Bericht über Jungs Vortrag zur Löffel-Manufaktur in Helberhausen, 1781
II. Oeffentliche Sizung der kurfürstlichen ökono=
mischen Gesellschaft am 20. Windmonate 1780.
Das höchste Namensfest der durchlauchtigsten
Protektorin der ökonomischen Gesellschaft,
kurfürstl. Durchlaucht, unserer vielgeliebtesten und
besten Landesmutter rief heute sämtliche Glieder
dieser gelehrten Gesellschaft zusammen, um mit
feierlicher Eintracht Segen des Himmels auf diese
Wohlthätige und Theure Mutter ihrer pfälzischen
und ander Staten zu erflehen. – Herr Jung hatte
den Auftrag, an diesem festlichen Tage eine öffent=
liche Vorlesung zu halten, und hiezu erwählte er
die Geschichte ber [sic] hölzernen Löffelmanufaktur zu
Helberhausen, die er nach seiner Art, das heist an=
genehm, gründlich und nüzlich vorerzählte.
Aber wird mancher, der vor lauter Goldschaum
das Gold selbst nicht finden kann; der nur ge=
wohnt ist, an der Schale zu nagen, um den Kern
andern zu überlassen, nicht laut ausrufen, viel=
leichz gar spöttelnd andern vorerzählen, so eine ge=
ringfügige Geschichte an einem so heiligen Tage!
Mit Leuten, die so denken, habe ich nichts zu
schaffen, diese muß man ihrem eigenen Kreise über=
lassen. Sie überführen zu wollen, wäre eine ver=
gebliche Arbeit. Würde man sie auch diesmal über=
zeugen können: so würden sie doch wieder bei einer
andern Gelegenheit ihr fades Hohngelächter aus=
brechen, folglich wäre die Zeit, zu ihrer Verstan=
desausbesserung angewendet, so gut, wie verlo=
ren. – Also zur Sache.
Der Gang der folgenden Geschichte bringt den
Verf. dahin, gleich Anfangs über den beinahe in
ganz Deutschland herkömlichen Fehler einer schlech=
ten Forstwissenschaft zu klagen. Jagdlust der Für=
sten, mangelhafte Verfassung der Forstämter, Un=
wissenheit der Forstbedienten sind die Quellen die=
ses Verfalles, und Ursache, daß so manche Quelle
versieget, die sonst unserm deutschen Vatterlande
so manche schöne Summe einbrachte, und noch ein=
ne ungleich grösere würde eingeführt haben, wenn
unsere Vorfahren den Werth des Holzes besser gekant
Anm.:Mit einer „energetischen Brille“ betrachtet Susanne Stephan in „Der Held und seine Heizung. Brennstoffe der Literatur“ (Berlin: Matthes & Seitz 2023; ISBN 978-3-7518-0359-5) Jung-Stillings Werk (S. 14, 137-153, 414 f.; siehe dazu die Besprechung: Susanne Stephan: Der Held und seine Heizung - Podcast: | hr2.de | Neue Bücher = Autor: Mario Scalla; Veröffentlicht am 06.03.23 um 11:12 Uhr.)
haben würden. Der Verf. bringt hier eine Ge=
schichte von Otterberg bei, die ihm ein Greis, der
damals Wirtschaft führte, vorigen Sommer er=
zählte, und die auch dies von unsern vergangenen
Zeiten bestättiget. Denn vor 60 und 70 Jahren
wurden die schönsten holländer Stämme daselbst,
das Stück für einen Gulden, öffentlich versteiget. [sic; versteigert]
Freilich floß damals bei den Versteigerungssschmau=
sen der Wein auf dem Boden herum, hingegen sind
auch jetzt öde Heiden genug daselbst, die den Na=
men Wald führen; auch giengen mancherlei Be=
schäftigungen ein, die den Einwohnern Geld und
Nahrung brachten. So weiß man von Otterbergs
nüzlicher Beschäftigung, hölzernes Geschirr zu ma=
chen, jezt weiter nichts mehr, als daß ihre Gros=
ältern sich wohl dabei ernähret haben .
Das übelste bei der ganzen Sache ist, daß die
küftigen Forstbedienten als Jägerbursche ordent=
lich handwerksmäsig erzogen werden, ohne einmal
die ersten Anfangsgründe der Forsthaushaltung zu
verstehen. Freilich haben wir in neuern Zeiten,
vorzüglich im brandenburgischen, die schönsten Bei=
spiele, daß diese Haushaltung durch allgemeine
bessere Einrichtungen abgeschaft sei, und daß man
einem Forstbedienten daselbst grosmüthig verzeiht,
wenn er die Hasen fehlt, aber nicht, wenn er den
Werth eines Baumes, seine Eigenschaften &. nicht
kent; kurz, wenn er die ganze Forstwissenschaft
nicht versteht. Daselbst ist es nun eingeführt, daß
jeder, ehe er fähig erkent wird, die geringste Wald=
bedienung zu erlangen, die Grundsäze der Mathe=
matik, der Forstbotanik &. kennen, und daß er nächst=
dem in der ganzen Forsthaushaltung wenigstens
theoretisch bewandert sein müsse, ehe er sich um so was
melden dürfe. Aber hiezu gehören Anstalten
des States, die in den meisten Ländern bisher
noch fehlen, daher es auch nicht möglich war,
Männer mit solchen Kentnisen ausgerüstet, dem
State anzuziehen. Karl Theodor hat auch hierin
der Unwissenheit in seinen pfälzischen Staten Grän=
zen gesezet; auf unserer Hohen Schule wird dies
alles öffentlich vorgetragen, und Herrn Jungs Lehr=
buch von der Forstwissenschaft wird nächstens ge=
druckt erscheinen.
Nach dieser Ausschweifung, die aber hier gewiß
an ihrem rechten Ort stand, kömt nun der Verf.
auf die Geschichte seiner Löffelmanufaktur, die ich
ihm in möglichster Kürze hier nacherzählen will.
Im Jahr 1690 wohnten in dem Nassausiegen=
schen Dorfe Helberhausen drei Jünglinge, Jo=
hann Heinrich Klaus, Johann Heinrich Helmers
und Jost Heinrich Preiß, alle drei Viehhirten, de=
nen es lästig ward, so ganz müsig nichts weiter zu
thun, als blos das Vieh zu beobachten. Ihr öf=
terer Aufenthalt im Walde, und die damaligen
Sitten, sich bei hölzernem Geschirr sehr wohl zu
befinden, wozu Mangel und Gewohnheit unsere
Vorältern abgehärtet hatte, und wobei sie ver=
gnügter waren, als es jezt manche bei ihren silber=
nen Löffeln. und bei ihrer mit mehrerem Prunke ein=
gerichteten Haushaltung nicht mehr sind, brachte
sie auf den Gedanken, ihre Nebenzeit mit Verfert=
tigung hölzerner Löffel zuzubringen. Woher der
Krämer damals das hölzerne Geschirr bezogen, ist
dem Verf. unbekant, aber er vermuthet, daß das
kurkölnisch=westphälische Städtgen Winterberg
solches auch verfertiget, welches seit undenklichen
Zeiten alles hölzerne Geschirr verarbeitet, und so=
wohl die dortige Gegend, ja die ganze Niederlanden
und Holland damit versehen hatte. Aber die hölzer=
nen Löffel waren so grob und unschirig, daß man sie
kaum in den Mund bringen konte.
...
...
... Und reichlich werde
ich mich belohnet schäzen, wenn die Anzeige dieser,
dem Ansehen nach sehr unbedeutenden hölzernen
Löffelmanufaktur ganz entfernt was dazu beitragen
könte. Medikus.