Gottlieb Konrad Pfeffels Gedicht auf Johann Heinrich Jung-Stilling
Gottlieb Konrad Pfeffel (geb. Kolmar 28. Juni 1736, gest. ebd. 1. Mai 1809) war seit den 1780er Jahren mit Jung-Stilling bekannt. – Die Bekanntschaft dürfte in Frankenthal im September 1785 geschlossen worden sein.
"Vielen, wo nicht allen meinen Lesern, ist der berühmte blinde Pfeffel zu Colmar im obern Elsas bekannt. Seine Fabeln gehören unter die besten die jemals ein Mensch gedichtet hat. Er war seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mein vertrauter Freund und ein durchaus edler, gutmüthiger, und sehr rechtschaffener Mann. Die ganze gelehrte Welt, in sofern sie ihn kannte, schäzte und liebte ihn. Im Frühjahr 1809, gerieth er auf sein Krankenlager, von dem er nicht wieder aufstand. Ein sehr geschätzter und gelehrter Theologe besuchte ihn nicht lange vor seinem Hinscheiden, und um ihn zu prüfen, wie es mit seiner Hofnung zur Seligkeit stünde, hielt er ihm sein ganzes wohlthätiges Leben vor, und wie viel Gutes er in der Welt gestiftet hätte; hierauf bezeugte Pfeffel, daß er auf das Alles seine Hofnung zur Seligkeit nicht gründe, sondern daß er allein durch das Verdienst Jesu Christi und seine Versöhnungs Anstalten seelig zu werden hoffe. Diesen Grund seiner Seligkeit äusserte er oft gegen die Seinigen, und diejenigen die ihn besuchten. Dies Zeugnis erzählte mir obengedachter Theologe selbst, auch der Secretär des seeligen Pfeffel schrieb mir das nämliche in dem Brief, worinnen er mit seinen seeligen Heimgang ankündigte."
Pfeffel und seine Beziehungen zu Johann Heinrich Jung-Stilling sind bereits umfangreich dargestellt worden. Siehe z. B.:
August Stöber (Hrsg.): Gottlieb Konrad Pfeffel's Verdienste um Erziehung und Schule, Kirche und andere gemeinnützige Werke. Nebst acht ungedruckten Briefen von Pfeffel und einem von Jung=Stilling. Straßburg: Druck von J. H. Ed. Heitz 1878
Gabriel Braeuner: Pfeffel l'Européen. Esprit français et culture allemande en Alsace au XVIIIe siècle. Strasbourg: Ed. La Nuée Bleue 1994 = La Bibliothèque Alsacienne
Wilhelm Kühlmann: Zwischen Aufklärung und Erweckung. Die Korrespondenz zwischen Gottlieb Konrad Pfeffel und Johann Heinrich Jung-Stilling. – In: Literatur und Kultur im deutschen Südwesten zwischen Renaissance und Aufklärung. Neue Studien, Walter E. Schäfer zum 65. Geburtstag gewidmet. Hrsg. von Wilhelm Kühlmann. Amsterdam-Atlanta, GA (1995), S. 445-475 = Chloe Beihefte zum Daphnis, hrsg. v. Barbara Becker-Cantarino [...] Bd. 22. [14 Briefe werden nach dem Bestand in Colmar abgedruckt. – Seit dem Jahr 2005 befinden sich diese Briefe in Marbach im Deutschen Literaturarchiv!]Gerhard Schwinge: Jung-Stilling und die oberrheinische Literaturlandschaft seiner Zeit. – In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins Bd. 156, NF Bd. 117, Stuttgart: Kohlhammer 2008, S. 261-283. [Siehe dazu auch unter diesem Link.]
Zu Pfeffel selbst siehe e. g.:
Gottlieb Konrad Pfeffel. Satiriker und Philanthrop (1736-1809). Eine Ausstellung der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe in Zusammenarbeit mit der Stadt Colmar. Ausstellungskatalog hrsg. v. der Badischen Landesbibliothek. (Karlsruhe: Bad. Landesbibliothek 1986. ISBN 3-88705-019-3.)
H[eino]. Pfannenschmid (Hrsg.): Gottlieb Konrad Pfeffel's Fremdenbuch. Mit biographischen und culturgeschichtlichen Erläuterungen hrsg. Colmar im Elsass. Selbstverlag des Herausgebers 1892.
Hier wird S. 31 gesagt, dass Gottlieb Konrad Pfeffel hessen-darmstädtischer Hofrat gewesen ist:
"Am 30. August wurde, nach dem Taufbuch der evang. Gemeinde zu Colmar, dem Hessen-Darmstädtischen Hofrath G. C. Pfeffel und der Margarethe Cleophe Vivoux, ein Sohn, Franz Ludwig, geboren".
