„Es giebt keine Niedrigkeit des Standes, wenn die Seele geadelt ist.“ (LG S. 50)
„Ohne Adel giebt es nur Despoten und Sclaven.“
schreibt Jung-Stilling S. 88 in Fettdruck im Jahr 1789 im
„Lehrbuch / der / Finanz=Wissenschaft. / Von / Johann Heinrich Jung, / der Weltweisheit und Arzneykunde Doctor, Churpfälzi= / scher Hofrath, der Oeconomie= Finanz= und Cameral= / Wissenschaften ordentlicher öffentlicher Professor in Mar= / burg, der Churpfälzisch öconomischen Gesellschaft in / Heidelberg, der Churfürstlichen Teutschen in Mannheim, / der Gesellschaft des Ackerbaues und der Künste in Cassel / und der Leipziger öconomischen Societät / Mitglied. / - / Leipzig, / in der Weidmannischen Buchhandlung / 1789.“ (Reprint Wiesbaden: Verlag Dr. Th. Gabler (1978. ISBN 3-409-10141-1) = Gablers ökonomische Klassiker.)
Das Werk wird nicht genannt in dem „keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse“ (S. 26) bringenden Aufsatz von
Gerhard Schwinge: Jung-Stillings Auseinandersetzungen mit der Freigeisterei und dem Revolutionsgeist. 35 Jahre ‚Vergleichende Zeitgeschichte’ (1779–1814). Ein Forschungsbericht. Gewidmet dem Stillingsfreund, meinem hochverehrten Doktorvater Gustav Adolf Benrath zum 80. Geburtstag, und den ebenfalls 80jährigen hochgeschätzten anderen Stillingsfreunden Jacques Fabry und Gerhard Merk. – In: Jahrbuch für badische Kirchen- und Religionsgeschichte, hrsg. v. Udo Wennemuth, Albrecht Ernst, Thomas K. Kuhn. Stuttgart: Kohlhammer Bd. 5, 2011, S. 25-40,
das ein Quellennachweis und eine Rezension der Sekundärwerke zum Thema ist und einen kritischer Überblick über „den bisherigen Forschungsstand“ bieten soll. Zugleich sollen „bisher weniger oder gar nicht beachtete Quellen“ vorgestellt werden. (S. 25 f.)
Für alle bisherige Literatur zum Thema meint Schwinge S. 25:
Es „wurden von diesen [Autoren] nicht alle infrage kommenden Quellen in ausreichender Weise berücksichtigt.“ –
Leider, wie besonders der unten genannte Aufsatz
„Sendschreiben / an die / Bürger Helvetiens, / von / D. Johann Heinrich Jung, / Hofrath und Professor in Marburg, / sonst auch / Heinrich Stilling / genannt. / - / Winterthur, / in der Steinerischen Buchhandlung.“
zeigt, tut er es auch nicht.
Ergänzungen zu diesem Aufsatz erscheinen mir daher notwendig. – (Die Hinweise sind in der Reihenfolge der Seiten mit Verweisen gegeben.)
S. 26 springen die Quellen vom Jahr 1781 gleich zum Jahr 1792. Jedoch hatte Jung-Stilling bereits seit dem Brief von Friedrich Karl von Moser aus Mannheim vom 1789-08-28 Kenntnis über die möglicherweise kommenden Ereignisse. Moser schreibt:
„Welche fürchterliche Erinnerungen, Warnungen und Winke liefern die jetzigen französischen Unruhen und National=Theses, auch für unsere deutsche Potentaten! - Furcht vor ähnlichen Auftritten fängt schon wirklich am Rhein, Main und Nekar mächtig und heilsam an zu wirken; wiewohl nach meiner Logik und Ahnung alles bisherige erst weit größerer Noth und Auftritte Anfang ist.“
Und im September 1790 gibt es im „Gedenkbüchlein“ interessante Notizen zu den Ereignissen.
Bereits im Jahr 1791 hatten zwei Rezensionen eines Werks von Jung-Stilling festgestellt:
„Die Vorrede vom Hrn. Hofrath Jung dient als Einleitung über den Zweck des Instituts und seiner Beschäftigungen. Sie untersucht den Grund zu der in unserm Zeitalter so sehr bemerkbaren Gährung und Revolutionssucht, und Rec. glaubt, über diesen Gegenstand nichts gelesen zu haben, was die anschaulichsten Sätze kürzer, klärer und treffender aufstellte.“
„Die sehr lesenswerthe Vorrede des Herrn Hofraths Jung, untersucht die entfernten und nächsten Ursachen der jetzigen Revolutionen in der moralischen und politischen Welt, theilt dann die einzigen wah= [sic] Mittel zur befriedigenden, harmonischen Auflösung der streitenden Kräfte mit (sie verdienen die sorgfältigste Beherzigung,) und erzählt die Geschichte und Verfassung des durch den jetzigen Herrn Landgrafen gestifteten nachahmungswürdigen Instituts der Staatswirthschaft.“
Rezensiert wurde hier das Werk:
"Abhandlungen / des / Staatswirthschaftlichen Instituts / zu Marburg. / [Siegel] / - / Mit einer Kupfertafel. / - / Offenbach / bei Ulrich Weiß und Carl Ludwig Brede / 1791."
