schweigen; oder doch wenigstens den, der alle jene Proben
mit sauerm Schweiße und Mühe durchgekämpft hat, ungehu=
delt zu lassen. Merken Sie sich das, junger Mann! und las=
sen Sie nur den Machiavell weg; das rate ich Ihnen: solche
Rabulistereien gelten hier nicht.
S. 284. u. f. Wo sage ich denn, daß man die Berg=
werke nicht ordnungsmäßig betreiben soll? Welch eine Geler=
samkeit und Sachkenntniß affectirt da der Verfasser ein par
Seiten durch, und trifft mich doch damit auf keinerlei Weise! Ich
sage, man soll das Gewerbe nicht einschränken, sondern so viel
erwerben, als man kann. Ist das denn unrecht? Hätte ich
geraten, man solle sie auf den Raub bauen: dann würde
des Verf. sein jetzt unzeitiges Gewäsch von einigem Werte
seyn. Aber da man in andern, auch mit MenschenVer=
stande begabten Ländern jeder Gewerkschaft ihr sehr einge=
schränktes Feld hinmißt, damit diese Gewerkschaft eine
neuere nicht hintere, so war meine Meinung: daß man im
Siegenischen jenes Feld noch kleiner einschränken möchte, als
bisher bei den Mutungen gebräuchlich war, um die Indu=
strie, und die Zal einträglicher Werker dadurch zu vermeren.
Aber meines Gegners hohes Ideal des besten Bergbaues,
hat er sich vielleicht einige Stunden im Umkreise erworben;
wenigstens sind die Kenntnisse, die er auskramt, Beweis,
daß er noch gar wenig weis, sonst würde er hier so alltäg=
liche Sachen, nicht mit so wichtiger Mine auftischen.
S. 280. Daß im Bergischen ehemals ein beträchtlicher
Berg= und Hüttenbetrieb gewesen, das bezeugen hin und wie=
der überwachsene Halden, überwachsene Schlackenhau=
fen an starken Bächen, nebst Anzeigen ehemals da gestande=
ner Gebäude, häufig verwachsene hole Wege, die von sol=
chen Plätzen ab= und zugehen, häufige Traditionen u. s. w.
     F 2     Das
 
Neue Seite.
 
84     Th. X. Heft LV.
Das alles kann doch war seyn, wenn auch ein Dillenburger
StubenGelerter nie in seinem Leben etwas davon gehört oder
gesehen hätte. –
Hier folgt nun wieder ein redender Beweis von der Ver=
farungsart meines Gegners.
Auch über meinen Vorschlag die dortige Forsten in
Schläge einzuteilen, macht er seine giftigen Anmerkungen; und
hier zeigt er sich abermals so recht in seiner Blöße. Er sagt:
wenn man das herrschaftliche Gewäld in Schläge einteilte, wo=
her dann das Werkholz kommen sollte? und wirf mir dabei
mangelnde Kenntnisse vor. Ei! wo sage ich denn, daß
man alles Gewäld des SiegerLandes so behandeln soll? Ich
rede nur blos vom Giller. Dort wonen die Kolenbrenner
beisammen; dort ist der Ort zum Verkolen. Welche Quelle
des Ueberflusses könnte da für den Fürsten und den Stat er=
richtet werden! - ohnehin, liegt dieser Wald, auf Bau= und
Werkholz zu benutzen, etwas entfernt. Durch das Land sind
ja noch hin und wieder Waldungen anzutreffen, die teils der
Herrschaft, teils den Gemeinden zugehören, und die bei guter
Forstpflege Bau= und Werkholz genug geben würden. Gehen
Sie, Herr Landsmann! beobachten Sie mit eigenen Augen:
und dann schämen Sie sich!
Nun beurteilt der Verfasser weiter meine Beschreibun=
gen des Siegenschen Eisen= und StalGewerbes. Es ist dies
eine getreue Copie meiner ehemaligen Dissertation, worüber
ich in Strasburg öffentlich disputirt habe; und welche den
Beifall der gelertesten Chymisten gefunden hat. Hätte mein
Gegner nur seine Meinung gesagt, so wie ich sie auch ge=
sagt habe; so hätte er recht gehandelt: aber diktatorisch die
seinige für war anzugeben, und mich dabei so von oben
herab anzusehen; das sind Anzeigen eines schiefen Kopfes.
Ob ich einseitige Kenntnisse bey Herrn Flender einge=
zogen, das lasse ich den Sachverständigen zu beurteilen über.
Ich sage, man soll das Siegensche Gewerbe verbessern, er=
     wei=
 
Neue Seite.
 
