Jung-Stilling setzt sich ein für den
Fürsten Johann Ludwig von Sayn-Wittgenstein
Aufgrund einiger Angriffe gegen den Fürsten greift auch Jung-Stilling in diesen Streit ein und publiziert in den
Stats=Anzeigen / = / gesammelt und zum Druck befördert / von / August Ludwig Schlözer D. / Königl. Kurfürstl. Hofrath und Professor in Göttingen; / der Akademien der Wissenschaften in St. Petersburg, / Stockholm und München, Mitglied, und der / Gesellschaft der Künste und Wissenschaften in / Batavia Correspondent. / - / Zwölfter Band, Heft 45-48. / 1788. / - / Nebst vollständigen Registern über Heft 25-48. / - / Göttingen, / in der Vandenhoek [sic] und Ruprechtschen Buchhandlung. / 1788.
seinen Aufsatz
„Bemerkungen über die Aufsätze in der / deutschen StatsCanzlei Th. IV, und {aus solcher} in den / StatsAnzeigen (oben Heft III, S. 263), den regirenden / Hrn. Grafen von Sayn-Wittgenstein zu Wittgenstein / betreffend.“
S. 41-43 der erste Beitrag „I. Wittgenstein, im April 1788.“ von „H.“; dann S. 43-50: „II. Marburg, im März 1788.“, unterz. S. 50: „D. Johann Heinrich Jung, / Prof. der StatsWirtschaft in Marburg.“
Der Text lautet:
5.
Bemerkungen über die Aufsätze in der
deutschen StatsCanzlei Th. IV, und {aus solcher} in den
StatsAnzeigen (oben Heft III, S. 263), den regirenden
Hrn. Grafen von Sayn-Wittgenstein zu Wittgenstein
betreffend.
I. Wittgenstein, im April 1788.
Der hiesige Regent liebt seine Untertanen, tut alles, sie zu unterstützen, und wird von den meistern verkannt. Leider der Lauf der Welt! Aber kein Wunder wär’s, wenn dieser Herr lau gegen sein Volk würde, das beinah jede nützliche Anstalt, jede auf sein Wol abzweckende Einrichtung, zu vereiteln trachtet. Nicht aus blinder Anhänglichkeit am Alten – dies ist wol nicht durchgehends der Fall – , vielmer aus Mistrauen gegen den Regenten, der gütiger für sein Volk denkt, als es verdient, wird alles ohne Unterschied verworfen, was nicht behagt. Eine Rotte übel
C 5 gesinn=
S. 42, Einleitung von H.
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gesinnter, störriger Köpfe, die dies Mistrauen unterhält, und durch ProceßSucht sich und ihre MitUntertanen zu Grunde richtet, verdirbt hier alles, und such das Gute zu hintertreiben, das der Regend dem Lande darbeut. Ich könnte dies m it manchem Beispiel belegen, will aber nur ein par erwänen, die das Gesagte genugsam bestätigen.
Ehedem mußte jeder Wittgensteinische Untertan 24 Tage im Jar fronen, und es ward unter der jetzigen Regirung auf 18 Tage herabgesetzt. Nicht genug, dem Untertan dies verschafft zu haben, sann der Regent auf ein neues nicht weniger unfelbares Mittel zur Erleichterung desselben; und lies allen Gemeinden antragen, sie vom HandDienst zu befreien, und diesen, unter der schärfsten Aufsicht, durch Taglöner verrichten zu lassen, insofern sie die Kosten, die aufs gewissenhafteste berechnet, und ihnen järlich vorgelegt werden sollten, ersetzen würden. Der Untertan, der im Fronen wenig leistet, und dabei doch die Zeit verliert, die er bei seinem Handerk und auf seinen Feldern besser anwenden kann, - der oft fronen muß, wenn ihn die dringendste Arbeit nach Haus ruft, seh es nicht ein, ober wollt’ es nicht einsehen, daß er mit einigen Xrn. einen Fl. gewinnen, oder in 3 bis 4 Tagen, die er um Lon arbeitet, schon so viel verdienen kan, als sein GeldBeitrag zum HandDienst aufs ganze Jahr ausmachen möchte. Es blieb also beim Alten; und des Regenten Absicht, die die reinste war, wad mißkannt.
Das nämliche geschah, als unlängst die Gemeinde B… durch HagelSchlag alle ihre FeldFrüchte verlor. Von Mitleid bewogen, erbot sich der Regent, 800 Fl. unter dem Beding der Gemeinde vorzuschießen, daß sie dies Capital, so ihr ohne Zins überlassen werden sollte, binnen 8 Jaren zurückzale. Mit dankbarer Empfindung nam die Gemeinde dies Erbieten an, das sie, als ein übelgesinnter Einwoner mit manchen irrigen Vorspiegelungen antrat, wieder verwarf.