In der Vorrede dieser „Abhandlungen“ liest man u. a.:
„So wie die Seiden=Raupe [vgl. Jungs „Rede über den Werth der Leiden“ vom 1789-06-20], wenn ihr ihre alte Hülle zu eng wird, sich ängstet und ringt, um sie abzustreifen, so ringt der menschliche Geist nach Freiheit und Licht, überall drängt sichs, allenthalben ist Unruhe, und in Frankreich liegt Clodwigs zwölfhundertjähriger Thron in seinen Ruinen.“
(S. XI:) „Zwischen diesen Epoquen gerad mitten in der allgemeinen Gährung befinden wir uns jezt; die Zersprengung der Bande der Religion hat einen falschen Freyheits=Drang hervorgebracht: die Höfe machten in den Freydenkerey den Anfang; im ungehinderter im Genuß der Sinnlichkeit schwelgen zu können, fesselten viele die sich eben los windende Menschheit wieder in neue Ketten des Despotismus; durch eine Menge von Auflagen die der imersteigende unendliche Luxus nothwendig machte, muste die Crise nothwendig entstehen, die jezt den Europäischen Staats=Körper Convulsivisch zusammen zieht und ängstigt; denn man bedenke einmal folgende zusammen trefende Umstände:“
„wie können nun alle diese Widersprüche untereinander bestehn? – nothwendig muß da wo alle diese Umstände im höchsten Grad zusammen treffen, und das war der Fall in Franckreich [sic, Frankreich], eine gefährliche Revolution entstehen.“
„Jezt bin ich nun auf den Standpunkt gekommen, wo ich die wahren und einzigen Mittel der leidenden Menschheit und ihren Staats=Verfassungen aufzuhelfen zeigen kann, sie vereinigen sich eigentlich alle in fogenden drey Hauptpuncten:“
(S. XVIII:) „Wenn die National=Versammlung in Paris nebst der Berichtigung ihrer Schulden=Masse diese herrliche Wissenschaft versteht, und dauerhafte Gesetze zum Flor deren Gewerbstände entwirft, dann aber auch jedem seine natürliche Rechte läst, so kann Franckreich in künftigen Jahrhunderten zu einer furchtbaren Gröse erwachsen, noch zur Zeit hat es aber zu dem allem das Ansehen nicht.“
Neben dieser Vorrede enthält der Band auch den Aufsatz
„Bemerkungen über das Nomocratische System / von Johann Heinrich Jung.“
Unter dem Titel „Entwurf einer vollkommenen Staatsverfassung“ ist er 1992 nachgedruckt und durch Gerhard Merk ausführlich kommentiert worden. Jung schreibt u. a. darin:
„Die despotische Monokratie ist vom nomokratischen System am weitesten entfernt. Aufgeklärte Menschen können nie Sklaven, und Sklaven nie aufgeklärt sein. Hier müssen also noch viele Veränderungen vorgehen, ehe von Nomokratie die Rede sein kann. –“
Johann Ludwig Ewald meinte 1794 dazu:
"Die Sonne regierte; es war eine Heliokratie gleich jener Nomokratie des politischen Ezechiels Jung *), der die Todtengebeine aufstehen sah, und den Tempel des neuen politischen Jerusalems mit architektonischer Weisheit im Grundriß und im Prospekt hingezeichnet hat."
Die Anm. lautet:
"*) in Marburg. S. sein System der Staatswirthschaft."
Bereits in der Panacee (1775) stellte Jung die „Quellen des Unglaubens“ fest:
„Hätte man die Leute auf den Glauben an den auferstandenen Weltheiland, zum Gebet um Erleuchtung und zu rechtschaffener Sinnesänderung verwiesen, […] so würde man erfahren haben, daß Christus Recht habe, wenn er sagt, daß diejenigen, welche den Willen seines himmlischen Vaters thun würden, innewerden sollten, daß seine Lehre von Gott sey.“
Voltaire „ist nach meiner Meynung die erste Quelle, woraus unsre heutige freygeisterische Zeiten zu erklären sind“.
Zum Freigeist: S. 34, Anm. 26, fehlt der Hinweis auf das Register des Grauen Mannes, S. 166, mit 18 Treffern, und auf die dortige S. 379 mit Hinweis zur Text-Ausgabe S. 861, Zeile 14, wo eine ergänzende Bemerkung zu Anm. 2361 aus einem nicht in der Brief-Edition genannten Brief Jung-Stillings gemacht wird. Der kleine Index zum „Heimweh“ auf dieser web-site bietet noch drei weitere Stellen zum Stichwort.
Nicht bekannt ist dem Autor die zweite Rezension Jung-Stillings in den "Frankfurter gelehrten Anzeigen", die sich hier abgedruckt befindet. Es ist eine frühe Äußerung zum Freigeist, wenn er schreibt: dies Buch enthält Meinungen,
„aber wohl solche, die dem mystisch denkenden Leser ein klein bisgen nach Freygeisterey schmecken können.“
S. 26, noch vor dem Aufsatz über die „Geniesucht“ von 1781 (s. dazu unter S. 32) wird auf die Brief-Edition verwiesen.
In ihr findet sich S. 158-159 (S. 19) der Brief vom 1792-12-05 an den Prediger Justus Christoph Krafft in Frankfurt. Dieser 1934 bei Stargardt verkaufte Brief („Prachtvoller Brief an seinen Oheim“) hat sich im Original erhalten. Schwinge druckt ihn nach Müller ab. Dort wird er als Nr. 5, S. 28-30 abgedruckt und S. 28 leitet Müller ein: „Der Brief läßt erkennen, wie Stilling auch unter persönlichem Leid im realen und politischen Leben scharf beobachtend als Patriot und Christ stand.“
Leider kennt der Editor – wie häufig – nicht das Original, und er benutzt auch nicht die vorhandene (alte), ihm bekannte Abschrift. Er kann nur die drei Auslassungspunkte S. 159 wiedergeben. Ihm entgeht so der wichtige Abschnitt:
„Ich danke Ihnen auch, liebster Oncle! für die Mitheilungen der gedruckten Blätter, die deutschen hatte ich alle schon lang gelesen, die französische Petition Vom Grafen Gorani aber nicht, diese ist schön, nur der Schluß schmeckt nach dem französischen Schwindel: denn der Herr Graf kann Versichert seyn, daß es sehr wenig Städte in Teutschland giebt, die der Fahne ihrer so genannten Freyheit die Thore oefnen werden, und wenn sie auch noch so höflich seyn würden.
