Back to Top
 
 
 

und Sabbatisten / Sabbatianer / Sabbatarier

 

 

 

In der LG S. 502 ff. findet sich der Bericht über den Besuch eines merkwürdigen Fremden in Ockershausen bei Jung-Stilling. Jung schreibt hier einleitend:

„An einem Morgen im Frühjahr 1796, kam ein junger schöner Mann in einem grünen seiden-plüschenen Kleide, schönen Stauchen und seidenen Regenschirm nach Ockershausen in Stillings Haus; dieser Herr machte Stillingen ein Compliment, das eine feine und sehr vornehme Erziehung verrieth. Stilling erkundigte sich wer er sey?- und erfuhr, daß er der merkwürdige . . . war; Stilling wunderte sich über den Besuch, und seine Verwunderung stieg durch die Erwartung, was dieser äusserst räthselhafte Mann vorzubringen haben möchte.“

 

Zur Vorgeschichte siehe hier

 

Johann Christian Ehrmann (1749-1827) greift diese Stelle aus den „Lehrjahren“ auf, wenn er charakterisierend schreibt:

„Sollte er [d. i. Johann Karl Wötzel/Woezel/Wdtzel (1765-1836)] nicht durch das große Aufheben seiner wunderbaren Erscheinungen  auf den Gedanken gerathen seyn: es müßte wirklich etwas daran seyn, wie Jung in seinen Lehrjahren durch einen schlimmen Vogel glauben gemacht worden ist, im Orient existire wirklich ein geheimer Heimwehorden, zu welchem er bisher durch die Particularprovidenz Gottes in sich selbst geleitet und aufgenommen sey.“

Noch im Jahr 1797 wünscht Lavater mehr Scharfsinn für Jung in dessen Umgang mit den Frankisten/Sabatianern, bei dem ihm "schwindelte". Im „Grauen Mann, H. 4, 1798, S. 34 könnte sich eine Andeutung auf die Frankianer finden lassen.

 

LG S. 746 gibt der Herausgeber Benrath den Hinweis auf den aus Marburg an Johann Wilhelm Berger gerichteten Brief Jung-Stillings vom 1799-05-19 (Briefe S. 233-234).

Beide Herausgeber nennen nicht eine Stelle aus Jungs Werk und kennen anscheinen den folgenden Brief nicht:

 

Jung-Stilling schreibt aus Karlsruhe am 1812-02-05 an Friedrich Rudolf Saltzmann.

Carlsruhe den 5ten Febr. 1812

...

Auch ich begreife nicht was die Juden für Aussichten in Palästina haben. Man vermuthet, daß die Wechabiten etwa dazu mitwürken könnten. Ich weiß gewiß, daß in den Morgenländern eine weitausgebreitete Gesellschaft gebohrener Juden, aber heimliche Christen besteht, die sichs zum Zwek gemacht hat, die ganze Nation, aus allen vier Winden zu sammeln, in ihr Land zuführen, und zu Christus zu bekehren. Diese Gesellschaft sendet von Zeit zu Zeit insgeheim Gesandten aus, die sich allenthalben nach der Lage der Dinge erkundigen müßen. Einen von diesen hab ich wohl gekannt und von ihm hab ich genaue Känntnis von der Sache bekommen, die ich aber niemand ganz entdeken darf, dies war vor mehr als 20 Jahren. Die lezte Gesandtschaft dieser ehrwürdigen Orientalen, war vor drey oder vier Jahren bey der Brüdergemeine zu Gnadenfrey in Schlesien, um sich nach der Verfassung der Juden in den Abendländern zu erkundigen. Sie waren mit wichtigen Dokumenten versehen. Wenn etwas an der Sache ist, so ist wohl jene Gesellschaft in Thätigkeit. Daß viele tausend Juden heimliche Christen sind und nur auf einen Wink warten, das weiß ich gewiß, auch unter den Türken ist insgeheim eine grose Erwekung. Ein vornehmer Christ war in Constantinopel in einer grosen Gesellschaft Türken, wo die Religion zur Sprache kam, und als er ein wichtiges Zeugnis von der Erlösung durch Christum ablegte. Er bemerkte lauter freundliche Gesichter, und ein Türk der neben ihm saß lispelte ihm ins Ohr: Sie haben recht! es scheint der Leuchter wird hier ausgelöscht, und wieder nach dem Orient versetzt werden.

...