Wann
S. 43, Ende der Einleitung von H., Beginn von Jung-Stillings Text
5. Wittgenstein. 43
Wann wird der hiesige Untertan einsehen wollen, was zu seinem Frieden dient!
H.
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II. Marburg, im März 1788.
Wenn die Publicität reine Warheit, Gräuel und Laster, oder Tugend, vorträgt; so mag sie immer nützen, abschrecken, oder zu Nacheiferung aufmuntern. Wie aber, wenn die Warheit unrein ist? – wenn nur die schiefen Züge eines Mannes, den die Vorsehung zum Hirten einer großen oder kleinen Heerde seines Volks gesetzt hat, und der doch, wenn er auch groß und edel, noch immer Mensch ist, mit Auslassung seiner vortrefflichen eigenschaften, auch dann noch, wenn dieser so überwiegend viele sind, hingestellt, und dem Publico zur Beurteilung des Ganzen überlassen werden: was ist dann die Publicität? – Gerad dies it der Fall bei den Aufsätzen, dieich jetzt, aus MenschenLiebe gedrungen, berichtigen muß. Dem edeldenkenden Leser, wird am Ende gewiß die Frage noch einfalle: ob die CharakterZüge, welche jene Erzälungen entwerfen, wirklich so schief sind, als sie scheinen; und ob die einseitige Darstellung rein und treu, nicht Carricatur, sei?
Ich kennen keinen von den Hrn. Verfassern, weiß nicht einmal, wer das eine oder andere geschrieben hat; folglich kan mich nichts als WarheitsLiebe verleiten, diesen Schritt zu wagen, zu welchem sonst meine Seele von Natur keine Neigung hat. – Doch zur Sache selbst.
Der regierende Hr. Graf Johann Ludwig von Wittgenstein ist einer der edelsten und besten Männer, die ich in meinem Leben kennen gelernt habe. Er, seine Gemalin, und zalreiche Familie, machen einen Zirkel aus, in dem man sich, ich mag nicht sagen, mit der Menschheit, sondern sogar mit dem Adel u nd Regenten, wieder aussönt, wenn man ihren Druck gefült hat. Sein Herz glüht für das
Wol
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Wol seiner Untertanen; und ohne sie gedrückt zu haben, ist er wohlhabend und reich. Zugleich aber hat er einen Kummer, ein Unglück, das merere kleine Regenten drückt, und wovon die Publicität nichts weiß: nämlich die ProceßSuche seiner Untertanen, die durch die Nähe von Wetzlar erleichtert wird.
Schon vor Jahrhunderten fürten die UrVäter der jetzigen Untertanen mit ihren LandesHerren Processe; und die noch vorhandenen Acten beweisen, daß die neuern Processe nichts anders als jene alten größtenteils entschiedene sind: und es felet nichts mer, als daß ein ehemaliger BaurenUnfug, dem mit gewaffneter Hand gesteuert werden mußte, in unsern Zeiten noch einmal wiederholt werden möchte. Freilich taten die alten Grafen von Wittgenstein groß damit, ihre Untertanen, sogar in gedruckten Patenten, LeibsAngehörige Untertanen zu nennen. Niemals aber ist es dem jetzigen Herrn eingefallen, Ehre darinn zu sichen, daß er Sklaven zu Untertanen habe. Und dochwurde vor etwa 10 – 12 Jaren der ganze Haufe beinahe aufrürisch, als die Häuser, aus einer guten und fast allenthalbe eingefürten Absicht, mit Nummern versehen wurden; alles schrie, das bedeutet die Leibeigenschaft! – Also, gschwid nach Wetzlar, wo sie hierüber wirklich einen Proceß anhängig machten.
Zudem haben sich von jeher zanksüchtige müssige Köpfe gefunden, denen es wol tat, auf LandesKosten in Wetzlar zu schmausen, sich zu bereichern, und dann nocht unter der Larve des Patriotismus stolz einher zu gehen. Diese Ungeheuer sind mismütig, wenn das Land nicht mit dem Herrn Proceß fürt; und wiegeln also bei jeder Gelegenheit das Volk auf.
