Jung-Stilling und der Weihnachtsbaum

Lebensbaum, Christbaum, Lichterbaum. Tannenbaum, Christmastree …

 

Bereits Hans Kruse zweifelte in seinem Aufsatz „Der erste Weihnachtsbaum im Siegerlande“ 1923 daran, dass das, was man über Jung-Stillings Verhältnis zu diesem anging den Tatsachen entsprach.

Ausgehend von der Textstelle im „Heimweh“ (Bd. 1, Frankfurt und Leipzig 1794, S. 2 f.):

„Lieber Ernst! fieng meine Mutter an: indem sie ihres Mannes beyde Hände faßte, und ihm seelenvoll ins Angesicht lächelte: lieber Ernst! – wir müssen wohl am Glöckchen ziehen, damit der Vorhang aufgerollt werde.

Mir war's bey diesen Worten zu Muth als wie einem Kinde bey den apocryphischen Sprüchen seiner Mutter am Tage vor dem Christfest: es ahnet etwas herrliches, versteht aber nichts, bis es früh aufwacht, und nun zum hell erleuchteten Lebensbaum mit vergoldeten Nüssen und zu den Schäfchen, Christkindchen, Puppen und Schüsseln mit Obst und Confect geführt wird. Oder wie Freund Claudius bey dem Lesen des Evangeliums Johannis.“

Man nahm danach an, dass Jung-Stilling erstmals von einem solchen Baum berichtete.

Kruse bezog sich in seiner Kritik auf den Aufsatz von Friedrich Kluge aus dem Jahr 1898 und nach diesem verweist er auf „Sturtziade […] I 49“.

Im Jahr 1941 macht Alfred Pfleger in seinem Aufsatz „Weihnachtsbaum und Christkind im alten Elsaß. Mit besonderer Berücksichtigung des Altstraßburger Weihnachtsbrauchtums“ eine Zusammenfassung, in der er auch damals Neues vortrug; so ist die Erinnerung der Henriette von Oberkirch, geb. Waldner von Freundstein (5.06.1754-10.06.1803), aus dem Jahr 1785 hier genannt (Memoiren, Bd. 2, Kapitel 29, S. 133: Thannenbaum, Tannenbaum).

 

Nebenbei:

Johann Christoph Wedeke schreibt in seinen „Bemerkungen / auf / einer Reise / durch / einen Theil Preussens / von / einem Oberländer. / - [eL] / Erstes Bändchen. / - / Respicere exemplar vitae morumque jubeo. / Hor. de a. p. / - [eL] / Königsberg, / bei Friedrich Nicolovius. / 1803.“, Bd. 1, S. 439 ff.: „so erwählt er schickliche Zeiten zur Vertheilung, gemeinhin das Weihnachtsfest, wo er an irgend einem Orte, entweder in seinem eigenen Hause, oder in den Schulen zu Döbern oder Deutschendorf, kurz wo es sey, einen Lichterbaum aufrichten läßt, woran allerlei Geschenke hängen. Denn man muß nicht denken, daß die Jugend ihre Freude nach der Kostbarkeit der Geschenke abwägt.“

 

 

Mit dem zitierten „Sturtziade“-Text ist gemeint das  1802 bis 1808 in drei Bänden erschienene Werk des evangelischen Geistlichen und Schriftstellers

Gottfried Jakob Schaller (auch Geoffroi Jacques Schaller; geb. Obermodern 17.06.1762, gest. Pfaffenhoffen 26.03.1831; Schaller nennt sich in Band 3 als Autor und schmückt diesen Band mit seinem Porträt.)

„Die Stuziade oder der Perükenkrieg [Vignette] Strasburg bei Joh. Heinr. Silbermann XI   1802.“ [2. Titel:] „Die Stuziade oder der Perükenkrieg Vom Verfasser – -- [Motto] Erste Theil. --- Straßburg bey Joh. Heinr. Silbermann. XI, (1802.)“

Hier finde sich der zitierte Text auf S. 49. - Auf S. (1) des „Vorrede“ gibt Schaller die Aufklärung: „“) Stuz heist so viel, als Perüke. S. des braven Langbeins Bräutigamsspiegel.“ – Vgl. Stuzen/stutzen: kürzer machen. – Stutzperücke: kurze Männerperücke („perruque courte“) des 18. Jhs., im Gegensatz zur schulterlangen Allongeperücke. – Suffix -iade bei Namensbildung. – Langbein (1757-1835): „Der Bräutigamsspiegel.“ – In: „Gedichte von August Friedrich Ernst Langbein. Erster Theil. Leipzig, 1800.“, S. 134-137

Interessant ist, dass allen Lesern in diesem Zusammenhang entgangen ist, dass Jung-Stilling im zweiten Band im 14. Gesang (S. 202 ff.) genannt ist.

„‘Hier, rief er [d. i. Momos] nun, hier ist es schön!

     Doch alles zu beschreiben,

Dazu bin ich nicht auserseh‘n,

     Und lass‘ es klüglich bleiben;

Wer es indeß zu seh‘n begehrt,

Dem zeigen‘s, hoch und tief gelehrt,

     Die Seher Jung und Thube.‘ *)“       Die Anm. lautet:

*) Herrn Hofrath Jung‘s in Marburg, Scenen aus dem Geisterreiche sind wohl Wenigen unbekannt. Lezterer, Herr Chr. Gottl. Thube, sein [S. 225:] würdiger Bruder in der Apokalypse, ist Pastor zu Baumgarten in Meklenburg=Schwerin.“

 

Buchgeschenke scheinen für Jung-Stilling zu Weihnachten typisch zu sein,

1807-01-28 schrieb Jung-Stilling an Friedrich Rudolf Saltzmann: Petilliet versprach imir in sämtliche Schriften der Mad Guyon und Fenelons zu schicken, ich freute mich darüber wie ein Kind auf sein Weihnachts Geschenk und nun kommen die Sachen nicht, […]“. Am 1808-12-17 will er ein Buch an seinen Sohn verschenken.

 

Literatur mit Herkunftsnachweisen und Gebräuchen (1494, 1605)

Meyer, K. A.: Vom Weihnachtsbaum. – In: Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen (= Swiss foresty journal; = Journal forestier suisse) Bd. 111, H. 12, 1960, S. 685-688. –

Wagner, Rudolf  Etwas über die Herkunft und Geschichte unseres Weihnachtsbaumes- Eine kulturgeschichtliche Skizze. – In: Am häuslichen Herd. Schweizerische illustrierte Monatsschrift Bd. 33, H. 6, 29-1930, S. 140-142.