9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     85
weitern, vergrössern, bessere Waren machen, u. s. w. Ist
das unrecht, zuversichtlich und dreist geurteilt? –
In wie fern man einer LandesRegierung Feler sagen dür=
fe, darüber ist keine Frage mer. Ein Patriot darf zuwei=
len Klagen füren; und es ist von jeher geschehen, ohne daß
dadurch der Ehrfurcht zu nahe getreten wird. Dies geschieht
so gar in despotischen Staten, und noch viel frieer [sic; freier], als ich ge=
tan habe. Alle meine Zuhörer wissen, welche Ehrfurcht ich
beständig gegen alle LandesObrigkeit hege, und wie sehr ich
sie ihnen einzuprägen suche, auch ist es ausser meinem vater=
ländischen Gegner, noch nie jemand eingefallen, meine Abhand=
lungen für beleidigend zu halten:
Nun geht er zu meiner zeiten Abhandlung über. Sie
steht in unsern Bemerkungen des JarGanges 1778. S.
321 u. f. Ich merke nur dieses dabei an, daß seine Ver=
besserungen teils ganz unbedeutend, teils schief und unpassend,
und teils durchaus falsch sind. Ich bin schon wider meinen
Willen zu weitläuftig geworden, daher will ich nur hie und
da die beleidigste Punkte herausnemen:
S. 296: Spott über den HammerschmidsKüchenZet=
tel? – Ist das Spottens wert, wenn ich beklage, daß der
Thee, Kaffee und Wein die alte Einfalt verdrängt? ja ist
es Spottens wert, wenn ich behaupten darf, daß das kleine
SiegerLändgen järlich 100000 Gulden für Thee, Kaffe und
Zucker nach Holland schickt, und daß die Hammerschmiede an
dieser Summe den größten Anteil haben? - Sie kennen
doch den Zustand Ihrer Länder erstaunlich schlecht, Hr. Lands=
mann! und spotten noch. Die allgemeine Klage ists, daß die
Hammerschmiede nach und nach zu Grunde gehen würden.
Wie sorgfältig hat nicht die Regierung oft gesucht vorzu=
bauen. Ist das auch ein Vorwurrf? -
S. 297. Die Feler, worüber ich eine Decke ziehen woll=
te? - Da sieht man deutlich, wie der Mann sich Mühe
giebt, einen falschen schiefen Sonn daher zu ketzern. Die
ganze Seite durch rede ich S. 332, von den Hammerschmie=
F 3     den,
 
Neue Seite.
 
86     Th. X. Heft LV.
den, und ihren Accorden mit dem Bergischen Fabrikanten:
und da gibt mein Gegner dieser Stelle die falsche Wendung,
als ob ich der dortigen Regierung eins anhängen wollte ...
Gelästert habe ich nie, verwegener Mann! und die Feler,
die ich meine, treffen die Hammerschmiede. Die Sache ist
diese:
Die Siegerländer Hammerschmiede, wenigstens viele
unter ihnen, halten nicht Wort. Wie oftmachte [sic] Herr Flen= [Flender]
der kaufmännische Accorde auf eine gewisse Anzal Karren
Eisen mit ihnen; aber der Versuch schlug durchgehends fel.
Kam der allgemeine Kaufpreis unter den accordirten; so lie=
ferte der Siegerländer Knall auf Fall alles auf einmal, so
daß er notwendig seines Nachbarn Eisen dazu nehmen mußte:
und stieg der Kaufpreis höher; so schickte er dann und wann
eine sehr schlechte Ladung, und lieferte nie aus. Nun, Herr
Gegner! das kan ich schriftlich und häufig beweisen, und über
diese Unredlichkeit meiner Landsleute, die bei dem Kaufman=
ne keine gleichgiltige Eindrücke verursacht, und dem Credit
und HandlungsFlor eines Landes äusserst nachteilig ist, wollte
ich eine Decke ziehen. Nun lesen Sie nochmals meine Ab=
handlung, und Ihre schiefe elende Widerlegung: und schä=
men Sie sich dann in Ihr Herz!
S. 298. zeigt der Herr Gegner recht, daß er eben so
denkt, wie die unredlichen unter seinen Landsleuten: Er sagt,
der Hammerschmied habe vollkommen recht, wenn er behaup=
tet, der Bergische Kaufmann müsse sein Eisen haben! Wel=
cher Verstand! Der Bergische Fabrikant ist Kaufmann,
durchgehends reich, er handelt neben her auf Speculation, er
wird immer das Siegensche Eisen so lange nemen als er's
brauchen kan; allein wenns ihm ganz felt, so hat er zehn Quel=
len für eine, sein Geld in eine andre Handlung zu stecken.
Der Siegerländer aber hat das nicht, er geht ohne den Ber=
gischen ganz zu Grund, und wird ein Bettler. Das ist ja
alles klare ausgemachte Warheit. Ueberdas habe ich selbst
mich damit beschäftiget, Eisen aus den obern RheinGegenden
     für
 
