Der Inhalt der Erzählung "Adelheid von der Heeß, oder das Vehmgericht.":
Die Erzählung handelt von Adelheid, sie "war durch ihre Tugend, Frömmigkeit, Klugheit und Mildthätigkeit weit und breit berühmt. Ihr Gemahl [Hans Diedrich Bohner von Hohen Seelbach] gehörte unter die Klasse Menschen, von denen man weder Gutes noch Böses spricht". Nach 12 Jahren Ehe starb Adelheid unter Zurücklassung eines 10jährigen Knaben namens Albert.
In zweiter Ehe verband sich Hans Diedrich mit Brigitte von der Hube, die das Gegenteil der Adelheid war und die Albert bald nach dem Leben trachtete, damit ihr Kind Walther "Erbherr werden möchte."
14 Jahre alt soll Albert in Trier Mönch werden, wie der Diener Gottfried entdeckt, dem das unerträglich war, zumal er "das Wesen der wahren Christusreligion" kannte und die schlechten Eigenschaften des Walther bemerkte. Auf Gottfrieds Rat flieht Albert zu seiner Tante, der Äbtissin Wallpurgis von der Heeß im Kloster Keppel.
Die Äbtissin kann nicht helfen, lässt aber Albert durch den treuen Förster Bertram – auch vor ihr – verstecken.
Bertrams Bruder, der Förster Siegfried auf dem Giller, dem Geisenberg, tut dies bei sich. Er ist der rechte Mann, denn er ist Diener des dortigen Vehmgerichts (Fehme; Feme; Freigericht; Stuhl- oder Stillgericht).
Auf Hohen Seelbach kehrt nach großer Aufregung bald Ruhe ein, da Albert verschwunden bleibt.
Gottfried wird aber zum Einsiedler Benedikt. Als solcher spricht er Albert Mut zu.
Ein unbekannter Ritter erscheint, verspricht Hilfe und macht Albert zum Ritter Philibert von der Rose, der von nun an von Benedikt begleitet wird. Über Attendorn reitet man nach Münster, wo sie sich in die Obhut des Freiherrn von Buchholz begeben.
Als Edelmann erzogen macht er sich 18jährig auftragsgemäß auf die Reise zum Kloster St. Gallen in der Schweiz.
Nach der Reise über Koblenz, Mainz, Stuttgart und Konstanz trifft er in St. Gallen seine Mutter Adelheid.
Nach tränenreicher Begegnung erzählt die Mutter ihr Leben und ihre Führungen, die noch nicht beendet sind. "Abt Cyrillus zu Markheim ist das Werkzeug der allerabscheulichsten Verbrechen." Adelheid hatte sich seinen Nachstellungen verweigert und fürchtete nun "seine Konnexionen in Rom und andern geistlichen Höfen, nebst seiner schlauen Gewandheit".
Ihr Schwager, der Malteser-Ritter Pharamund von Hohen Seelbach, durchschaute sie und entschloß sich ihr zu helfen. Pharamund wusste, dass das Femgericht dem Abt wegen seiner Beziehungen zu Brigitten von der Hube diesem auf der Spur war. Auch erfährt Albert nun, dass der unbekannte Ritter, der ihn nach Münster sandte, dieser Pharamund gewesen war.
Adelheid berichtet weiter, dass sie wegen der seelischen Belastung erkrankte und entführt wurde. Lebendig eingemauert, erwartete sie ihren Tod, wurde aber durch Ritter Pharamund und Helfern des Femgerichts gerettet. Aber es war notwendig, dass man sie für tot hielt, denn der Schirmvogt des Klosters, Gerlach von der Hube, war zu fürchten.
Nach einigen Jahren ist die Zeit reif zur Entdeckung aller Geheimnisse. Albert, Adelheid und Gottfried kehren zurück und werden vor das Femgericht geführt, wo Hans Diedrich von der Hohen=Seelbach sehen muss, "unter welchem Schlangengezüchte er gelebt hat, und wie die göttliche Gerechtigkeit Verbrechen bestraft!" Alle Verbrechen werden nun offenbar, auch, dass Brigitte versucht hatte, Adelheid zu vergiften, dass aber das Bleipulver nicht ausgereicht hatte, sie zu töten.
"Jetzt erhoben sich alle [zwanzig] schwarzen Männer und sprachen ein dumpfes Wehe! Wehe! Wehe! über den Abt Cyrillus, über Gerlach von der Hube und über seine Schwester; alle drei wurden weggeführt und in einem Nebenzimmer hingerichtet."
Der Schwager führt nun wieder die Familie zusammen, führt sie nach "Hohen=Seelbach" und der geläuterte Hans Diedrich ist nun "ganz verändert, er wurde der zärtlichste Gatte, der beste Vater, der beste Regent und ein wahrer Christ."
Die drei Hingerichteten werden zwar vermisst, aber niemand fragt nach, da man das Femgericht fürchtete.
Jung-Stilling schließt diese Erzählung mit den Worten:
"Es gibt kein Vehmgericht mehr, wir bedürfen aber auch keins, denn der Richter hat sich aufgemacht um selbst zu richten. Die Füße des Keltertreters von Bozea sehen sehr blutig aus. Menschen! Brüder! macht Frieden mit Ihm."
Hinweise:
Keltertreters: Vgl. z. B.: Jes 16, 10; 63, 3: "Ich habe sie gekeltert in meinem Zorn und zertreten in meinem Grimm." – Klagelieder 1, 15: "Der HERR hat der Jungfrau Tochter Juda die Kelter getreten." – Offenbarung 14, 19: "Und der Engel […] schnitt die Trauben der Erde und warf sie in die große Kelter des Zorns Gottes." Off. 19, 15: "Und aus seinem Munde ging ein scharfes Schwert, daß er damit die Heiden schlüge; und er wird sie regieren mit eisernem Stabe; und er tritt die Kelter des Weins des grimmigen Zorns Gottes, des Allmächtigen."
Bozea: evtl. Barasa, Bostra, Bozra, Busêra; vgl.: Jeremia 48, 24: Karioth, Bozra und über alle Städte im Lande Moab, sie liegen fern oder nahe. – 1. Macc 5, 26 ff.; hier 28: Und Judas kehrte zurück eine Tagereise, und stürmte die Stadt Bosor, ehe sie sich's versahen, und eroberte sie, und ließ alle Mannsbilder darin erstechen, und plünderte und verbrannte die Stadt.
Der Text der Erzählung folgt i. Allg. S. 85-100 der "Sämmtlichen Schriften" Bd. 12, Stuttgart 1837.