Jung Stilling

 

An anderer Stelle heißt es noch deutlicher:

„Den 11ten April [1796] besuchte mich Baron Joseph von Franck von Offenbach und entdeckte mir merkwürdige Dinge, die in dieser Zeit vorgehen“.

 Dieser Besuch Jung-Stillings logierte ab dem 4. Mai 1796 in dem Marburger Gasthaus „Krone“ unter dem Namen „Hr. Baron von Francke, außer Diensten“ und kam von Offenbach.

Hier haben wir eine direkte Verbindung zu den Frankisten und können von daher vielleicht weitere Rückschlüsse auf das Verhältnis von Jung zu den Juden machen, zu dem es eine neue Untersuchung von Gottfried Mehnert (Marburg) gibt.

 

Gerade dieses Verhältnis zu den Juden ist eine Kontroverse zwischen Saltzmann und Jung, deren Korrespondenz – „das Kostbarste“ - sowohl Jacques Matter (1791-1864) nach 1868  als auch Friedrich Wilhelm Kantzenbach (1932-2013) nach 1955 gern herausgegeben hätten.

 

Gemeint ist hier Jakob Frank/Frenk (eigentl. Jankiew Lejbowicz, geb. 1726 in Galizien/Podolien; gest. 10.12.1791) der jüdische Schwärmer und Stifter der Sekte der Sohariten oder Kontratalmudisten bzw. antinomistischen Sabbatianer, die nach ihm auch Frankisten genannt werden; get. 26.11.1796 in Warschau, Taufpate war König August III.)

Heinrich [Hirsch] Graetz (geb. Xions/Posen 31.10.1817, gest. München 7.09.1891), berichtet, dass von Frank berichtet und verbreitet wurde, er sei eigentlich der ermordete russische Zar Peter III. und seine Frau (ehel. 1752 Chana Frank, Tochter des Händlers Jehuda Lev Tuvia ) eine Großfürstin Romanowa

 

Von Frank wird gemeldet, daß er „äußerlichen Pomp, Aufwand und sabbatianisch-grüne Uniformen sehr schätzte“. 1791 meint ein Leserbrief über die Frankisten: „Es ist ein schöner Schlag Menschen, welchen die polnische und griechische Kleidung, die sie tragen, sehr gut ansteht.“ Karl Cäsar von Leonhard (1779-1862), ein Schüler Jungs, schreibt von Franks Leibwache: Frank sei „umgeben von Reitern, grün und roth wie Uhlanen gekleidet, von Gold strotzend.“

 

Adolph Georg Schenck-Rinck (1805-?) nennt als seine Kinder die Brüder Rochus und Joseph (geb. 1753) Frank neben einer Tocher Eva Frank, die das Erbe pflegte.

Schenck-Rinck meint von Joseph Frank: er „war ein blühend schöner junger Mann“.

 

Der „Jerusalems-Orden“ klingt hier ebenfalls an.


Siehe dazu auch:

Jung schreibt an Karl Friedrich von Baden am 1796-06-15 (Briefe S. 185 f., hier S. 186):

 

„Sonderbar und merkwürdig ist es indessen, daß schon seit mehr als zehn Jahren, ohne daß ich nur das Geringste davon wüste oder ahnte, eine solche Anstalt würklich existirt.

 

Es sind nämlich zwischen den Jahren 1784 und 1786 verschiedene Männer aus den Morgenländern nach Teutschland gekommen, die sich geheim halten und unter der Hand an der Bekehrung der Juden zu Christo arbeiten und sie auf den Zug in ihr Vaterland vorbereiten. Diese Sache würkt mächtig im Stillen, und man wird sich dereinst wundern, wenn die Sache einmal reif ans Licht tritt.“

 

Hier haben wir einen Hinweis auf Jakob Frank/Frenk und seine Gruppe. Diese Gruppe kam zur genannten Zeit nach Offenbach.

 

Die Annäherung im Labyrinth im Heimweh hat gewisse Übereinstimmungen mit den Schilderungen von v. Frank.

 

Unbekannt ist dies noch bei


Mehnert, Gottfried: Juden in Jung-Stillings Leben und literarischem Werk.- In: Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung. Bd.64, 2013. Darmstadt u. Kassel: Selbstverlag 2013, S. 208-236 (m. 2 Abb.)

 


Vgl. Rohrer und sein Zitat.

 

Siehe auch

https://www.offenbach.de/kultur-und-tourismus/stadtgeschichte/geschichte-offenbach/18-jahrhundert/frankisten.php

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.