Von der DenkungsArt des jetzigen Hrn. Grafen und seiner Untertanen, nur ein par Beispiele. Gerade zur Zeit eines solchen Processes geriet ein Wittgensteinisches Dorf, durch einen totalen HagelSchlag, in großen Mangel. Die Gemeinde klagte, daß sie ihre LebensNotdurft so wenig,
als
5. Wittgenstein. 45
als die künftige Aussat, bestreiten könnte. Der gütige LandesVater trug ihnen auf, den Ueberschlag zu machen, wie groß die Summe seyn müsste, womit ihnen geholfen werden könnte. Die Bauren beredeten sich, und bestimmten sie auf 800 Fl. Gut, antwortete der Graf, die will ich euch vorschießen, und zwar ohne Interesse; ihr könnet mir sie hernach von Jar zu Jar in kleinen Teilen wieder abtragen. Die Bauren sahen sich an; mit Thränen in den Augen dankten sie ihrem gnädigsten Herren, und eilten nach Haus, diese Freunde allgemein zu machen: alles segnete den LandesVater. Endlich stand ein alter KrausKopf auf, und sagte mit dem Finger an der Nase: Ihr Leute wisst nichts, und bedenkt nichts, das gibt euch ja ein neues Recht; wenn ihr hernach die 800 Fl. abbezalt habt, so müsst ihr denn alle Jahre so fortfaren, und so viel mer Abgaben zalen. Den Bauern leuchtete das ein, ob sie es gleich aus Erfarung nicht befürchten konnten: genug, die behalfen sich, und holten das Geld nicht.
Ein andermal wollte der Hr. Graf einem andern Dorfe gern zum Wolstand helfen; indessen alle seine Vorschläge fruchteten nichts. Nun trug er dem Pfarrer auf und befal ihm, in einer Predigt seinen Zuhörern einmal recht ans Herz zu reden, und sie zur Annahme seiner wolgemeinten väterlichen Vorschläge aufzumuntern. Dies geschah, und zwar mit dem besten Erfolg: denn dasn Volk versammlete sich nach der Kirche, und war zu allen entschlossen. Abermal stand einer auf, und sagte: Ihr Leute, bedenkt was ihr thut! es gibt euch ein neues Recht, der Pfarrer liegt mit dem Herrn unter Einer Decke. Auf einmal war alle Wirkung der Predigt verschwunden, und es geschah nichts. Daß nun der Hr. Graf den Aufrührer strafte, war kein Wunder, und ganz recht.
Bei
S. 46
46 StatsAnzeigen XII: 45.
Bei dem verfallenen PolizeiWesen wollte der Regent eine neue PolizeiVerordnung einfüren: er trug den Entwurf seinen treuen Dienern, dem dem berümten Cameralisten Bergius, und noch einem andern braven Mann, auf. Die verfertigten ein musterhaftes Werk; er wurde gedruckt und publicirt; aber was geschah? Der Magistrat und die Bürgerschaft der Stadt Laasphe, kamen in einer Procession ins Schloß aufgezogen, und legten dort die sämmtlichen in der Stadt verteilten Exemplare wieder nieder; noch andern Unfugs zu geschweigen. Darauf wandte sich das Land nach Wetzlar, und verklagte seinen Herrn, daß er ihm neue Rechte aufdränge. Die Klage wurde angenommen,un der RechtsStreit dauerte bis ins 7te Jar fort: freilich gewann der Hr. Graf; allein die Erbitterung, das Mistrauen, und der Ungehorsam, fressen denn doch tiefer ein, und machen das Geschwür unheilbar.
Wer diese Liegenheit der Sache weiß; den befremdets nicht, wenn einem solchen Herrn auch bisweilen das Wasser über die Körbe geht, und er nach der Strange verfärt. Ich will nun die eigentliche Geschichte der berürten Aufsätze, nach der Warheit, und zwar mit den eigenen Worten eines unparteiischen Mannes erzälen, der den ganzen Hergang kennt, und mir folgendes auf Begeren zugeschickt hat.
Die Veranlassung zu der ganzen Sache war eine im J. 1784 sich äußernde günstige Aussicht, die HammerWerke in stärkeren Betrieb zu setzen, und dadurch auch einen Teil der durch merjärigen Miswachs zurückgekommenen Untertanen in ihrem NarungsStande Hilfe zu leisten. Hieraus entstand nun der Entschluß, den Arfelder Hammer, der in Verfall geraten, wieder aufzurichten. Zu dieser Zeit war der ZainSchmidt Wiegel mit seinen Verwandten da, und besaß, und was dazu gehörte, als eine ErbLeihe, die er, nachdem der Hammer in Stillstand gekommen war, gleichsam erschlichen hatte: er konnte aber, so wenig wie sein Bruder, auf dem wiederher=
ge=
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gestellten Hammer gebraucht werden. Ueberhaupt hatte sich diese Familie, durch ihre Auffürung, an dem Ort schon verdächtig gemacht. So wie alsie die gewönlichen hier vorkommenden LeiheGüter keine römische Emphyteusen sind, und von dem LandesHerrn zu andereitiger Disposition wider eingezogen werden können, und die gräfl. HofCammer hierüber die Anordnung hat: so geschah es auch in diesem Fall, wo aber freilich, nach dem Buchstaben und den Worten des LeiheBriefs, eine ErbLeihe statt fand.