Jung bezieht sich hier auf den von Georg Wilhelm Böhmer (1761-1839) übersetzten, von Graf Adam-Philippe de Custine (1740-1793) verfassten „Aufruf an die gedrückte Menschheit in Deutschland im Namen der Franken Republik.“, dem Guiseppe/Josef von Gorani (1740-1819) eine Petition anschloss. Sie endet mit den Worten:
„’ Ihr Decret, Gesetzgeber, ehrend für uns und die Frankfurter, wird in's Deutsche übersetzt, und bald in allen Städten Deutschlands mit Rührung und Dank gelesen werden; es wird daselbst alle Thore unsern Armeen öffnen, sobald sie sich mit der Fahne der Freiheit nähern’.“
[Briefe mit direktem Bezug:
1792-03-11; 1793-01-13: „In den Herbstferien mußte ich auf acht Tage nach Frankfurth verreißen, zu allem Unglück fielen die Franzosen zu der Zeit in Worms ein, der panische Schreken der jedermann befiel würkte abermals auf meine Frau die mich begleitete, und auch hier lebten wir noch eine Zeitlang in einem ängstlichen Erwarten der nahen Zukunft.“; 1794-02-09 an Elise von der Recke (nicht in der Edition); 1795-03-17: „Daß große und wichtige Anstalten getroffen werden, Religion und Staatsverfassung gegen die Wut der Kosmopoliten zu schützen und daß ich da einer vordersten bin, das behalten Sie für sich, ich weiß aber doch, daß es Sie freut.“; 1795-12-23 nicht 1795-10-23: „„An Hofmann in Laubach: ‚Theuerster Exulant! ... Heimweh-Brüder sind wir doch wohl beyde, in dieser Mord-Raub-Plünderungs-Kriegs- und Siegswelt. Der General Clairfait hats klar gemacht, und der General Wurmser wurmt tüchtig vor sich weg. Der oberste Herr der Heerschaaren wolle nun auch bald einmal Gedanken des Friedens in die Cabinets-Köpfe einhauchen; denn das Kriegsglück ist eine Katze, die vorn lockt und hinten krazt ...‘“.]
Auch durch andere Ereignisse muss Jung-Stilling Kontakt mit den Folgen der Revolution gehabt haben:
In Marburg wird im November 1792 ein Feldlazarett eröffnet. Dr. Busch schreibt und drückt seine Dankbarkeit aus für die den Kranken übersandten Spenden.
Friedrich Heinrich Christian Schwarz läßt den Soldaten Neujahrsgeschenke zum neuen Jahr 1793 bringen.
Für das Jahr 1794 finden sich im Strieder/Justi im Artikel Rieß/Ries einige Informationen: Franz Benjamin Rieß (1750-2.12.1823) hatte alle an die Marburger Regierung gerichteten Anfragen seitens des kgl. preuß. Generalfeldmarschalls, des kaiserlich-österreichischen Generalkommandos zu bearbeiten, wobei dies „zum Theile ohne alles Vorwissen und Genehmigung des Landesfürsten“„oft die schleunigsten Entschließungen und Verfügungen erforderten“. – Durchmärsche, Einquartierungen, Truppenverpflegungen, Flüchtlinge und die dadurch entstehenden Probleme und dann auch noch die Viehpest, die das sofortige Schlachten verlangte, waren zu behandeln. Gerade jetzt hatte Rieß nach dem Tode des Regierungsdirektor von Friedrich von Vulté/Vulte/Vulteius (geb. 1729 n. A. 1734, gest. 1794) die Arbeit zu erledigen.
S. 26: Auf die Register und die Inhaltsangaben zum Heimweh auf dieser web-site wird nicht verwiesen – im Gegensatz zu „wikipedia“.
S. 27: Zu „Johann Heinrich Jung / über den / Revolutions=Geist / unserer Zeit / zur / Belehrung der bürgerlichen Stände.“ Nicht genannt sind die Nachdrucke, wie sie neben dem Text und Rezensionen auch auf meiner web-site zu finden sind:
Nachrichten von einem großen aber unsichtbaren Bunde gegen die christliche Religion und die monarchischen Staaten. Zweyte vermehrte und mit Belegen versehene Auflage. [Marburg : Krieger] 1797. Darin S. 115-117: „XVIII. Jung über den Revolutionsgeist 1793.“ – S. 6 und 56 der Schrift betr. Presse(freiheit) werden nachgedruckt.
Untersuchung der Quellen des heut zu Tage allgemein herrschenden Revolutionsgeistes. Von Johann Heinrich Jung Stilling. - In: Siegerländer Heimat Kalender auf das Jahr 1927. 8. Jahrgang. Hrsg. v. Verein für Heimatkunde und Heimatschutz im Siegerlande samt Nachbargebieten. Siegen: Vorländer (1926), S. 84-93.
