"So rettet der Herr die Seinigen die auf ihn trauen"
Heidelberg und Prof. Alting bei der Eroberung durch Tilly 1622
Jung-Stilling erzählt an einer Stelle seiner Werke die Geschichte des Professors Heinrich Alting (1583-1644) und seiner Flucht aus Heidelberg als eins der vielen Beispiele für die Bewahrung durch Gott.
Ich hab oben schon erzählt, daß die Böhmen vor dem Anfang des 30 jährigen Kriegs, den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz zu ihrem König wählten, woher dann gedachter schrecklicher Krieg entstand. Dieser Kurfürst wohnte hier in unserer Stadt Heidelberg. Dies veranlaste nun den kayserlichen General Tilly, daß er im Jahr 1622 hieher kam, und diese Stadt belagerte; am sechsten September wurde sie mit Sturm eingenommen, und nun muste die gute Stadt alles ausstehen, was nur die Frechheit der Soldaten an Weibern und Jungfrauen, durch Rauben, Morden, Plündern, und Verwüsten, ausüben kann.
Zu der Zeit befand sich hier der Professor Alting, der noch durch seine Schriften bekannt ist; vermuthlich war er den Oestreichern als ein berühmter reformirter Theologe beschrieben worden, woher er denn auch in der grösten Lebensgefahr war. Er war eben in seiner Studierstube, als man ihm sagte, die Kayserlichen hätten die Stadt eingenommen. Sogleich verriegelte er die Thür, wendete sich im Gebet zu Gott, und erwartete alle Augenblicke, daß die Soldaten einbrechen, und ihn tödten würden. Jedoch ehe er sichs versahe kam sein Freund, der Rector der Universität Bethusius [= ?], ruft ihn heraus, und führte ihn durch eine Hinterthür zu dem Haus des Canzlers [= ?], welches Tilly zu plündern verboten hatte, weil darinnen wichtige Dokumente, Acten und Briefschaften aufbewahrt wurden. Dies Haus wurde von einer Anzahl Soldaten bewacht, die unter den Befehlen eines Obrist = Lieutenants standen, der besonders nach Raub und Mord begierig war; da er aber nun hier bleiben muste, und also nicht plündern und morden konnte, so schickte er Soldaten aus, welche die wohlhabendsten Bürger zu ihm führen musten, denen er dann auf allerhand Weise Geld abzwackte. Zu diesem fürchterlichen Manne wurde Alting gebracht, der ihm sein von Blut rauchendes Schwerdt vor die Augen hielt, und sagte: an diesem Tage habe ich mit dieser Hand zehn Menschen umgebracht, und ich würde den Professor Alting als den elften dazu sezen, wenn ich wüste wo er zu finden wäre? – allein wer bist du denn? – Alting antwortete: Ich war ein Lehrer bey der Universität – durch diese kluge, und doch wahre Antwort entgieng er der Gefahr: denn der Obristlieutenant versprach ihm hierauf alle Sicherheit.
Hier brachte er eine der traurigsten Nächte ganz ohne allen Schlaf zu: denn er wurde durch das Geschrey der geraubten Weibspersonen, und durch das Winseln der Männer, die an ihren Wunden und Qualen starben, wachend erhalten. Da er aber bemerkte, daß sehr viele zu diesem Hau? ße, als zu dem einzigen sichern Ort ihre Zuflucht nahmen, und er zugleich fürchtete, er könnte vielleicht verrathen werden, so versteckte er sich auf den obersten Boden unter das Dach. Zu eben der Zeit wurde auch der Obristlieutenant von Tilly abgerufen, und das Haus den Jesuiten übergeben, die aber Altings eben so bittere Feinde waren, und er also in eben so groser Lebensgefahr war. Doch sorgte Gott durch seine besondere Vorsehung auch hier für sein Leben: Die Küche dieses Hauses hatte sich Tilly selbst vorbehalten, und über dieselbe war ein pfälzischer Koch gesezt, der den Professor Alting kannte und liebte; dieser Koch ernährte und verbarg ihn so lange, bis er gelegene Zeit fand, und da die Jesuiten eben mit den Anstalten zu einer Messe beschäftiget waren, so bestach er drey bayerische Soldaten, die den Alting nach seinem Hauße bringen musten. Hier fand er bey seiner Ankunft alle seine Sachen zerbrochen und geplündert, in seiner Bibliothek aber saß ein Hauptmann, der ihn nicht kannte, und sich rühmte, daß das alles sein wäre. Doch, sagte er, geb ich dir die Erlaubnis, ein Buch auszusuchen, und mitzunehmen. Alting schlug dieses höflich aus, und sagte: Mein Herr! wenn alle diese Sachen ihnen zugehören, so wünsche ich, daß sie sie länger behalten mögen, als ihr voriger Besitzer.
Mit tausend Gefahren begleitet schlich er sich von Heidelberg weg, und kam nach Heilbronn. Von da wendete er sich nach den Niederlanden, wo er zu Gröningen und Leyden noch viele Jahre mit Ruhm und nutzen lebte und lehrte. So rettet der Herr die Seinigen die auf ihn trauen, auch aus den grösesten Gefahren, dies beweist auch folgende merkwürdige Geschichte.
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