Neue Seite.
 
9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     87
für Hrn. Flenders Fabriken kommen zu lassen; es war aber
noch immer etwas teuerer, als das Siegensche. So bald aber
die Siegerländer stolz werden, so bald sind sie verloren. Hol= [Holland]
land kan das Siegensche oder Bergische Eisen wol entbe=
ren; denn Schweden versah es noch vor hundert Jahren ganz
allein damit, und kanns noch, wenns nötig ist. Es ist eine
große Thorheit, wenn ein Land stolz auf seine Producte ist, -
und andern kein gut Wort geben will! Der wahre Weg
zum Glücke in der Handlung ist: Dienstfertigkeit,
Höflichkeit, und heiliges Halten der HandelsAc=
corde; und dann die eigene Ausarbeitung der Lan=
desProducte zu schönen, guten, so viel als möglich
wolfeilen, und mannichfaltigen Waren. Gerad an
allen diesen Eigenschaften felts im Siegerlande. Sollte ich
da nicht klagen, und kan man mirs verargen, Bemerkun=
gen darüber zu machen?"
S. 299. Daß doch mein Landsmann nicht aufhört, mich
zu hofmeistern, und doch auf jedem Blatt so überflüßig zeigt,
daß er nichts vom Gewerbe versteht! Ich nenne nur zum Bei=
spiele sein Urteil über die Reckhämmer. Man bemerke fol=
gendes. Das SiegerLand liegt vom Rheine entfernt; der
Transport dahin ist kostbar, wegen Mangel an Rückfracht,
und ohne dies dreimal so hoch als im Bergischen. Eben so sind
ihm die SteinKolen entfernt, folglich: gegen diese zwei Stü=
cke hat er nur einen Vorteil, nämlich das StabEisen in der
Nähe. Hingegen hat der Bergische Kaufmann den Rhein
und die SteinKolen in der Nähe, und nur das StabEisen
entfernt. Dazu kommen aber noch höchstwichtige Betrach=
tungen: der Bergische Kaufmann hat Geld, mithin Ver=
lag; der Siegerländer nichts. Dort ist die Fabrik im Gange,
Handwerksleute, und Arbeiter sind in Menge gegenwärtig;
daher die Löhne geringer kurz, dort ist die Fabrike natura=
lisirt. Im Siegenschen felt noch das alles. Wie will nun dieser
gegen jenen aufkommen? Ein Reckhammer, der ordentlich ge=
trieben wird, muß, wenn er Nutzen auswerfen soll, wöchent=
     F 4     lich
 
Neue Seite.
 