Etwas unglücklich ist hier aufgeführt - da man es zunächst für einen eigenständigen Text halten kann - :
Garber, Jörn: Kritik der Revolution. Theorien des deutschen Frühkonservatismus. Band 1: Dokumentation. Kronberg/Taunus: Scriptor 1976 = Monographien Literaturwissenschaft [Bd.] 6. – Darin S. 193-205: „16. Johann Heinrich Jung Über die schimärischen Menschenrechte Freiheit und Gleichheit (1793)“. = Neudruck im Faksimile von S. 28-40 aus „Über den Revolutionsgeist unserer Zeit“.
Langendorf, Jean-Jacques: Pamphletisten und Theoretiker der Gegenrevolution (1789-1799. Aus dem Französischen, Englischen und Italienischen übersetzt von Cornelia Langendorf. (München:) Matthes & Seitz (1989). = Batterien 36; Jung-Stilling S. 152-155, hier heißt es S. 152: „Für Jung-Stilling stellen die Revolution und ihre Folgen gewissermaßen eine Profanierung der gottgewollten Ordnung dar, und nur die reine Lehre Jesu kann die Menschen auf den rechten Weg zurückführen. Der Hang zum Luxus, die Einbildung, die Sittenlosigkeit sind Ergebnisse der Aufklärung („räsonieren = rebellieren“), und es ist illusorisch zu glauben, die Revolution könne Glück bewirken. Der Herrscher, schon weil er bei Hof eine sorgfältige Erziehung genossen hat, steht weit über dem Revolutionär, der letztlich nur ein Lausejunge ist, der sich für emanzipiert hält.“
“Johann Heinrich Jung Stilling / Sullo spirito rivoluzionario del nostro tempo / a istruzione dei ceti borghesie / e / La famosa profezia di Cazotte sulla Rivoluzione francese / a cura di / Erminio Morenghi / 11 / Quaderni dell’Istituto di Lingue e Letterature Germaniche / Sezione Testi / - / Universit`1 degli studi di Parma / Facoltà di lettere e filosofia / - / Edzioni Zara – Parma 1996” [Schmutztitel:] “Titoli originali / Über den Revolutionsgeist unserer Zeit / zur Belehrung der bürgerlichen Stände / Cazotte’s weltberühmte Profezeiung / von der franzosischen Revolution.”
S. 27: Die Auseinandersetzung Ewalds mit einem unbekannten Rezensenten zum Gedicht von Halems und dem von Jung zum Gedicht auf Ludwig XVI. ist dem Autor entgangen.
S. 27 und S. 30, Anm. 18: „Revolutionssucht deutscher Weiber“ – „Nach verschiedenen Jung-Stilling-Forschern von Jung-Stilling, wegen Stil und Inhalt jedoch sehr fraglich.“
Der Autor hat nach seinem Aufsatz zum Lateinlernen (und den Text) zwar nun auf Stil und Sprache geachtet, jedoch bleibt er „kühn“ – wie Vincke – eine Erklärung dem Leser schuldig:
Im Juli 1795 schreibt Jung-Stilling nach Benrath in sein „Gedenkbüchlein“:
„Mein Zeichen in der Eudämonia […] ist P+x.“
Nun ist der Artikel tatsächlich mit diesem Zeichen versehen. Ein Vergleich des Buchstabens x S. 386 in „Extreme“ und S. 390 „P – x.“ zeigt die Gleichheit des Buchstabens.
Warum sollte also Jung-Stilling hier nicht der Autor sein?
Ein weiteres Indiz für die Autorschaft ist sicherlich auch in dem Brief vom 1794-03-09 (Briefe S. 163-164) Sophie von La Roche enthalten. Hier heißt es:
„Daß sich Forster vergiftet habe, vermutheten wir hier; das ist aber kein Wunder, hat man sich einmal die Seele vergiften laßen, so ist das Übrige alles eine Kleinigkeit. Aber Fluch über sein ehemaliges Weib! die und noch eine Dame sind schuld an seinem Unglück.“
Schwinge gibt keine Erklärung zu den genannten Frauen, die sich leicht identifizieren lassen. Es handelt sich hier um einige der sog. „Universitätsmamsellen“:
Therese Huber war die älteste, von ihrem Vater „Ruschelhänschen“ genannte Lieblingstochter des Altphilologen Christian Gottlob Heyne (1729–1812). Sie ehelichte Georg Forster, lebte mit ihm 1788 bis 1792 in Mainz. In zweiter Ehe heiratete Therese am 1794-04-10 in Neuchâtel den Schriftsteller und Redakteur Ludwig Ferdinand Huber (1764–1804). Nachdem die französische Revolutionsarmee unter General Custine am 1792-10-21 Mainz besetzt hatte, gehörte Georg Forster zu den Männern, die schon zwei Tage später den Jakobinerklub „Freunde der Freiheit und Gleichheit“ ins Leben riefen.
Neben Therese sind hier zu nennen:
Caroline Böhmer, die spätere Caroline Schelling. Sie übersiedelte frisch verwitwet im März 1792 nach Mainz. Ab Dezember besorgte sie den Haushalt des von seiner Frau verlassenen Forster. Ihr Schwager war der schon genannte und ebenfalls als Mainzer Jakobiner prominente Georg Wilhelm Böhmer und
Meta Forkel-Liebeskind (verh. 1. Johann Nikolaus Forkel; 2. Johann Heinrich Liebeskind; geb. als Sophie Margarethe („Meta“; „Gretgen“) Dorothea Wedekind geb. Göttingen 22.02.1765 in; gest. Eichstätt nach 07.1837, vor 1853) traf am 19. Oktober in Mainz ein, wo sie von Caroline Böhmer aufgenommen wurde. Am 7. Oktober war sie von einem unehelichen Sohn entbunden worden. In Mainz lebte ihr Bruder Georg Wedekind, der wie Forster ein Gründungsmitglied des Jakobinerklubs war. – Sie war Gottfried August Bürgers (1747-1794) „Furciferaria“.) –
Siehe zu diesen Frauen und ihrer Geschichte: Die Mainzer Klubbisten zu Königstein: Oder, die Weiber decken einander die Schanden, 1793, neu hrsg. v. Franz Blei, 1907.