In dem Werk von Heinrich Wilhelm von Behrisch
Allgemeines Autor- und Litteraturlexikon in alphabetischer und chronischer Ordnung bis 1778. [Vignette] – Hannover, Im [sic] Verlage der Helwingschen Hofbuchhandlung 1778.
wird diese Angabe S. 592 mit Hinweis auf Meusels "Gelehrtes Teutschland" bestätigt:
"PFEFFEL (Konrad Gottlieb) Hessen=Darmstädtischer Hofrath und Direktor der Kriegsschule zu Kolmar: geb. 1736. s. M. G. T
1785 erscheint als Nachfolgerin des "Pfälzischen Museums" von 1783
"Pfalzbaierisches Museum.
—
Dritter Band.
—
Vom Jahre 1785 bis 1786.
[Vignette]
— [engl. Linie]
Mannheim.
Im Verlage der Herausgeber der ausländischen
schönen Geister."
Mehrere Gedichte Pfeffels sind hierin publiziert.
In der Sammlung
"Poetische / Versuche / von / Gottlieb Conrad Pfeffel, / Dritter Theil. / - / Fünfte rechtmäßige Auflage. / - / Tübingen / in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. / 1817."
finden sie sich wieder. Das Jung-Stilling betreffende Gedicht ist S. 16–17 abgedruckt und im Inhaltsverzeichnis S. 211 in das Jahr 1786 (!) eingeordnet.
Der nachstehende Text folgt dem Druck im "Pfalzbaierisches Museum" S. 384-386; in eckigen Klammern und anderer Schrifttype finden sich die Änderungen im Vergleich zu den "Poetischen Versuchen".
In beiden Fassungen hat die erste Zeile das "D" als Initialbuchstaben gedruckt; die Zeilenumbrüche wurden in den "Versuchen" auf Grund anderen Formats nicht durchgeführt; mit Ausnahme des Verses "Der Schwindel". Kustoden und Seitenziffern fehlen in den "Versuchen"; hier sind die Seitenziffern mitabgedruckt. Die Zeilenziffern entsprechen dem Original.
Das Gedicht auf Jung-Stilling lautet:
Das Elixir. [Elixier.]
An Herrn Hofrath Jung in Heidelberg. [An Stilling.]
Von Hrn Hofrath Pfeffel. [Zeile fehlt.]
____
Der Derwisch Aladin lag in Buchara krank,
Sein Fuß berührte schon des Grabes jähe
Stufen,
Man ließ den Avicenna rufen:
Er kam. Du mußt in deinem Trank
Von diesem Elixir, sprach er, nach reifen [er]
Schlüssen,
Des Tags drei Löffel voll geniesen, [drey] [genießen]
Es stärkt das Haupt und heilt die Brust.
Der
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Der Patient nahm es mit Lust
Und fieng schon an die Wunderkraft zu
spüren.
10 Gut! denkt er bey sich selbst, nehm ich
den Balsam pur,
Und recht nach Appetit, so wird das meine
Kur [Cur]
Weit eher noch zum frohen Ziele führen; [führen.]
Gesagt, gethan. Er leeret die Tinktur [Tinctur]
Mit einem Zug, bis auf den letzten Tropfen. [Zug]
15 Sie fährt ihm, wie ein Blitz, durch Adern [ohne Kommata]
und Gebein. [Gebein:]
Der Schwindel dreht sein Haupt, das Herz
fängt an zu klopfen, [fängt / an] [klopfen]
Und bald verkalcht es sich zum Kieselstein. [verkalkt]
Er taumelt durch die Stadt, steigt auf die
Minareen,
Ruft alles Volk mit Bachischem Gebrüll [bacchischem]
20 Zum Beiramstanz; und wer nicht tanzen [Beiramstanz,]
will [will, Seitenwechsel]
Den schleppet er in die Moscheen, [Moscheen]
Und stößt ihm einen Dolch ins Herz. [in's]
Man lief, den Arzt um Rath zu fragen; [fragen.]
Er ließ nicht ohne Frucht ihm ein paar [Paar]
Adern schlagen, [schlagen;]
25 Doch er gestand mit edlem Schmerz: [edelm] [Scherz]
Er
386 =====
Er werde schwerlich ganz genesen.
Was meynst du Freund? gleicht die Religion [mein'st du, Freund,]
Nicht diesem Elixir? braucht sie der Erden [Brauch't]
sohn
Wie grobe Kost und als ein fremdes Wesen;
30 So macht sie krank, erzeuget Schwärmerey, [Schwärmerey]
Und Pharisäerstolz. Doch mischt er, als [, doch misch't er]
Arzney
Von ihrem Geist, von ihrem Freudenöle [Freudenöle,]
In jede Nahrung seiner Seele, [Seele;]
So mehrt es ihren Lebenssaft [mehr't]
35 Und füllet ihn mit Gotteskraft. [füllet sie]