88     Th. X. Heft LV.
lich 3 bis 5 PferdsLasten, oder so viel tausend Pfund fertige
Waren liefern, und der Gewinn beträgt selten über 8 Pro=
cent. Nun sage mir einer, wie ists da möglich, daß ein
Siegerländer, bei seinem schweren Transport der Waren
und der SteinKolen, gegen den reichen Bergischen Kaufmann
bestehen kann? Das alles sind ja anerkannte TatSachen. Die=
sem offenbaren Verlust vorzubeugen, ist meine Meinung, daß
man kleine Eisen= und StalWaren im Siegenschen machen
soll, die viele Hände beschäfftigen, deren Preis nicht auf der
Masse, sondern auf der Kunst beruht, wo mancher schon
lange sein Brod verdient hat, ehe einmal eine PferdsLadung
fertig ist; und hiezu braucht man keine ReckHämmer. Sind
nun meines Gegners seichte Raisonnements nicht wahrhaft
schändlich?
Eben so unüberlegt sind die Urteile über den Vorschlag,
das StabEisen kleiner zu schmieden, und doch sagt er selbst –
S. 301 die Schwere des EisenHammers sei in meiner Ab=
handlung übertrieben, er sei nicht 1200 lb schwer, sondern
nur 600, auch noch leichter. Wenn das war ist, Herr Geg=
ner! so hat jaschon [sic; ja schon] das schwere Schmieden ein Ende, dann kön=
nen die Luppen nicht mer so groß seyn, und die Stäbe müs=
sen kleiner werden. Ich erinnere mich gar wol, daß die Re=
gierung aufs strengste verbot, die Hämmer, wo ich nicht irre,
nicht schwerer als 500 bis 600 Pfund zu machen. Aber ist es
geschehen? - Gehen Sie einmal in einen Siegenschen Hammer,
und sehen Sie zu. Der Hammerschmidt lachte zu jener vortreff=
lichen Verordnung, und der letzte Hammer, den ich gesehen
habe, war noch immer die Riesenmäßige Maschine, die den
Erdboden umher beben machte.
Doch ich bin müde einen Mann zu widerlegen, der
mit der größten Zudringlichkeit mich zurecht weisen will: Er,
der so Kenntnißarm ist, daß er mein Mitleiden verdient; Er,
der hier und da einige Bruckstücke von andern aufgefangen
hat, und damit so unendlich stolz tut, daß er sich zum Dic=
     ta=
 
Neue Seite.
 
9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     89
tator aufwerfen will! Es ist mir leid, daß ich, so ganz meiner
Denkungsart zuwider, diesen ohnmächtigen Dictator öffent=
lich in seiner ganzen Schwäche dem Publicum zur Schau
ausstellen muß; und er würde besser getan haben, sich da=
vor zu hüten, dasjenige selbst zu tun, was er mir vorarf,
nämlich nicht so stolz und positiv zu schreiben. Aber er woll=
te Weihrauch streuen, und wußte nicht, wie er es machen
sollte, um nun diese Absicht zu verdecken, ist er abermals
lieblos genug, mich dessen zu beschuldigen. Daß ich dem Hrn.
RegierungsPräsidenten von Preuschen soll geschmeichelt ha=
ben, sehe ich nicht ein warum. Ich habe in den Diensten
unsers Durchlauchtigsten Kurfürsten, eine mir so vollkom=
men angemessene Versorgung, daß ich solche mit keiner zu
vertauschen gedenke. Aber der Herr von Preuschen, mit
eigenen grossen Gaben ausgerüstet, diente lang an einem Ho=
fe, wo gute Grundsätze einer LandesRegierung längste einge=
führt sind, und einem solchen Mann am OranienNassauischen
StatsRuder zu sehen, war Wonne für mich. Diese druck=
te ich S. 339 aus, und das verdreußt meinen Gegner, war=
um? das weis ich nicht.
Hiemit, Herr Landsmann! lege ich meine Feder, die ich
gegen Sie brauchen mußte, wieder nieder, und was Sie mir
so ganz lächerlich am Schlusse Ihrer Schrift sagten, das ap=
plicire ich jetzt auf Sie. Studiren Sie fleißig die Vortei=
le und die Mängel Ihres Vaterlandes; wenden Sie Ihre
Kräfte an, dasselbe glücklich zu machen, und hüten Sie sich,
hinfür nicht mer so nackt und bloß aufzutreten. Denn von
solchen Schriften haben Sie keine Ehre, und Ihr Vater=
land eben so wenig.
Beilage.
Mannheim, 1 Sept. 1781.
Ewr. empfangen hier des Hrn. Prof. Jungs Vertei=
digung wider die Anfälle, die jüngst ein gewisser B. u. Com=
Hier ist also der Autor bereits bekannt! Becher.
pagnie in Dillenburg, wider ihn, in Ihrem Briefwechsel
     F 5     her=
 
Neue Seite.
 
