Zum „Heimweh”-Roman siehe hier.
Die Rezension
Marburg.
Daselbst ging noch in der abgewichenen Michaelismesse in der neuen akademischen Buchhandlung aus der Presse: Das Heim=
weh, von Heinrich Stilling. Mit dem Motto: ᾿Ανοίζω ἐν παρα-
βολαῖς τὸ ςόμα με. 433 Seiten in 8. . ohne Zuschrift an den grauen Mann, und Gutachten desselben. (1 rthlr. 4 gl.
ist die Sehnsucht nach ewiger Glückseligkeit: das Befriedigungs=
mittel derselben, die Reise durch das Leben zu jenem, nach den
Vorschriften der von menschlichen Zufällen geläuterten christlichen
Religion: die Hindernisse auf dieser Reise, welche vermieden, oder
bekämpft und besiegt werden mussen, bestehen in der Sinnlichkeit,
deren Sklave man nicht werden, in der falschen Vielwisserey, mit
der man keine Zeit und Kräfte verschwenden, in der Zweifelsucht,
welcher man nicht Raum geben soll, sobald es auf schon geprüfte
und anerkannte Wahrheit ankommt, und in zweckloser und ver=
geblicher Bemühung nach Kenntnissen und Fertigkeiten, die uns
ferm hiesigen Prüfungsstande zu hoch und unangemessen find.
Dies sind die Lehren, die der Verf. (Hofrath Jung in Marburg,
welcher unter dem Namen Stilling schon mehrere bekannte Ro=
mane herausgab) durch eine hier angefangene, und wahrscheinlich
noch in einem oder zwey Bänden leichtlich fortzuführende Alle=
gorie dem leselustigen Publikum zu versinnlichen sucht. In wie
fern ihm dies gelungen, oder nicht gelungen ist, hat der graue
Mann in dem angehängten Gutachten so richtig und unparthey=
isch auseinander geseßt und bestimmt, daß Recensent nicht umhin
kann, die Leser auf dies Gutachten zu verweisen, und es für übers
einstimmend mit seinem Urtheil zu erklären. Wahrscheinlichkeit,
Costume und Haltung der Charaktere, findet man durchaus gut be=
obachtet, allein wo der Verfasser den Maler machen will, vermist
man doch die Festigkeit in der Zeichnung, die man von Wieland,
und das reiche und eindringliche Colorit, welches man von Schil=
ler gewohnt ist, und die Reflexionen ermuden hier und da in ets
was durch ihre Weitschweifigkeit. Eine Klippe, woran unsre mei=
sten deutschen Romanschreiber, und nicht wenig ausländische oben
drein, nur gar zu oft zu scheitern pflegen! dessen ohnerachtet wer=
den Leser, die beym Lesen auch gerne denken, mit Vergnügen den
folgenden Theilen entgegen sehen.