Im Grauen Mann heißt es 1, 1795, S. 65 f.
„Die französische Revolution war und ist noch ein Ding, das vieler Menschen Gedanken und Gesinnungen offenbar gemacht hat. Ich kannte vor diesem Zeitpunkt viele edle Männer, mit denen ich gern das Brod brach, die aber nun so arge Himmelsstürmer und Christus=Feinde geworden sind, daß einem ehrlichen Mann das Grauen ankommt, wenn sie anfangen zu reden.
Noch heftiger aber sind die Weiber, die sich über den ihnen zukommenden Haushaltungskreiß erhoben, und mit in die Sache gemischt haben; ich habe teutsche Weiber kennen gelernt, die eben so grausam seyn würden, wenn’s darauf ankäme, als viele Französinnen gewesen sind. Diese Männer und diese Weiber haben also offenbart, was in ihren Herzen verborgen lag.
Dagegen weiß ich auch Männer und Weiber, die ehmals auf dem Wege waren, der zum Nichtsglauben führt, und auf dem sie gewiß verlohren gegangen seyn würden, wenn sie sich nicht durch die denkwürdigen Vorfälle der gegenwärtigen Zeit hätten warnen lassen, und wieder auf den rechten Weg zurückgekehrt wären.
Der Herr hat also auch jezt seine Wurfschaufel in der Hand, er fegt auch jezt seine Tenne; – wer es sieht der merke darauf! Engel gehen unsichtbar umher, um diejenigen, die es werth sind an ihren Stirnen zu versiegeln. Da wo sie das Mahlzeichen des Thiers finden, da gehen sie vorüber, solche versiegeln sie nicht.“
Im Heimweh Bd. 4, Buch 3, (Sam S. 773 f) liest man:
„Welcher Geist durchweht die Geister, auch der sanftesten und gesittetsten Menschen? - gewiß nicht der Geist der Religion des Friedens und der Liebe, des Dultens und der selbsteigenen Besserung! O die Tage beginnen, wo sich ein Volk über das andere, und ein Königreich über das andere empören wird! - und welch eine Erscheinung! - die weiblichen Seelen - die sanfter, dultender und feiner fühlende Herzen des Frauenzimmers, sind ergrimmter tobender Revolutionssüchtiger als die Männer. Mir sind Ausdrücke von Weibern bekannt, bey denen einem das Blut in den Adern erstarrt, aber ich will sie schonen, sie sollen ihre Schande nicht in meinem Heimwehbuche lesen. Ich will der Personen Freund und der Sache Feind seyn.“
Dies erklärt – unter Hinzuziehung der Anmerkungen zum Grauen Mann und den Angaben in
„Der Triumph der Philosophie im Achtzehnten Jahrhunderte. - [Motto Seneca] - Erster Theil. - Germantown, [= Augsburg: Peter Paul Bölling] bei Eduard Adalbert Rosenblatt 1803.“ (Tl. 2, 1804) –
vielleicht die „frauenfeindlich[e] und antiemanzipatorisch[e]“ Tendenz des Beitrags. Vgl. zum Thema auch hier und hier.
S. 27: „Entwurf eines Plans und der Regeln des Teutschen Gelehrten=Bundes zur Aufrechterhaltung der Christlichen Religion und der Teutschen Reichsverfassung," der in der Lebensgeschichte keine Erwähnung fand, aber im „Gedenkbüchlein“ mehrfach genannt ist.
„Keiner“ geht auf diesen Aufsatz ein. Dies ist nicht verwunderlich, war Strippelmanns Artikel aus dem Jahr 1877 doch nahezu vergessen; selbst Benrath (1990) kannte ihn nicht. Erst im Jahr 2003 stellte ich ihn der Jung-Stilling-Forschung wieder vor, wie das „Sendschreiben“ nachweist. Wäre der Text Schwinge selbst bekannt gewesen, so hätte er ihn sicherlich in seiner Brief-Edition S. 171 vor Anm. 6 und S. 175, 2. Absatz von unten, vermerkt.
Jedoch wurde schon über den Text in Strippelmanns Buch berichtet. So schreibt
Losch, Philipp: Kurfürst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fürstenbild aus der Zopfzeit. Mit 10 Kunstbeilagen. Marburg: Elwert (Braun) 1923 . 211 f.:
Die Regenten von Kassel und Baden trafen sich vom 28. September bis zum 2. Oktober 1794 zu Wilhelmsbad um ein Bundesprojekt zu diskutieren. Hans Christoph Ernst Freiherr von Gagern (1766-1852) hatte in seinem Aufruf „Ein deutscher Edelmann an seine Landsleute“ vom August 1794 Stimmung für einen „Bund der Eintracht“gemacht. Diese Anregung war von Carl Friedrich von Baden (1728-1811) und seinem Minister Georg Ludwig von Edelsheim (1740-1814) aufgegriffen worden. Sie wollten in Wilhelmsbad diesen Fürstenbund zum Schutz der Reichsverfassung diskutieren, jedoch fehlte es an Unterstützung der übrigen Reichsstände. Die Fürsten von Darmstadt und Württemberg ließen sich so entschuldigen. Neben den sonstigen Entwürfen hielten es die beiden in Wilhelmsbad zusammengekommenen Fürsten für gut, auch eine antijakobinische Gesellschaft von Schriftstellern und Gelehrten ins Leben zu rufen. Dies scheint dann der Plan zu sein, den Jung-Stilling entwickelte.