90     Th. X. Heft LV.
herausgegeben. Jung wollte sich nicht verteidigen, weil
ihm das Seichte in dem ganzen Aufsatze so auffal=
lend schien, daß er glaubte, er verdiene diese Ehre nicht.
Endlich habe ich ihn dazu vermocht; und ich vermute, jeder
wird nun sehen, welch unberufner Schriftsteller B. sei, und
wie wenig es sich für ihn schicke, einen Mann von so vielsei=
tigen waren Verdiensten, wie Jung, zum Gegenstande sei=
ner hämischen Feder zu machen.
Das größte Verdienst des B-schen Aufsatzes besteht
im Style. Durch denselben sucht er sich bei seinen Lesern
einzuschmeicheln, damit diese ihn für einen Warheitslieben=
den und sehr genau unterrichtenden Mann halten sollten. Und
unter diesem Paniere wagte er es, mit der höchsten Dreistig=
keit aufzutreten, und einem Manne Hohn zu sprechen, über
dessen ware Kenntnisse ganz andre Männer, als ein B. in
Dillenburg, schon längst geurteilt haben.
B-s versteckte Absicht war eigentlich, die ehemaligen,
und vielleicht noch jetzt beobachteten Grundsätze bei Leitung
dieser Gewerbe, öffentlich zu verteidigen. Aber da hat er eben
so gut seine Absicht verfelt, als wenn er die HexenProcesse
verteidigen wollte. Er studire nur die Englischen StatsGe=
setze über die Leitung der Gewerbe; ferner jene von deutschen
Fürsten, die sich bemühen, ihre Länder, und dadurch sich
selbst, glücklich zu machen: und er wird sich dessen schämen,
was er da mit so vielem Stolze öffentlich hingesagt. Ein
Mann, der nichts, wie die Verfassung seines Landes, und die,
wie er der oft genug gezeigt hat, äußerst unvollkommen, kennt,
sollte sich doch nicht unterfangen, bei Untersuchung von Sä=
tzen, deren Einfluß so wichtig ist, mitzusprechen, noch weni=
ger, mit einem Air von SachKenntniß, so entscheidend zu ur=
teilen.
Jung ist allerdings der Mann, der seiner Stelle hin=
länglich gewachsen, folglich der im Stande ist, in Abhand=
lungen jener Art seine Bemerkungen dem Publico vorlegen
zu dürfen. Die praktischen Kenntnisse, die er sich von seiner
     ersten
 
Neue Seite.
 
9. Hrn Prof. Jungs Antwort.     91
ersten Jugend an, sowol vom Ackerbau, ForstKenntniß, von
mancherlei Gewerben, ja von der Handlung selbst, erworben;
ferner die theoretischen Kenntnisse, die er teils durch inneren
eigenen Fleiß, teils nachher auf der hohen Schule zu Stras=
burg, sich zu eigen gemacht, und von denen gar viele über
seine ehemaligen Geschäfte ihm ein neues Licht ausgebreitet,
waren die HauptBewegGründe, ihn zu seinem LerStule zu
berufen, den er nun mit so warem Beifalle seiner Vorgesetz=
ten, seiner Collegen, und seiner Zuhörer bekleidet. Wie
mag sich doch an so einen Mann ein B. in Dillenburg wagen,
von dem man nun gar nichts wußte, und dessen Existenz * man
erst durch langes Umfragen erfaren konnte! Fült B. in sich
einen Drang zu schreiben: nun so mineralogisire er seine
Gegend, und zeige dadurch dem gelerten Publico, daß
er die Hrn. von Born, Ferber, Charpentier, Gerhard,
Karthäuser u. a., mer als dem blossen Namen nach kenne
(eine Sache, die noch itzt sehr wahrscheinlich ist, ja sogar daß
alles dies geborgte PfauenFedern sind, die er da mit so wich=
     tiger
----
* Wenn wir Schriftsteller von Profession, alle Nicht=Schrift=
steller verächtlich tractiren, blos weil sie nicht Schriftsteller
von Profession sind: so bekommt uns das sehr übel, und wir
sind giftigen Repressalien ausgesetzt. Gewiß ists, daß es un=
ter denen, die im Gelerten Deutschlande aufgefürt stehen,
 
Z. B. Das gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetztlebenden teutschen Schriftsteller. Angefangen von Georg Christoph Hamberger. Fortgesetzt von Johann Georg Meusel. Dritte, durchaus vermehrte und verbesserte Ausgabe. Lemgo: Meyer 1776. [Jung-Stilling nicht enthalten.]
 
gräuliche Ignoranten gibt. Und eben so gewiß ist, daß un=
ter denen, die nicht darinn stehen, unglaublich viele grundge=
schickte Männer sind, die nichts drucken lassen; nicht aus Un=
fähigkeit, sondern aus Bequemlichkeit, oder aus Mangel an
Zeit, oder aus Stolz, weil sie sich, als Männer von Ge=
schäften, unter den ihnen a potiori verächtlichen Haufen der
 
a potiori = hier: nach der Mehrzahl
 
Schriftsteller nicht mengen mögen. Unmöglich kan man je=
mand hochschätzen, blos weil er Bücher geschrieben hat; und
noch unmöglicher, jemanden gering schätzen, weil er keine
schreibt. - Verzeihe mir der Hr. Verf. obigen Schreibens
diese Anmerkung: ich war sie einem mir sehr respectablen Teile
meiner Hrn. Correspondenten schuldig, welche ganz vorzüglich
bisher das Glück dieses Briefwechsels gemacht haben. S.
 