Emphyteusis; emphyteutischer Kontrakt: Vertrag, durch welchen Jemand (der dominus emphyteuseos), einem Andern (dem teuta, Erbpachter), ein Grundstück (gegen eine jährliche Abgabe und unter der Bedingung, der immerwährenden Benutzung) überlässt.
Unterdessen enthielt das Landesherrliche Decret (StatsAnz. S. 263) eine hinlängliche Entschädigung; und daß es dem edeldenkenden wolmeinenden Grafen nicht Ernst damit gewesen, kann nur die schändlichste Verläumdung sagen.
Da nun der Herr Graf gewont ist, bei jeder guten Absicht den Widerstand misleiteter Untertanen zu erfaren: so befremdete es ichn auch gar nicht, daß Wiegel den Vorschlag nicht sogleich annemen wollte. Daß er aber sogar Trotz bot, mit bekannten berüchtigten VolksAufwieglern Rat pflog, sich sogar mit seinem Bruder außer Landes auf einen Hammer in Arbeit begab, wo er vielleicht noch ist (welches hier, wie im Nassauischen, bei schwerer Strafe verboten ist), und niemand als eine alte Mutter in dem Haus und auf dem Gut zurückließ: dies veranlaßte die verfügte Ausräumung des zum Hammer gehörigen Hauses. Diese Ausräumung geschah aber, wie das sonst verdächtige einseitige NotariatsInstrument bezeugt, in aller Ordnung. Ist der LandesHerr um dasselbe spazieren gegangen, welches das Geschwätze Eines unbeeidigten, von einem Notarius verhörten Zeugen, keineswegs bewarheitet: so geschah es gewiß nicht, um eine AugenWeide an diesem Geschäfte zu haben; sondern weil eben ein neuer Bau aufgerichtet wurde, den er in Augenschein nemen wollte. Ueberhaupt verrät eine solche seichte Anmerkung immer die unedle Absicht des befangenen Erzälers. – Eine schändliche Lüge aber ist es, daß die gräflichen Bedienten aus der Wiegelschen Habe dieje
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nigen Türen weggeschleppt hätten, aus deren Veräußerung man nachher dieser Familie einen Vorwurf gemacht habe.
Nachdem die Räumung des Hauses geschehen war, kam Wiegel zurück, und tat eine zeideutige Erklärung, sich unterwerfen zu wollen, wenn ihm das verwilligte Surrogat, dessen Zulänglichkeit in die Augen fiel, ihm annoch zu Teil werden sollte. Sein bisher aufs äußerste getriebener Unfug veranlaßte das andre Dekret (S. 294), welches 150 Fl. und 59 Fl. rückständigen ForstGeldes bewilligte; und die Landesherrliche Gnade würde Wiegeln noch ein mereres, nebst einem Gut, wie vorhin schon decretirt war, gewiß zu hinreichende Entschädigung zugeteilt haben, so bald derselbe nur Ernst bezeugt hätte, ein treuer Untertan zu seyn. Im Grunde war es aber nur um eine Beschönigung zu tun, damit er nur als Unterdrückter bei dem RCammerGericht [Reichskammergericht] zu Wetzlar möchte auftreten können. – Eine unvermüssigte Bemerkung ist es S. 265, Num. 4, daß dem Wiegel die 150 Fl. bei seiner Verstoßung nicht angeboten worden, da doch das Decret, welches diese Summe bestimmte, späteren Ursprungs seyn soll. – Wiegel ging nun mit seinen 2 Decreten und NotariatsInstrument zu seinem Advocaten nach Wetzlar, und brachte Schreiben um Bericht an die Wittgensteinische Regirung aus.