Auch Heinrich Hermelink / Siegfried August Kaehler: Die Philipps-Universität zu Marburg, 1927, S. 474-476 und Hans-Christoph Dittscheid im Jahr 1983 (Druck 1987) erwähnen diesen „Entwurf“.
Ergänzt sein hier, was bereits Wolfgang Rasch (1921-2010) in einem im Manuskript vorliegenden Aufsatz feststellte: Benrath in seinem Aufsatz zum „Gedenkbüchlein“ identifiziert den falschen Ries! Nicht der gothaische „Legationsrat Johann Jakob Ries (gest. 1808)“ ist es, sondern der sachsen-weimarische Residenten (seit 1793-12-17, ernannt von Herzog Karl August) und zuvor nassau-usingischen Legationsrat Johann Carl (Philipp) Riese (geb. Idstein 1752, gest. 4.03.1811, er ehel. 1794-03-23 in Oberliederbach NN; 1799-01-02 Geburt des Sohnes Johann Philipp).
S. 32: „Keiner außer Baumann“ – Schwinge übersieht hier u. a. den Hinweis in der Jung-Stilling-Bibliographie von Klaus Pfeifer (Nr. 48), wo die Nr. 466 auf den Neudruck verweist:
Johann Heinrich Jung-Stilling: Wirtschaftslehre und Landeswohlstand. Sechs akademische Festreden. Herausgegeben, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen v. Gerhard Merk. Berlin: Duncker & Humblot (1988. ISBN 3-428-06447-X.) – Text S. 165-174, Anm. S. 174-177, S. 165 Titelblattfaksimile der Rheinischen Beiträge, Heft 7.
Im Ausstellungskatalog „Jung-Stilling. Arzt - Kameralist - Schriftsteller zwischen Aufklärung und Erweckung“ (1990) ist es Walter Lauterwasser, der S. 198, „B 12“, sich dazu äußert.
Zu Cazotte in der "Theorie der Geister-Kunde" (ausführlich - mit Literatur - siehe dazu hier):
S. 27 f. und S. 32 „Keiner“, S. 37, Anm. 45:
Die unklare Quellenangabe zum "Erbauungsbuch" – „1805-1808“ – scheint anzudeuten, dass der Autor die Quelle nicht eingesehen hat.
Die Erzählung zu Cazotte findet sich in Bd. 6, 1806, S. 68-83 des "Erbauungsblattes". Da „Cazotte“ hier 16 Seiten einnimmt, ist auch von einer solchen Broschure auszugehen, die allerdings bisher noch nicht nachgewiesen werden konnte (vgl. u.)
Neben der Ausgabe von 1916 erschien auch eine weitere Auflage 1935, die z. B. in der Bibliographie von Pfeifer (Nr. 388) genannt ist. Die vor Meißner (1866) erschienenen Ausgaben werden nicht genannt, so nicht die bereits 1806 im „Journal de l’Empire“ 1806-06-26 erschienene, auf die web-site mit ihren Texten und Erläuterungen wieder kein Hinweis wie auch nicht auf die Bemerkungen im „Grauen Mann“ (1807, S. 4541). Die Übersetzung von Erminio Morenghi ist oben bereits genannt. Genannt sei auch neben dem von „-n“ 1806 herausgegebenen Text: „Die Gräfin Brienne. Ein Gegenstück zu den Weissagungen des Schriftstellers Cazotte.“:
Am 1806-08-21 schreibt Jung-Stilling aus Baden-Baden an Pfeffel in Colmar:
„in Strasburg ist diese Brochure von 1 1/2 Bogen zu haben, der Titel ist: Merckwürdige Vorhersagung die Frantzösische Schreckens=Revolution betreffend, aus den hinterlaßenen Werken des Herrn La Harpe, aus dem christlichen Erbauungsblatt besonders abgedruckt.“
In der Brief-Edition fehlt neben vielen anderen der Brief Jung-Stillings an Ringier vom 1809-03-15.
Hier schreibt Jung: „Ich bitte diese Erzählung noch einmal aufmerksam zu lesen; sie fängt §. 149. an, und hört nebst meinen Bemerkungen darüber mit dem §. 151. auf. Außer den Beweisen der Wahrheit dieser Geschichte, die ich daselbst angeführt habe, füge ich noch folgendes hinzu.“ Am Ende dieser umfangreichen Ergänzungen heißt es:
„Ich begreife durchaus nicht, mein Freund! warum man so außerordentlich ungehalten auf mich ist, daß ich diesen Lehrsatz: Gott regiere die Menschheit durch Werkzeuge, und diese seyen Engel und Geister, in meinen Schriften vorgetragen habe. Der wahre Christ, der Bibelfreund kann nichts dagegen einwenden, und der ungläubige oder mechanische Philosoph soll mir Cazottes Vorhersagung aus seinen Grundsätzen erklären, und wenn er das nicht kann, so soll er schweigen, und den Fortschritt der wahren Aufklärung oder Erleuchtung nicht hindern. Der scheinbarste Einwurf, den man mir dagegen gemacht hat, ist: es können leichtsinnige Menschen dadurch verleitet werden, alles anzuwenden, um mit dem Geisterreich in Connexion zu kommen; allein ich habe ernstlich dringend dafür gewarnet, und es für Zauberey=Sünde erklärt, und dann gehört eine physische Disposition dazu, die nur selten in der Natur vorkommt; und endlich: was kann die Wahrheit dafür, wenn sie mißbraucht wird? – Soll man deswegen einen Scheffel über ein Licht stürzen, das so viel Wichtiges, bisher Verborgenes erhellt?“
Drucke der Prophezeiung u. a. auch in:
The Monthly Magazine; or, British Register; Including […]. Vol. XXIII. Part 1. for 1807. London: Richard Phillips 1807; S. 688 (Sp. 2 u.) – S. 693 (Sp. 1) : „Le Prophetie de Cazotte“.