S. = Schlözer.
 
 
Neue Seite.
 
92     Th. X. Heft LV.
tiger Mine ausgepackt). Denn werden seine Bemühungen
verdienstlich, auch er sich vielleicht ein Recht * erwerben, über
andre Männer zu urteilen. Bis dahin sind seine Aussprüche,
seine Ermanungen, seine Airs .... wenigstens sehr lä=
cherlich, und des allgemeinen Mitleidens würdig. – Aber
zu einem Statswirtschaftlichen Schriftsteller scheint er auf
ewig verdorben zu seyn. Seine despotischen GrundSätze,
und sein ewiges Abzirkeln, damit nicht durch Anstellung ei=
nes neuen Schumacher=Meisters die andern ihre Kundschaft
verlieren, hätten vielleicht nicht vor 20 Jaren hie und da
in Deutschland ihr Glück gemacht. Heut zu Tag aber sehen
die kleineren Fürsten Deutschlands, daß durch Beobachtung
dieser Grundsätze, die größeren Fürsten, die diese Pedante=
rei schon lange abgeschaft, ihnen noch mächtiger angewachsen
sind; und suchen, durch die mögliche Beförderung
aller inländischen Industrie, Bevölkerung, und da=
durch LandesReichtum, zu erhöhen. B. aber ist Vormund
von künftigen Jahrhunderten, und fürchtet, daß ohne seine
Veranstaltung diese Hunger sterben müßten: gerade
als wenn mit seiner Generation MenschenVerstand ausstürbe,
und ohne seine Vorsicht denn keine Rettung mer wäre. Der=
gleichen GrundSätze haben ehemals Deutschland in seiner
Ohnmacht, und in der Sklaverei andrer handelnden Länder,
erhalten: und erst seit der Zeit hat man angefangen, diese men=
schenfeindliche Grundsätze abzulegen, hat die Bilanz von
Deutschland sich zu heben begonnen. Der StatsWirt muß
die Polizei, nicht die Polizei den StatsWirt, regiren: sonst
kommen Grundsätze heraus, wie jene des Hrn. B., nach
welchen die Länder überbevölkert sind, und man in die Faust
hineinlacht, wenn andre Potentaten wider einen Transport
Landesüberflüßiger Menschen ausgefürt, und dieses ihr Land
     mit
---
* Jeder GeschäftsMann hat ein natürliches Recht, über
den blossen Gelerten zu urteilen: und hätte dieser auch Folian=
ten geschrieben, und jener nie eine Feder für die Presse an=
gesetzt. S.
 
S. = Schlözer.
 
Neue Seite.
 
S. 93:
10. MilitärUebungen ds Gr. v. Bückeburg.     57
mit Bettlern bereichert haben. Oder man suche alsdann die
BürgerAnnamen zu erschweren, das Heiraten zu hintern,
Zünfte in ihren vor langen Jaren entworfenen, und auf un=
sre Zeiten sich gar nicht mer passenden ZunftPrivilegien mit
Strenge zu schützen, und die jungen Bürger durch ihre Schnap=
pereien auszumergeln: da man doch haben will, daß jeder ein
gewisses Kapital * als angehender Bürger besitzen soll; war=
scheinlich damit er etwas habe, das er bei seiner Bürger=
und ZunftAnname denn wieder hergeben könne.
                                   M-s.
 
M-S. = Medikus.
 
* Vor 20 Jaren schrie alles: Bevölkerung! Der Erfolg hat
gelert, daß auch dieser Satz, wie alle Sätze der StatsLere, sei=
ne Einschränkung habe. I. Anders bevölkert man in ganzen
oder halben Wüsteneien, anders in Gegenden, die schon ein
etwas volles Maas von Einwonern haben. II. Für Brod
und Menschen muß immer zugleich gesorgt werden, und
zwar von der Regierung. Brod macht immer Menschen, aber
nicht umgekert &. &.     S.
 
S. = Schlözer.