Zur Rechtfertigung der Regirung dient nun, daß erst jetzt ihrem Directorii die verhandelten Acten (die eigentlich nur aus den einzelnen Verfügungen bestanden), von der HofCammer überliefert wurden: dieser stellte dann den Bericht, wovon er selbst dem Publico die Auslegung erteilen wird, hiernach aus, und fürte die Sache in der Hoffnund eines Vergleichs fernerhin ohne Collegialische Verhandlung for. – Gegen das widrige Urteil wurde die Revision ergriffen, derselben aber nur in Ansehung des StrafAnsatzes von dem RCammerGericht statt gegeben. Das Mandatum de exequendo folgte bald darauf; und mit einem großen, dem Gegenstand es Processe nicht verhältnismäßigen KostenAufwand, wurde die Restitution des Wiegels, der erst
jetzt
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jetzt sich wieder im Lande blickenließ, bewirkt. Diese letzte WiederEinsetzungsHandlung wurde dem Hrn. RR. Hombergk übertragen; der dann auch bald hernach eineer UntersuchungCommission, in Betreff einer von den Wiegels ersonnenen Diffamation, beizuwonen, desfallsigen Vorladungen und Schreiben zu erlassen, und ein eingeholtes auswärtiges Urteil zur Vollziehung zu bringen, hatte: bei welchem Vorfalle sich die SinnesArt dieser Leute noch vollendes offenbarte, und auch Fremden einleuchtend wurde.
Zu Beantwortung der etwaigen Frage, warum man es in der Sache so weit kommen ließ? dient: die Sache war einmal geschehen, und ein der Würde des LandesHerrn angemessener Vergleich dasjenige, was gleich anfangs interndirt wurde. Die Erfarung lert, wie sehr es zum selbst eigenen Nachteil der Untertanen, die ohnehin zu Widersetzlichkeiten aller Art von jeher geneigt gewesen, gereicht, wenn sie bei der hohen GerichtsStelle leicht Gehör finden, und dadurch zu Processen angereizt werden, denen sie Hab und Gut aufopfern, oder vermittelst deren sie gar diejenigen Rechte ihres LandesHerrn bestreiten, ohne welche Sicherheit, Ruhe, und Ordnung der bürgerlichen Gesellschaft, nicht bestehen können. – So war es in der Tat ein auffallendes Beipsile, daß über einen neue PolizeiOrdnung, die Ausübung wesentlicher RegierungsRechte des LandesHerren, 7 Jahre lang gehemmet wurde; nach deren Ablauf ein RCammerGerichtl. Urteil, sämtliche gegen gedachte Ordnung angebrachte Beschwerden, als unerheblich verwarf.
Der in dem Urteil (StatsAnz. S. 269) enthaltene, in so hefftigen Ausdrücken angefasste StrafAnsatz, war nach der Liegenheit der Sache etwas unerwartetes; und es mußte gewiß Erstaunen erregen, den LandesHerrn also vor den Augen seiner Utertanen herabgewürdigt zu sehen. Eben dies war der Anlaß, annoch das Aeußerste zu versuchen. – Der durch sienen Sachwalter wol unterrichtete Wiegel wich allen VergleichsVorschlägen bedachtsam aus, und erwartete nur die
StatsAnz. XII: 45. D Oberst=
S. 50 mit Unterzeichnung Jung-Stillings.
50 StatsAnzeigen XII: 45.
OberstRichterliche Restitution, die denn auch in aller Form geschah.
So weit geht die mir gewissenhaft erteilte Erläuterung eines Sachkündigen und gelerten Manns, auf dessen WarheitsLiebe sich jeder Leser verlassen kan. Das unbefangene Publicum wird nun zu urteilem im Stand seyn, in wiefern der Hr. Graf von Wittgenstein die hässlichen Züge verdiene, in welchen er, jenen einseitigen Aufsätzen zufolge, vor ganz Deutschland erschenen mußte? – Die par Entschuldigungen und kalte Complimente, die ihm DIE Verfasser angedeihen lassen *, z. B. der sonst edel denkende Hr. Graf und dergleichem tun im Grund keine andre Wirung, als daß m an dabei denken muß **, es sei ein Bückling, den man doch einem uralten Reichsgräfl. Hause schuldig sei.
D. Johann Heinrich Jung,
Prof. der StatsWirtschaft in Marburg.
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* Sollte höchstens heißen: „die ihm der Herausgeber der deutschen StatsCanzlei gemacht, und die diesem der Herausgeber der StatsAnz., so wie alles übrige in diesem Aufsatze, nach seinem eignen ehrlichen Geständnisse S. 263, blos nachgeschrieben hat*. S.
** Nur ein verächtlicher Schwachkop kan sich für verpflichtet halten, ohne Kenntniß und Ueberzeugung jemanden blos deswegen für edel denkend anzugeben, weil er ein uralter Reichsgraf ist. „Man kan edel denken, und doch Einmal durch einen bösen Rat verleitet werden“: dies ist eine Warheit, und kein Bückling. „Der Hr. Graf v. Wittgenstein ist ein edel denkender Herr“: dies, werden alle Leser mit mir denken, schrieb H. Reuß als ein Factum hin, und wollte keinen Bückling machen. S.
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