Joseph Freiherr von Hormayer (Hrsg.): Taschenbuch für die vaterländische Geschichte 1850 1851, S. 181-193: „Cazotte’s merkwürdige Vorhersagung, die französische Revolution und insbesondere die Zeit der Schreckens-Herrschaft betreffend. Anfang des Jahres 1788.“; S. 197 zu Jung-Stilling und den Quellen.
Die Stadtbibliothek Braunschweig verwahrt die (von mir noch nicht eingesehene) 8seitige Schrift aus dem 19. Jahrhundert:
Des weltberühmten Cazotte bis jetzt eingetroffene höchst merkwürdige im Jahr 1788 ausgesprochene Prophezeihung über die Greuel der französischen Revolution und den Folgen derselben bis zum Jahre 1814. (Endet mit: (Die Fortsetzung folgt.)
Auf die Zeugnisse von John Campbell Colquhoun und von Karl August Varnhagen von Ense sowie vieler anderer sei nur hingewiesen.
S. 38, Anm. 50: brüderlich
Vielleicht versteht Jung-Stilling etwas anderes unter „brüderlich“, als im Dreiklang (Freiheit, Gleichheit; siehe unten 1798) abgedeutet ist?
Vgl. im Grauen-Mann--Register passim, auch unter vereinigen und liebreich ist nachlesen; dto. gilt dies für den Index zum Heimweh.
Hier einige Beispiele:
1779:
„Laßt uns brüderlich zusammen umgehen, mein Freund! sprach er, und gab ihm die Hand.“
„und uns seiner brüderlich anzunehmen“
1780:
„Dank für Deinen brüderlichen Brief.“
Lavater: „Ich danke für Dein gutherziges Zutrauen, lieber Jung, und für jede neue Probe Deiner brüderlichen Gesinnung gegen mich!“
„und meinem brüderlichen Freunde, dem / Herrn Hofrath und Professor Schmid“
1781:
„und versicherte sie, ihr mit brüderlicher Treue in allen Umständen beizustehen.“
„worüber ihn der Kandidat sehr lieb gewann und ihm brüderliche Freundschaft versprach“
„Herr Pilger und Mattapuli schloßen indeß während der brüderlichen Mahlzeit die engste Freundschaft“
„Was wirds seyn, wenn wir einmal im Reich des Schauens zusammen kommen und dort ohne Schwachheit brüderlich würken werden.“
1782:
„da trunken sie dann brüderlich einen Schluck Branntewein zusammen“
„ich will dir brüderlich helfen“
1783:
„Belehrt mich brüderlich, wo ihr findet, daß ich gefehlt habe; ich werde es ebenso machen.“
„Alle schwuren sich eine ewige brüderliche Freundschaft. In dieses Bruderband waren Florentin und Rosine mit eingeschlossen“
1785/1786:
„dann umarmte man sich brüderlich, schwur sich ewige Liebe und Treue“
„Verehrungswürdigster brüderlicher Freund!“
1788:
„Der Pfarrer kan immer den Rang vor dem Schulmeister haben, aber nicht anders als in brüderlicher Beziehung, so wie die Professoren“
1794 ff.:
im Heimweh passim; „Eugenius gieng brüderlich-fürstlich mit ihnen um“
1795:
„Theurer und brüderlich geliebter Freund!“
„Lieber! wie könnt ich Dir brüderliche Erinnerungen übelnehmen, da ich ja auch gegen Dich freygebig damit bin.“
1796:
Heimweh: „Würdest du ihnen vergeben, lieber brüderlicher oder schwesterlicher Leser?“
„Meine innigst geliebte Schwesterliche Freundin!“
1797:
„Ihr herzliches und brüderliches Zutrauen zu mir beschämt mich nicht weniger,“
„mit dem ich in genauem brüderlichen Verhältnis stehe“
„Meine ewig geliebte, schwesterliche Freundin!“
1798:
Staatswirthschaftliche Ideen:
„daß der große Zweck der Menschenrechte: Freyheit, Gleichheit dadurch zur höchsten Vollkommenheit gelangen würde. Die Sache wäre zu überlegen!!!“
1799:
Siegsgeschichte
„Die Religionseinigkeit hält die Völker in einem brüderlichen Bande zusammen; so lange diese dauert, können auch politische Trennungen ihre Verfassungen nicht ganz zerrütten;“
1801-02-08 Jung-Stilling schreibt an Steinkopf
„mir kam kein Gedanke an eine äussere oder kirchliche Vereinigung in die Seele, sondern ich wollte nur dadurch ein Mittel vorschlagen, wie man sich gegenseitig zeigen könne, daß man ein brüderlich Herz gegeneinander habe, und gern in der Einigkeit des Geistes miteinanderstehen möchte. Weiter wollte ich nichts.“
1801:
Szenen: „brüderlicher und schwesterlicher Leser!“
„unsre zärtlichste Bruder- u. Schwesterliebe“
S. 39 im Zitat aus der "Siegsgeschichte": Schwinge korrigiert hier 1786 zu 1789: In beiden Ausgaben aus dem Jahr 1799 findet sich S. 445 richtig das Jahr 1789 angegeben. Welche Ausgabe wird hier zitiert?
