Quellen zur Wiedervereinigung der Konfessionen

Hingewiesen sei neben den URL

Bibliographie (unter 1811) in dem URL = index.php?option=com_content&view=article&id=25  und dem Grauen Mann = URL = index.php?option=com_content&view=article&id= 125.

auf den Aufsatz von

Martin Voelkel: Bemerkungen zu den Briefen Johann Heinrich Jung-Stillings und Johann Anton Sulzers über Katholizismus und Protestantismus (1810 / 1811). Eine theologiegeschichtliche Momentaufnahme

unter  dem URL

www.Jung-Stilling-Forschung.de/Voelkel_Sulzer.pdf

 

Texte aus dem Jahr 1806

in einer süddeutschen Zeitschrift:

 

„Auch ein paar Worte über Religionsvereinigungen.

Man hat zu verschiedenen Zeiten schon gutge meinte Vorschläge gemacht, die durch die Reformation getrennten christlichen Kirchen wieder zu vereinigen, doch wurde dieser Gedanke noch nie so ernsthaft gefaßt, als in unsern Tagen, und verdiente nie so sehr die allgemeine Aufmerksamkeit, denn es gilt hier die Erhaltung des Höchsten und Heiligsten, was der Mensch besitzt. Was ich über diesen Gegenstand sagen will, ist meine Ansicht, die ich weder aufdringen kann, noch aufdringen würde, wenn ich es könnte, vielmehr bin ich jedem dankbar, der mich belehrt und zurecht weißt.

Verschiedne Religionen vereinigen, heißt nichts anders, als verschiedne Meinungen vereinigen, und um dies zu bewirken, sind nur zwei Wege möglich: entweder der eine Theil entschließt sich ohne weiters, zu der Meinung des andern überzugehen, oder beide unterwerfen ihre abweichenden Meinun= [Sp.159:] gen [Meinungen] einer neuen Discussion, und vereinigen sich alsdann zur gemeinschaftlichen Annahme des Resultats.

Das erste ist aber unmöglich, also bliebe nur noch das zweite übrig.

Hier erhebt sich aber zuerst die Frage: Wer soll bei einer neuen Prüfung verschiedner bisher für wahr angenommener Lehr= und Glaubenspunkte Sitz und Stimme haben? Ein jedes kirchliches Mitglied, oder gewählte Repräsentanten auf einer förmlichen kirchlichen Tagsatzung?

 

Jenes ist nicht nur unausführbar an sich, sondern auch darum, weil der große Haufe seine Religion auf Treu und Glauben angenommen hat, und zu einer Prüfung gar nicht die erforderlichen Fähigkeiten besitzt.

Das zweite möchte eben so wenig zu dem beabsichtigten Zwecke führen.

Man weiß, wie wenig die denkenden Köpfe aller christlichen Kirchen sich bisher über das, was als Haupt = und Fundamentallehre anzusehen sey, oder nicht, verstehen konnten, und wie abweichend ihre Behauptungen hierüber sind. Aber gesetzt auch, ein religiöser Convent würde leichter über das Wesen der Christusreligion eins, als der Convent zu Wilhelmsbad über das Wesen der Maurerei, so müßte doch alsdann die neue kirchliche Constitution dem Volke zur Annahme vorgelegt werden, und man wäre um keinen Schritt weiter als zuvor.

Man kann die Menschen in Absicht auf Religion in drei Klassen theilen: I) in die gleichgültigen; 2) in die Zweifler; 3) in die redlich Gläubigen. Die ersten muß man verloren geben, denn sie haben den Glauben an sich selbst verloren; die zweiten würde man höchstens zu einem gemeinschaftlichen Kultus vereinigen können. Die dritten allein kamen hier eigentlich in Betracht. Der [Sp. 160:] größte Theil derselben besteht aber aus Menschen, welche ihren Glauben an Gott und seine Offenbarung als das Köstlichste ihres Lebens bewahren, die eher an ihrem eignen Daseyn zweifeln würden, als an dem kleinsten Wort in der Lehre ihrer Kirche. Will man sie nun auf einmal zweifelhaft machen in dem, was ihnen wahr erscheint, wie das Licht des Tages? Werden sie einer neuen Autorität glauben, nachdem ihnen die_alte verdächtig gemacht wurde? Hier gilt ewig, was Lessings Nathan zum Saladin sagt:

Wessen Treu und Glauben zieht man denn

Am wenigsten in Zweifel? Doch der Seinen?

Doch deren Blut wir sind? Doch deren, die

Von Kindheit an uns Proben ihrer Liebe

Gegeben? Die uns nie getäuscht, als wo

Getäuscht zu werden uns heilsamer war?

Wie kann ich meinen Vätern weniger

Als du den deinen glauben? oder umgekehrt.

Kann ich von dir verlangen, daß du deine

Vorfahren Lügen strafst, um meinen nicht

Zu widersprechen?

Was soll denn eigentlich eine Religionsvereinigung? Wird sie das Reich Gottes befördern, das Fortschreiten des Menschengeschlechts zum Vollkommenen? Will man laut bekennen, es giebt einige Kirchen, die nicht dahin fuhren, oder: keine Kirche führt bis jetzt dahin?

 

Was in der Religion von Menschen ist, werden wir schwerlich halten können, was darin von Gott ist, wird wohl nicht untergehen. Alle sind wir ja einverstanden über das Eine, was noth ist, und das liegt nicht in einer Einheit der Kirchen, sondern in der Einheit des Glaubens an die Erlösung des Menschengeschlechts, in der Einheit des Gemüths mit dem Heiligen und Ewigen.

Es lassen sich aber auch Stimmen hören, welche die Vereinigung der Kirchen als eine politische Masregel betrachten, das Reich Gottes auf Erden –– [Sp. 161:] als eine tüchtige Polizeianstalt. In dieser Absicht möchte die mahomedanische Religion noch eher zu empfehlen seyn, als die sanfte Christusreligion, die im Menschen nur das Reinmenschliche sich aneignet, und nicht durch den Reiz eines an sinnlichen Genüssen unerschöflichen Paradieses, sondern durch die bloße Mahnung des Menschen an seine göttliche Abkunft ihm Muth giebt und Stärke, den Hohn der Welt nicht zu achten, und den Tod nicht zu fürchten, weil ihm das Leben nicht sein höchstes Gut ist.

 

Möchten wir nicht so oft thun wollen, was wir nicht können –– und uns dafür bestreben, zu seyn, was wir seyn können zu allen Zeiten –– männlich, denn Tugend und Religion sind nur darum so selten unter uns, weil wir zu wenig Mannheit besitzen, zu wenig Muth und Kraft, um den Kampf zu bestehen mit uns selbst, den die Fülle des himmlischen Segens lohnt. Ruhig mögen wir dann aufwärts schauen in den Stürmen, denn wir tragen in der Brust eine Verheissung, die fester steht als die Erde.

            A.“

Bereits im August des Jahres findet sich am selben Ort ein Bericht, u. a. von Johann Heinrich Voß, über die Zusammenlegung der Gymnasien in Heiligenstadt, hier liest man Sp. 66 „Wir glauben, daß ein solches Beispiel, auch wegen der musterhaften Vereinigung zweier Konfessionen, in unseren Gegenden Theilnahme erregen werde.“ (Voß); und S. 66 f.: „Der wichtigste Theil derselben [Einrichtung] ist die Vereinigung der katholischen und protestantischen Glaubenskonfession unter Lehrern und Schülern“.