Leider fehlt auch ein Hinweis - Schwinge nennt 1779 bis 1814 im Titel seiner Arbeit - auf Jung-Stillings
„Sendschreiben / an die / Bürger Helvetiens, / von / D. Johann Heinrich Jung, / Hofrath und Professor in Marburg, / sonst auch / Heinrich Stilling / genannt. / - / Winterthur, / in der Steinerischen Buchhandlung.“
aus dem Jahre 1802, worin dieser seine
„wahren Gesinnungen und Grundsätze in Ansehung der gewaltsamen Revolutionen, und des Verhältnisses zwischen Obrigkeiten und Unterthanen öffentlich, und nach meinem innersten Herzensgefühl zu bekennen“ gedenkt.
Der Text dieses "Sendschreibens" findet sich mit Kommentar hier.
Noch einmal sei hier Jung-Stillings "politisches Glaubensbekänntniß" abgedruckt, das sich auch hier seit Jahren befindet:
"Lehrbuch / der / Staats=Polizey= / Wissenschaft / Von Johann Heinrich Jung / der Weltweisheit und Arzneygelehrtheit Doctor, und / öffentlicher ordentlicher Lehrer der Oeconomie, Finanz= / und Cameral=Wissenschaft zu Marburg. / - / Leipzig, / in der Weidmannischen Buchhandlung / 1788."
„§. 592. Da der Deist keine göttliche Kraft zur Tugend glaubt, so ist er nur dann tugendhaft, wenn entweder in seinem Temperament keine mächtige Reize zum Laster liegen; oder wenn ihn die Umstände so leiten, daß ihm die Ueberwindung leicht wird; oder endlich, wenn sein Verstand so durchdringend ist, daß er die Tugend in aller ihrer Herrlichkeit anschaut, und also mit Mannskraft das Laster überwindet; indessen würkt die Bibel wenig auf ihn, sie ist seiner Vernunft unterworfen, und wenn er auch die Unsterblichkeit der Seelen, und einen bessern Zustand nach diesem Leben glaubt, so hat er doch keinen Begrif von den furchtbaren Strafen, die in jenem Leben auf das Laster warten, nur allein die Tugend selbst muß ihn mit ihren Reizen locken. In allen diesen Stücken, ist der Socinianer mit ihm von einerley Gesinnung. Kan dies alles wohl geläugnet werden?
§. 593. Wenn aber nun das alles wahr ist, und wenn uns alle Erfahrung überzeugt, daß unter zehn tausend Menschen kaum einer in dem Fall ist, als Deist oder Socinianer tugendhaft zu seyn, weil obige Erfordernisse ausserordentlich selten angetroffen werden; ferner: wenn der Glaube an einen Gottmenschen, der durch seinen Geist noch immer an den Herzen zur Besserung fortwürkt, der die willige Ertragung der Leiden, das Ringen nach Tugend, und die Tugend selbst überschwenglich belohnt, die Sünde aber erschrecklich bestraft, und überhaupt der Glaube an eine Erlösung durch Christum seinen Bekennern eine Kraft giebt wahrhaft tugendhaft zu werden, diese Kraft mag nun Enthusiasmus seyn oder nicht; was ist dann die flicht des Gesezgebers, des Lehrers, des weisen Mannes, und – des Freymaurerordens? Warlich! Warlich! den Deismus und den Socinianismus so sehr zu hindern, und die wahre, reine Bibelreligion ohne Verdrehung nach dem wahren Wortverstand so sehr zu befördern, als nur immer möglich ist. Doch gnug von diesem!“
Über das Thema „Darf ein Volk seinen Herrn absezzen?“ handelt dieses Lehrbuch in den Paragraphen „546 = 552“; gerade die beiden letzten Paragraphen sind für Jung-Stillings Meinung von Bedeutung. Ein zweitgenössischer Rezensent meint dazu:
„Ueber die Schwierigkeiten der Frage, ob die Nation sich gegen einen Tyrannen auflehnen dürfe. Das Recht wird bejahet, aber die Ausübung widerrathen. Soweit ganz gut! aber der Zusatz. §. 551 „Gelingt ein solches Unternehmen, wie in der Schweiz, in den Niederlanden, dann war es eine göttliche Dazwischenkunft; wo aber diese fehlt, und dies zeigen immer die Folgen, da ist jedes Unternehmen von der Art, Empörung, [Sp. 279:] Aufruhr, Hochverrath.“ Welche ungeheure Behauptung! Heißt das den Knoten aufgelößt? §. 592. Abermals hart und ungerecht wider die Deisten und Socinianer; sie sollen schlechterdings bloß der Temperamentstugend fähig seyn. (Gott bewahre doch einen guten Schriftsteller vor der Schwärmerey, über Sachen urtheilen zu wollen, die er nicht versteht!)“
Was mag Jung-Stilling wohl im Jahr 1816 bei seinem Aufenthalt in Neuwied gedacht und gefühlt haben? Siehe dazu hier.